Süddeutsche Zeitung

Gender-Spottlied löst heftige Reaktionen aus:"Als nächstes sind alle, die Auto fahren, Fleisch essen und in den Urlaub fliegen Nazis?"

Lesezeit: 2 Min.

Der Münchner SPD-Stadtrat Roland Hefter macht sich in einem Song über geschlechtergerechte Sprache lustig. Dass ihn manche deshalb in die rechte Ecke rücken wollen, weist er scharf zurück.

Von Heiner Effern

Ein Rechtsaußen, der sich fragen lassen muss, ob er sich im braunem Abschaum wohl fühlt? Weil er ein Spottlied übers Gendern geschrieben hat? Der Liedermacher und SPD-Stadtrat Roland Hefter wusste bestimmt, dass sein neuestes Werk nicht überall gut ankommt. Er wolle die Kritik am Gendern von der demokratischen Seite und mit Humor besetzen, sagte er, doch nun muss er sich mit alles anderem als lustigen Anwürfen auseinandersetzen. "Viele scheinen echt zu glauben, Menschen, die Probleme mit dem Gendern haben, sind Rechtsaußen. Und als nächstes sind alle, die Auto fahren, Fleisch essen und in den Urlaub fliegen Nazis?" Mit dieser Replik reagierte er auf Facebook.

Hefter hatte sein neues Lied "Genderpolizei" am Donnerstag veröffentlicht. Darin singt er von der "Kinderkrankenschwester*in" und der "Chef*innensekretär*in", streift dabei durch die Altstadt und tanzt vor dem Rathaus auf dem Beckenrand des Fischbrunnens. Warum er ein aus seiner Sicht übertriebenes Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache nicht mag, macht er in einer Textzeile deutlich. "Des Gendern, des mit Pause-innen, hört sich halt so beschissen an!" Er grenzt sich aber bewusst auch von der AfD und rechtsextremen Gendergegnern ab. Hefter findet, dass man ein Thema, das seiner Meinung nach viele Menschen nervt, gerade nicht diesen Gruppen überlassen dürfe.

So aufgeregt sich darauf die Diskussion im Netz entwickelte, so leise verhielten sich die Kolleginnen und Kollegen in der Rathaus-Koalition. Gegen die Vorwürfe, er biedere sich zumindest im rechtsextremen Spektrum an, nahm ihn nicht etwa die SPD in Schutz, sondern als einzige die CSU mit einem offiziellen Statement. "Ich bin entsetzt, dass Stadtratskollege Roland Hefter aufgrund eines künstlerischen Beitrags einem derartigen Shitstorm ausgesetzt ist. Man kann von dem Lied halten, was man möchte, aber es bewegt sich eindeutig im Rahmen des demokratischen Spektrums", sagte der CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. Der SPD-Kollege Hefter stehe für Toleranz, Vielfalt und Demokratie, das wisse jeder, der ihn kennt, sagte Pretzl weiter. Ihm dürfte die Hilfe für den Kollegen auch leicht fallen, weil die CSU die kritische Haltung Hefters teilt.

Das dürfte für den Großteil der Koalition nicht gelten, entsprechend zugeknöpft geben sich die Fraktionen von Grünen/Rosa Liste und SPD/Volt. Man wolle sich zum Lied von Roland Hefter nicht äußern, heißt es von den Grünen, die das Gendern zusammen mit der SPD als Ziel im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat. Von Hefters eigener Fraktion kommen offiziell nur ein paar wenige Sätze. "Roland ist Kabarettist und Künstler. Als solcher ist er frei, zu singen, was er möchte", erklärte die Vorsitzende Anne Hübner. Um im zweiten Satz darauf hinzuweisen, dass Hefters Haltung nicht die seiner Kolleginnen und Kollegen ist. "Als Fraktion gendern wir selbstverständlich seit vielen Jahren und halten das auch für wichtig, da es uns um Gerechtigkeit für alle auch in der Sprache geht." In der SPD-Fraktion selbst wird Hefters Lied wohl auch von nicht wenigen sehr kritisch gesehen. Die Jusos sollen intern mit einem Brief ihren Unmut mitgeteilt haben. Äußern möchte sich der Vorsitzende Benedict Lang dazu nicht.

Unverblümte Kritik äußerte der Linken-Fraktionschef Stefan Jagel, nicht nur an Hefter, sondern auch an der SPD-Fraktion. Hefter fantasiere eine "Gender-Polizei" herbei, die die Sprache kontrolliert, ärgerte sich Jagel auf Twitter. "Ganz schön daneben" sei es, als "Künstler*in so in den von rechts dominierten Kulturkampf gegen das ach so autoritäre Gendern einzusteigen". Er erwarte eine Distanzierung von der SPD-Fraktion, schrieb Jagel weiter.

Eine solche kam nicht, aus der SPD erhielt Hefter sogar auch Zuspruch. "Danke Roland, ich finde dieses elitäre Sprachverhalten auch absurd", schrieb der Münchner Verdi-Vorsitzende Heinrich Birner in einem Internet-Kommentar. Der SPD-Landtags-Kandidat in Bogenhausen, Alexander Friedrich, nahm Hefter gegen rechte Anwürfe in Schutz. "Wer dich aber politisch in die Rechtsaußen-Ecke der SPD stellt, bei deinem ganzen Engagement für die Rentnerinnen und Rentner, für die Menschen in München, denen es nicht so gut geht, sollte den eigenen politischen Kompass überdenken", schrieb er dem Liedermacher.

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