Alt, aber noch nicht zu alt für eine große Show: Rockikone Iggy Pop zieht bei seinem Auftritt am zweiten Tag des Rockavaria-Festivals noch einmal alle Register und spielt länger als vereinbart.
Zur Freude seiner Fans lässt sich Iggy Pop aber nicht davon beeindrucken, dass die Tontechnik ihm um 23 Uhr den Sound abdreht - er macht einfach wie in einem Stummfilm weiter und zelebriert ein letztes Mal seine Posen.
Schon am Nachmittag heizen die ersten Bands den Fans ein, wie hier Serum 114...
... oder Garbage, deren Sängerin Shirley Manson sich ganz im Leopardenfell-Look zeigt.
Auch Mando Diao mit Sänger Björn Dixgard begeistert das Publikum.
Die Fans machen es sich indes auf der Wiese vor der Seebühne bequem.
Auch der Parkplatz wird kurzerhand zur Partyzone umfunktioniert. Wer keinen Campingstuhl dabei hat, setzt sich einfach auf den Boden.
Später am Abend wird der Film "Gutterdämmerung" gezeigt, in dem der gestorbene Lemmy Kilmister als Panzergeneral zu sehen ist, wird gezeigt und zum Teil live vertont.
Im Labyrith des Olympiastadions weisen Schilder den Weg zu den Backstageräumen der Bands: JBO, Suicidal Tendencies, Dust Bold, Tuxedoo. . . Auf einem Ledersessel am langen Gang hat sich Michael Robert Rheina, genannt Das letzte Einhorn, am ersten Tag des Festivals niedergelassen. Er grüßt alle Vorbeikommenden mit "Moin". Es ist 18 Uhr, zwei Stunden vor seinem Auftritt. Das Einhorn ist gelassen, kennt das Spiel. Seine Band gibt oft den Headliner. In Extremo spielen seit 20 Jahren sehr erfolgreich Heavy Metal oder Punk mit elektrischem Rock-Instrumenten und mittelalterlichem Gerät, ein bisschen wie die Toten Hosen mit Dudelsäcken.
Deswegen werden sie für so genannte "Fledermaus"-Festivals ebenso gern gebucht wie für Rock-Open-Airs. "Und für Tollwood hier gleich ums Eck", sagt der Sänger und Cister-Spieler, "das gefällt mir besonders gut." Vielleicht, weil da so viele Zelte stehen. Jedenfalls findet er es seltsam, dass man bei "Rockavaria" nicht campen darf. Er selbst besuche jedes Jahr den Summer-Jam in Köln, "da stehe ich drei Tage in der dritten Reihe und mache auf Rastafari, ich liebe das. Und nachts hänge ich mit irgendwelchen Verrückten am Zeltplatz ab, das ist geil, das macht doch so ein Festival aus, dass du da drei Tage lang freidrehen kannst." Klar, er finde es auch klasse, dass sich das zeltlose, brave "Rockavaria" etabliert habe. "So etwas funktioniert auch nur in einer Stadt wie München."
Die Musiker von Apocalptica sind zu bedauern. Während die Sonne scheint, sitzen Eicca Toppinen und Mikko Siren in einem fensterlosen, kargen Raum auf einem schwarzen Sofa in den Katakomben des Olympiastadions. Der Getränkekühlschrank ist leer. "Schon in Ordnung", sagt Toppinen, klassisch ausgebildeter Cellist, "wir haben noch ein anderes Zimmer, da ist alles da. Nur die Rohre hätten vorhin beim Duschen schreckliche Geräusche gemacht, naja, die Installation ist aus den Siebzigern." Ansonsten lieben sie das Olympiastadion, wegen der Archtitektur, aber auch weil das "ein historischer Ort für die Finnen" sei. Ihr Landsmann Lasse Viren gewann hier 1972 den olympischen 10000-Meter-Lauf. "Er war gestürzt und rollte das Feld von hinten auf. Eine Legende."
Versteht sich, dass die finnischen Cello-Rock-Pioniere vorhin laufen waren, wie bei jedem Tourstopp. "Du musst raus aus dem Backstage, sonst drehst du durch. In München mag ich besonders den Luitpold-Park mit seinen vielen verschlungenen Wegen", sagt Siren. Der Schlagzeuger hat noch rote Laufhosen an. Er freut sich auf den Auftritt, vor allem aufs Publikum: "Bei Metal-Festivals haben die Leute das beste Benehmen, es gibt nie Ärger." Dabei war für den Cello-Rock-Erfinder Toppinen der frühe Heavy Metal stets die Fortführung des Punk: "Kompromisslos, gegen alle bestehenden Formen." Also das genaue Gegenteil von dem Star-Geiger David Garrett, der ja auch gerne Rock auf seinem Saiteninstrument spielt. "Rock ist das nicht", findet der ebenso langhaarige Toppinen, "der geht auf Nummer sicher, das ist lahm. Er spielt auch eher für ein Schlagerpublikum - Hansi Hinterseer." Sie kennen den wirklich!" Zeit für die Bühne.
Hardrock bei schwüler Sommerhitze: Am Freitag hat das Musikfestival "Rockavaria" im Münchner Olympiapark begonnen. Bis Sonntagabend sollen 45 Bands auftreten. In der Olympiahalle spielen - anders als noch 2015 - keine Bands. Die Spaßrocker von J.B.O. haben am Freitagnachmittag bei Sonnenschein, kaltem Bier und heiterer Laune, die Hauptbühne des Rockavaria-Festival erobert und eingeweiht, für den Abend standen mit den Mittelalter-Rockern von In Extremo und dem Opern-Metal von Nightwish auch eher lautere Töne auf dem Programm.
Zum zweiten Mal wurden die Bühnen für das Festival im Olympiapark aufgebaut, neu dabei: die Seebühne. Dort lassen die Punks von Betontod die Saiten und Trommelhäute vibrieren, The Shrine importieren ihren Stoner-Rock aus Kalifornien, während am Samstagabend die netten Schweden von nebenan, Mando Diao, auf der Hauptbühne den Weg für den Paten des Punk, Iggy Pop, bereiten. Zum großen Finale steigern sich dann am Sonntag Anthrax, Slayer und Iron Maiden, die standesgemäß mit ihrem Jumbo-Jet "Ed Force One" anreisen wollten. Am Steuer: Sänger Bruce Dickinson höchstpersönlich.
Im Vergleich zum vergangenen Jahr fällt das "Rockavaria"-Festival heuer deutlich kleiner aus: Statt mehr als 60 Bands wie im vergangenen Jahr treten in diesem Jahr 45 auf. Deag-Vorstandschef Peter Schwenkow spricht im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur von "etwas anderen Headlinern". Und er ergänzt, man habe in diesem Jahr "deutlich weniger Kosten".
Und es gibt nur noch zwei Konzertorte: das Olympiastadion mit zwei nebeneinanderliegenden Bühnen, die abwechselnd bespielt werden, und die im See schwimmende Bühne. Man habe im vergangenen Jahr "einfach zu viele" Bands gehabt, sagt Schwenkow, "jetzt sind wir in einer Größenordnung angelangt, wo sich jeder alles angucken kann". Eine Band, die es in das reduzierte Line-Up geschafft hat, ist Powerwolf, die bereits am Freitag für Stimmung sorgten.
Auch bei den Zuschauerzahlen wird es in diesem Jahr wohl beschaulicher zugehen: Mit 35 000 Menschen rechnet der Veranstalter. Vergangenes Jahr waren es nach eigenen Angaben etwa 49 000 Rock-Fans pro Tag - eine nicht anderweitig überprüfbare Angabe, die angesichts teils sehr vieler freier Plätze ziemlich hoch gegriffen wirkte. Zugelassen war das Gelände für 68 000 Zuschauer.