Rock-Musical:Die Härtesten waren die mit den softesten Schnulzen

Rock-Musical: Alternder Rockstar (rechts) hilft aufstrebendem Jung-Musiker - und umgekehrt. So geht's zu in "Rock of Ages".

Alternder Rockstar (rechts) hilft aufstrebendem Jung-Musiker - und umgekehrt. So geht's zu in "Rock of Ages".

(Foto: The Other Richard)

Vokuhila, Lederbekleidung und jede Menge Rock'n'Roll: Das Musical "Rock of Ages" bringt die wilden Trends und röhrenden Hits der Achtziger ins Deutsche Theater.

Von Michael Zirnstein

So wie man untote Vampire gerne hinter den kulturellen Gitterstäben des Musicals betrachtet, stellt man sich auch mit wohligem Grusel und etwas Distanz einem anderen nicht auszumerzenden Schreckgespenst: dem Rock. Genauer gesagt dem Haar-Rock, der irgendwann in den Achtzigerjahren mit Frisuren wie dem Vokuhila oder sogar der Männer-Dauerwelle um Aufmerksamkeit bettelte. Meist sich ziemlich wild und daneben benehmende Kerle bemühten sich, mit sehr männlicher Lederbekleidung den massiven Einsatz von Augen-Make-up und Haarspray zu rechtfertigen; die Härtesten hatten die größten Hits mit softesten Schnulzen und versuchten, wie Foreigner herauszufinden, was Liebe ist: "I wanna know ..."

Rock-Musical: Und so sah's im Film aus: Tom Cruise in der Verfilmung von "Rock of Ages" 2012 langhaarig als Stacee Jaxx.

Und so sah's im Film aus: Tom Cruise in der Verfilmung von "Rock of Ages" 2012 langhaarig als Stacee Jaxx.

(Foto: David James/Warner Bros.)

Rock, Hard-Rock, Glam-Rock, Kuschel-Rock und so weiter war zu dieser Zeit freilich riesengroß. Der Rock war aus seinen subversiven Anfängen zum Goldesel gemacht worden von den Musikmanagern, um bei Radiohörern, Plattenkäufern und Konzertbesuchern so richtig abzusahnen. Weshalb er später von einem Anti-Alles-Phänomen wie Grunge leicht als überambitioniert entlarvt und überrannt werden konnte. Nach Grunge gab es dann für Rockfans (und jeder war doch irgendwie einer) nur zwei Möglichkeiten: Entweder man schämte sich. Oder man machte sich lustig drüber. Darum gibt es Rock-Musicals. Die besten bringen Verehrung und Verarschung prima zusammen (natürlich mit dem Schwerpunkt auf der Hommage).

Jetzt kommt also "Rock of Ages" ins Deutsche Theater mit einer an 25 "Rock-Hymnen und Power-Balladen" entlang schrammelnden Handlung: Eine Provinz-Beauty kommt für den Ruhm nach L.A. und landet als Kellnerin in einem von der Bürgermeister-Gattin bedrohten Rock-Schuppen, den ein Auftritt des Altstars Stacee Jaxx retten soll.

Um das Musical einzuordnen: Def Leppard, die dem Stück mit dem Song "Rock of Ages" den Titel gaben, der seltsamerweise nicht vorkommt, sind natürlich authentischer - und in diesem Sommer in echt auf dem Münchner Königsplatz zu erleben, zusammen mit Mötley Crew, den selbstzerstörerischsten der einstigen Haar-Götter (27. Mai). Steelpanther, die Band-gewordene Sex-Rock-Persiflage, ist radikaler. Das Queen-Musical "We will Rock" ist bombastischer und fantastischer. "Rockville", wie "Rock of Ages" auch schon beim "Musical Sommer in Amstetten" und im Deutschen Theater zu sehen, punktete trotz seiner Provinzialität durch den nonchalanten Einsatz des F-Wortes.

Rock-Musical: Für intime Momente wie diesen im Musical schufen selbst härteste Bands Rock-Balladen.

Für intime Momente wie diesen im Musical schufen selbst härteste Bands Rock-Balladen.

(Foto: The Other Richard)

So bleibt "Rock of Ages" das Pfund der Hits: "The Final Countdown" von Europe, "Here I Go Again" von Whitesnake, "Paradise City" von Guns'n Roses. Mehr? "Rock You Like A Hurricane" (Scorpions), "I Love Rock'n'Roll" (wenigstens mal eine Frau: Joan Jett), "Don't Stop Believin" (Journey) ... gut, das reicht jetzt. Bekanntheit erlangte das Bühnenstück auch durch die Hollywood-Verfilmung von 2012: Tom Cruise wurde für seinen körperlichen und stimmlichen Einsatz in der Rolle der dauerberauschten Langmähne Stacee Jaxx mit Axl-Rose-Bandana durchaus gelobt; allerdings floppte der Film, vielleicht, weil es mit der fiktiven Band-Doku "Spinal Tap" schon die ultimative Rock-Persiflage gab.

Das Musical "Rock of Ages" feierte dort Premiere, wo es Autor Chris D'Arienzo es angesiedelt hatte: in Los Angeles, Zentrum der Unterhaltungsindustrie der Achtziger. Dort spielte übrigens Kyle Gass die Rolle des Rockbar-Besitzers, der Comedian machte später zusammen mit dem Kollegen Jack Black mit der Band Tenaciuos D Furore - einer der ehrlichsten Rock-Witze überhaupt. Das Musical machte seinen Weg zum Broadway, wo es ewig lief und unter anderem Dee Snider als Bar-Chef seinen eigenen Twisted Sister-Brüller "We're Not Gonna Take It" singen durfte.

Rock-Musical: Lang lebe der Rock: Gruppenszene aus dem Musical "Rock of Ages".

Lang lebe der Rock: Gruppenszene aus dem Musical "Rock of Ages".

(Foto: The Other Richard)

In der neuen Inszenierung in München sind nun außer einer Fünf-Mann-Band zum Beispiel die Everding-Akademie-Absolventen Timothy Roller und Julia Taschler; dazu als Rockstar Sascha Lienn, einigen TV-bekannt durch seine Band Lilian White und seit 2007 bei "We Will Rock You" dabei. Die Regie hat Alex Balga, der zwar gerade mit "Dirty Dancing" eher softere Töne am Deutschen Theater verbreitet hatte, aber mit seiner Inszenierung von "Kein Pardon" Humor bewies und auch schon "Dracula" Leben einhauchte - eine gute Basis.

"Rock of Ages", 4. bis 16. April, München, Deutsches Theater, Mo.-Fr. 19.30 Uhr, Sa. 15 & 19.30 Uhr, So. 14.30 & 19 Uhr

Zur SZ-Startseite

SZ PlusHeiner Lauterbach
:Ein Leben voller Zufälle

Heiner Lauterbachs Karriere kann mit dem seiner schillernden Filmfiguren locker mithalten - Zusammenbrüche und Höhenflüge inklusive. Nun wird der Schauspieler 70.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: