Rock 'n' Roll:Elvis wandert jetzt nach Ungarn aus

Shawn Elvis

"Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus ..." Der Elvis-Imitator Shawn Vegvary spielt kommende Woche sein Abschiedskonzert.

(Foto: Günther Reger)

Shawn Vegvary gilt als eines der besten Elvis-Presley-Doubles der Welt. Seit 40 Jahren ist er auf Tournee. An diesem Freitag gibt der 75-Jährige sein Abschiedskonzert.

Von Stefan Salger

Auf einmal hatte der Ausflugsdampfer auf dem Bodensee Schlagseite. Alle Passagiere drängten sich auf der einer Seite des Bootes und sahen dem Musiker nach, der gerade ins Wasser gesprungen war. Wer mag es ihnen verdenken - so oft sieht man es ja auch nicht, dass Elvis von der Reling springt. Gut, ein Elvis-Double. Vielleicht das Elvis-Double schlechthin: Shawn Vegvary aus Fürstenfeldbruck.

Eine lustige Geschichte, Shawn Vegvary lacht gern. Der Ungar gilt als einer der besten Imitatoren der US-amerikanischen Musikerlegende. Er stellt sich seinen Zuhörern bei Live-Konzerten schon mal vor mit den Worten: "Vegvary - wie weg war i'." Ende Oktober ist der Elvis von Fürstenfeldbruck wirklich weg. Nach mehr als vier Jahrzehnten auf Bühnen in den USA und Europa zieht der 75-Jährige gemeinsam mit seiner dritten Ehefrau Kathy, mit den neun Gitarren, dem Banjo, dem E-Piano und der Ukulele aus der Wahlheimat Bayern in sein Heimatland.

1971 lernte er Elvis persönlich kennen

Er wird dann dem großen Idol im Rock 'n' Roll-Himmel noch ein paar Meter näherkommen: Von der Dreizimmerwohnung im dritten Stock des Wohnblocks geht es hinauf in die Berge nahe der südungarischen Stadt Pécs, in ein von Apfelbäumen umrahmtes Lehmhaus mit großem Gemüsegarten. Für künftige Auftritte dort hat er bereits einen Manager gefunden. Und ja, er wird wohl künftig im Sommer nach Bayern reisen, um in Biergärten aufzutreten, und Anfang Dezember macht er auf dem Weg zu einem Auftritt in der Schweiz auch auf einem Weihnachtsmarkt nahe Starnberg Station. Aber den Rest des Jahres wird er seinen Fans in Bayern nun fehlen.

Vegvary ist vielleicht das einzige Double, das mit sonorer Stimme nebst Tremolo nicht nur singt wie Elvis und mit schwarzer Perücke und Brille mit orangefarben getönten Gläsern im bestickten weißen Bühnenanzug mit braunen Kunstlederfransen so aussieht wie Elvis in seinen besten Jahren, sondern das sein Vorbild auch noch persönlich kennengelernt hat.

1971 war das in Palm Springs. Hinter ihm lag die Flucht aus dem Ostblock, auf dem Motorrad. Über Österreich hatte er sich bis nach Amerika durchgeschlagen und dort mit einem Musikstudium begonnen. Chronisch klamm, jobbte er nebenher als Chauffeur und Tankwart. Bei einem Überfall einer Gang auf die Tankstelle wurde er schwer am Rücken verletzt. Es war Glück im Unglück.

Denn wie sich herausstellen sollte, war der Arzt, der ihn behandelte, ein guter Bekannter von Elvis Presley. Und als der King of Rock 'n' Roll von dem mittellosen Musiker im Krankenhaus erfuhr, beglich er kurzerhand die 6000 Dollar, die für die Operation zu zahlen waren - und nahm den Dank des jungen Studenten später sogar persönlich entgegen. So etwas prägt fürs Leben. Auch deshalb verwandelt sich seitdem der einstige Musikstudent regelmäßig in Elvis.

Eingefleischte Fans reisen mit ihm

1979 wurde Vegvary in Hollywood zum besten Elvis-Double gekürt, 1996 dann in Frankfurt zum besten europäischen Elvis. 500 Songs verschiedener Genres hat er parat, die Texte lernt er beim Joggen. Beim Gitarrespielen nimmt Vegvary Anleihen bei Doc Watson, der nun auch schon seit sechs Jahren im Musikerhimmel ist. Das Unprätentiöse lieben seine Fans an ihm ebenso wie das Showtalent und seine leise, unaufdringliche und nachdenkliche Art. Wer die Augen schließt und "You are always on my mindhört, der wähnt sich auf einer Zeitreise. Nächster Halt: Graceland, Memphis, Tennessee.

Viele eingefleischte Fans reisten regelmäßig mit und kamen zu beinahe jedem Konzert des Elvis-Doubles - so wie die beiden Rock 'n' Roll-Fans Marina und Hans Salicki aus Mammendorf, die an die 20 CDs von Shawn Vegvary zu Hause haben und die es zu Füßen von Elvis meist nicht lange auf dem Platz hält: Sechser-Schritt, Achter-Schritt, Drehung, Hüftschwung.

Keine Lust auf Statussymbole

Immer wieder hat Vegvary, Vater von zwei Söhnen, der hauptberuflich als Musiklehrer arbeitete, durchblicken lassen, dass er ans Aufhören denkt. Und immer wieder tauchte er erneut auf einer Bühne auf, tingelte mit Country, Blues, Boogie und natürlich mit Rock 'n' Roll durch die Lande, mal mit Begleitband und Sohn Zoltan Elvis am Piano, mal solo. Er spielte in Biergärten und Sporthallen, bei Firmenfesten, Hochzeitsfeiern oder Christkindlmärkten. Hauptsache Musik. Hauptsache live. Hauptsache Angesicht zu Angesicht mit dem Publikum. Gerne auch drei oder vier Stunden lang. Manchmal angelte sich Vegvary eine Dame aus dem Publikum, nahm sie galant in den Arm und flüsterte ihr sanft "Love me tender" ins Ohr.

Die Musik ist für Vegvary ein Lebenselixier. Auf Statussymbole oder Spinnereien wie Porsche oder Harley, deren Fotos noch an den Wänden seiner Dreizimmerwohnung hängen, kann er dagegen gut verzichten. Nur seinen alten VW Käfer, Baujahr 1965, den hat er behalten. Tolle Kiste. "Der läuft und läuft und läuft", sagt er und schmunzelt. Eigentlich gilt das auch für ihn, der sonst seine täglichen Runden im Wald herunterspult. Zurzeit aber muss er pausieren.

Kurz vor einem Auftritt war ihm Ende Mai ein kleines Mädchen vors Fahrrad gelaufen. Beim Versuch, auszuweichen, stürzte Vegvary. Die gebrochene Schulter musste operiert werden. Auch von einem eingegipsten Bein ließ er sich vor ein paar Jahren nicht bremsen und erklomm die Bühne kurzerhand auf Krücken. "Es ist halt immer irgendwas", sagt Vegvary. Mehr Sorgen bereitet ihm aber der Gedanke an den Abschied. Natürlich sei da Wehmut dabei, nach so vielen Jahren in Bayern und all den dort lebenden Freunden und Fans, sagt er mit leiser Stimme.

Er erinnert sich gern an all die Auftritte, bei denen freilich auch nicht immer alles nach Plan lief: Einmal fuhr er mit dem Auto zu einem Auftritt nach Amberg und suchte vergeblich die richtige Straße. In einer Tankstelle gaben sie ihm den entscheidenden Tipp, dass ihm da wohl ein Buchstabe abhanden gekommen sei. In Bamberg halfen ihm dann seine geduldig wartenden Zuschauer beim Ausladen und Aufbauen des Equipments.

Konzert endete einmal fast im Wasser

Oder dann der Auftritt auf dem Ausflugsdampfer auf dem Bodensee. Während Elvis auf dem schlingernden Heck rockte, kippte die Lautsprecherbox ins Wasser. Vegvary sprang kurz entschlossen hinterher und bekam das Ding gut drei Meter unter der Oberfläche zu fassen. Die Fans applaudierten dem triefenden Rock 'n' Roller - bevor das Konzert in Mono fortgesetzt wurde (nach der Demontage und Trocknung verrichtete die zweite Box später wieder klaglos ihren Dienst).

Ein letztes Mal wird der Fürstenfeldbrucker Elvis im Oktober in seiner Heimat auftreten, in der Germeringer Stadthalle wird es das neunte Gastspiel für ihn sein. Mag den Fans an dieser Stelle wohl ein Revival versagt bleiben, so können sie sich mit einem Klassiker trösten: "You are always on my mind" ...

"Shawn - Return to Elvis", Country, Blues, Rock 'n' Roll, Boogie-Woogie, Freitag, 12. Oktober, 19.30 Uhr, Stadthalle Germering, Amadeussaal.

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