Rocca Riviera am Wittelsbacherplatz:Edles Ambiente und Luxus auf der Speisekarte

Restaurant "Rocca Riviera" in der Siemens-Zentrale in München, 2016

Opulente Ausstattung mit edlen Materialien prägt die Gasträume des Rocca Riviera, die in geschmackvollen Grau- und Blautönen gehalten sind.

(Foto: Stephan Rumpf)

An einer der ersten Adressen der Stadt, am Wittelsbacherplatz, hat das Rocca Riviera eröffnet. Doch die Küche des neuen Restaurants in der Siemens-Konzernzentrale bleibt weit hinter dem hohen Anspruch zurück.

Von Tankred Tunke

Wer in München heute mit einer Restauranteröffnung noch Aufmerksamkeit erregen will, der muss schon ordentlich trommeln. Für das erst drei Monate junge "Rocca Riviera" dürfte diese Regel besonders wichtig gewesen sein, liegt das Restaurant doch an einer der ersten Adressen der Stadt. Am Wittelsbacherplatz, direkt in der - nach der Schmiergeldaffäre auch imagemäßig - kernsanierten Siemenszentrale. Der Konzern wünschte sich hier ein urbanes, ja weltstädtisches Lokal, zur Zerstreuung für die Mitarbeiter und als Unternehmensschaufenster im Zuge der viel beschworenen neuen Transparenz. Eine sehr schöne Idee, bei der verständlicherweise nichts dem Zufall überlassen wurde.

Nach der Ausschreibung holte man sich daher als Mieter ein Team von fünf erfahrenen Gastronomen ins Haus, unter ihnen erprobte Namen wie Uli Springer und Dino Klemencic (Restaurant Koi, Brasserie Oskar Maria, The Grill im Künstlerhaus). Für die Gestaltung wurde das bekannte Architektur- und Design-Büro "Hildmann Wilke" verpflichtet. Entsprechend spürbar ist der Ehrgeiz, den das Lokal atmet, ob es um den netten, noch etwas hölzernen Empfang geht, die Speisekarte oder um die opulente Perfektion der Ausstattung.

Die zwei Etagen sind im glamourösen Retrostil gehalten, mit geschickt in der Gegenwart verankerten Zitaten aus den 60er und 70er Jahren. Wohin man schaut, wertige Materialien: Das Erdgeschoss dominiert eine gewaltige Onyx-Bar, die Galerie ist eingefasst von einer Brüstung aus Rauchglas und gebürstetem Messing. Loungesofas wechseln mit Bistro-Sesseln und zierlichen Stühlen, alles bezogen mit edlen Stoffen und inszeniert vor Wänden in geschmackvollsten Blau- und Grautönen zu warmem Licht aus gelben Stofflampen. Auf den Klos schließlich: teure Tiertapeten von "House of Hackney", wie sie derzeit auch britische Style-Blogger empfehlen. Alles richtig gemacht also?

Selbstverständlich ist der Laden bei diesem Einsatz maximal gelungen. Man sitzt gern hier, und wir haben nichts gegen Glamour, im Gegenteil. Allerdings werden gerade so viele Gasträume im Vintage-Stil durchdekliniert, dass sogar Architectural Digest im neuesten Heft eine Restaurant-Parade bringt. Es ist eingerichtet!, schallt es auch stolz aus immer mehr Münchner Küchen, aber ist es auch angerichtet? Wie am besten gegen den Prunk ankochen?

Der Blick in die Speisekarte berechtigt dann zum sofortigen Verdacht, dass im "Rocca" Caroline von Monaco am Herd steht (stimmt natürlich nicht, Küchenchef ist der Franzose Damian Plaisant): Hummer, Fine de Claire-Austern, Taschenkrebs, Thunfisch-Carpaccio, Scampi vom Grill, Charolais-Rib-Eye, Limousin Filet, Chianina Bistecca, Dry Aged Beef, Dorade Royal, Barbarie Ente und Trüffel drängeln sich da, mehrfach variiert, auf zwei Seiten. Erstaunlich, wo sich selbst im klassisch-orthodoxen Frankreich (in Italien ohnehin) immer mehr Köche von derlei Luxusküche bewusst verabschieden. Am Wittelsbacherplatz nennen sie die Mischung "Riviera-Küche" - das Beste aus der Mittelmeerregion. Oder sind mit dem neuen kulinarischen Titel am Ende die (zumindest teilweise) montecarlomäßigen Preise gemeint?

Dabei klingen viele der Hors d'Oeuvre hier sehr interessant: Den Zucchini-Haselnuss-Salat mit Pecorino (9 €) etwa hätten wir uns als schlichte Schönheit ausgemalt: mit hauchdünn gehobeltem Gemüse, herrlichen piemonteser Nüssen und Kristallen von gereiftem Käse und toskanischem Olivenöl vielleicht? Stattdessen kam ein aromenüberfrachteter Haufen Baby-Spinat in dem die Zucchini als kleine, soßengetränkte Kissen lagerten, dazu karamellisierte Tomaten und - warum denn? - roter Pfeffer. Auch beim leicht marinadelastigen Ceviche (15 €, Perus Klassiker muss gerade auf jeder Karte stehen) hätte die Küche gern ein wenig mehr auf den Eigengeschmack des Fischs (Lachsforelle, Oktopus und Crevetten) vertrauen dürfen.

Ratlos ließen uns die weitgehend geschmacksneutralen, frittierten Artischockenböden zurück (12 €), mit denen sich Teigmantel, Minzcreme, und Spinat mit - wieder - rotem Pfeffer am Gaumen nicht befreunden mochten. Und der Toskanische Brotsalat (9 €), ein Klassiker von genialer Schlichtheit - wird hier aus beachtlichen Mengen an Gurke und eingelegten Zwiebeln geschichtet und mit Spuren von Tomaten garniert, bevor alles gemeinsam im Säurebad ersäuft. Ein Lichtblick indes waren das Beef Tartare (kleine Portion zu 14 €) und die selbstgebackenen Grissini.

Anderswo in der Stadt isst man klüger, günstiger und besser

Der Service im Rocca Riviera ist bemüht, wenn uns auch beim zweiten Besuch die dringliche Beflissenheit des Kellners daran erinnerte, dass der zugestandene Reservierungs-Slot an diesem Samstag nur von 18.45 Uhr bis 20.30 Uhr ging.

Das entschlossene, aber nicht immer schlüssige Bekenntnis zur Edelzutat war dann auch Thema der Hauptgerichte. Wir bestellten Bistecca vom berühmten Chianina-Rind (550 Gramm zu 59 €, alle Zutaten und Soßen werden extra berechnet), das tatsächlich würzig und zart war, aber leider auch ein wenig verbrannt. Die geriebene Trüffel hatte der Beilage Babykarotten (7 €) kaum etwas hinzuzufügen. Und wofür bloß braucht man bei einem solchen Fleisch geschätzte 250 Milliliter Sauce Béarnaise im Kupfertopf? Der Seeteufel (24 €) wiederum war zwar perfekt gegart, thronte aber auf einer für den feinen Fisch ziemlich bitteren Melange aus Orangenkompott, Chicorée und Fava-Bohnen.

Weinkarte und Drinks waren übrigens gut (etwa Goldloch Riesling Kabinett mit herrlicher Restsüße von Schlossgut Diehl zu 49 €). Doch ob halber Hummer (26 €) oder gegrillter Oktopus (16 €), dieser Küche wollte es einfach nicht gelingen, das Besondere ihrer Zutaten herauszustellen. So blieb vor allem der Eindruck, dass man anderswo in der Stadt klüger, günstiger und besser isst. Und dass im "Rocca Riviera" die Präsentation der Speisen dem Design des Lokals hinterherhinkt.

Warum denn so mutlos bei einem solchen Ort, Knowhow und Budget? Wo sonst schließlich ist Selbstbewusstsein, Innovation und Nachhaltigkeit möglich, wenn nicht hier? Nun beheimatet dieser große, moderne Konzern, der sich qua Geschäftsmodell mit der Welt von morgen befasst, ein todschickes Restaurant - von gestern.

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