Robbie Williams:Entertainer und Stehaufmännchen

Der Mann ist sich selbst zuwider - und zwar zutiefst. Diesen Eindruck erweckt zumindest seine jüngste Single, "Come Undone" ("Komm' entblößt").

Holger Liebs

Darin nennt sich Robbie Williams selbst "Abschaum" und bekennt außerdem unverhohlen, seinen überwältigenden Erfolg als Popstar mit unlauteren Mitteln erreicht zu haben: "Gib' noch ein Interview, sing' einen Haufen Lügen, rede über Berühmtheiten, die ich verachte, und sing' Liebeslieder."

Dass Williams am Zenit seiner Pop-Karriere diesen Zynismus so offen ausstellt, müsste unter normalen Umständen einen Vernichtungsfeldzug der Boulevardblätter nach sich ziehen.

Das Erstaunliche ist: Er kommt damit durch. Denn Robert Peter Williams, geboren vor 29 Jahren im nordenglischen Stoke-on-Trent, hat es immer verstanden, das Image des rotzfrechen, aber im Grunde verzweifelten Schaumschlägers von nebenan glaubhaft zu verkörpern - und das, obwohl sein Karrierestart 1992 als Mitglied der Boygroup "Take That" ihn eher auf Konformität verpflichtete.

Doch die Existenz als grotesk gekleideter, fremdbestimmter Pop-Hampelmann hielt Williams nicht lange aus, trotz zahlreicher Nummer-1-Hits des Weichspüler-Quintetts. Fortan gab er den anarchischen Außenseiter; der soff 1995 ein Wochenende lang mit den Gallagher-Brüdern von der Britpop-Band "Oasis" - und wurde gefeuert. Kurz danach waren auch "Take That" Geschichte.

Und Robbie ging zum Regenbogen: Er tauchte ab in einen Sumpf aus Alkohol, Kokain, Völlerei und Sex, und als im Dezember 1997 seine Ballade "Angels" (Achtung: Liebeslied!) herauskam, hätte keiner mehr ein Pfifferling gegeben für Robbie Williams.

Es kam, einmal mehr, anders: "Angels" wurde zum Sensationserfolg, Williams machte eine Entzugstherapie, und dieser Triumph ließ ihn zum Pop-Helden wachsen, der in der Liga von Madonna spielt und für ein Duett mühelos Nicole Kidman verpflichten kann.

Das hat Williams auch seinem genialen Songwriter Guy Chambers zu verdanken, der an allen Hits seit "Angels" mitgewirkt hat: "Let Me Entertain You", "Millennium", "Rock DJ" oder, zuletzt, "Feel" - dreiste Anleihen bei bekannten Ohrwürmern der Popgeschichte inbegriffen. Heute kann Williams machen, was er will: Der Erfolg ist ihm sicher.

Im Jahr 2001 sang er ein Album mit Swing-Evergreens voll - wieder ein Bestseller, obwohl Williams nie über die Stimme eines Frank Sinatra verfügen wird. Vor kurzem schloss er einen Deal über 80 Millionen Pfund mit der Schallplattenfirma EMI ab. Und dass er den Phoenix-Flug aus der Drogenkloake schaffte, erhöht nur seine Glaubwürdigkeit.

Wem sonst würde man diese Selbstironie und das Bekenntnis abnehmen, dass ihm der Bungalow in Hollywood, der Jaguar E-Type und die Mädchen nichts bedeuten - weil Ruhm nun einmal einsam mache? Ein Grund ist, dass Williams ein begnadeter Entertainer ist. Und dazu gehört eben eine gehörige Portion Exhibitionismus. Am Sonntag kann man ihm im Münchner Olympiastadion wieder dabei zusehen, wie er ganz oben ist - und dort ganz schön durchhängt. Und Liebeslieder singt.

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