Süddeutsche Zeitung

Autorin Rita Falk:Vom Burnout auf die Bestsellerliste

Als es ihr richtig schlecht ging, hat Rita Falk mit dem Schreiben angefangen. Fast sieben Millionen verkaufte Bücher später weiß sie: "Du musst die Deutschen mit lustigen Büchern versorgen".

Von Sabine Reithmaier

Auf dem Tisch im Garten liegt eine Fliegenklatsche. Jedes andere Tier hat hier aber sicher nichts zu befürchten. Zwei Dackel und ein Chow-Chow bemühen sich um eine angemessene Begrüßung des Besuchs, der Esel stimmt mit ein. Rita Falk hat sich einen idyllischen Platz zum Wohnen ausgesucht. Keinen Bauernhof wie ihr Held Franz Eberhofer, sondern ein ehemaliges Schulhaus. Seit fünf Jahren lebt die Krimiautorin in dem Dorf in der Nähe von Landsberg und amüsiert sich darüber, dass ausgerechnet sie, die die Schule so hasste, in einem Schulhaus gelandet ist.

In Landshut, der Stadt, in der sie ihren Dorfpolizisten und das fiktive Dorf Niederkaltenkirchen erfand, fühlte sie sich nicht mehr wohl. "Ich hatte das Gefühl, man missgönnt mir meinen Erfolg", sagt sie und lehnt sich zurück. Gerade hat sie die Kinotour hinter sich gebracht, Werbung für den "Leberkäsjunkie" gemacht. Zwei Wochen täglich sieben Säle - "da weißt du, was du gemacht hast, wenn der Tag zu Ende geht." Ihren Fans fühlt sie sich sehr verpflichtet, sie harrt aus, bis die letzte Hand geschüttelt, das letzte Selfie gemacht, die letzte Frage beantwortet ist. "Das ist eine Form von positiver Anstrengung, die mich enorm beflügelt."

Diesen Sonntag startet sie die Lesetour mit "Guglhupfgeschwader", Eberhofers zehntem Fall, traditionsgemäß, weil schon zum sechsten Mal, im ausverkauften Circus Krone in München. 2600 Menschen, die kommen, um Rita Falk zu hören. "Irgendwo unfassbar", sagt sie. "Ich glaub', das ist eine Geschichte, die nicht oft vorkommt."

Das stimmt. 2010 erschien der Erstling "Winterkartoffelknödel", ein halbes Jahr später folgte "Dampfnudelblues". Beide landeten sofort auf den Bestsellerlisten, wie ihre Nachfolger auch. So viel Erfolg - das muss ein Leben doch verändern? Rita Falk überlegt eine Weile und zählt bedächtig erst einmal auf, was sich alles nicht geändert hat: Der Verlag ist geblieben, der Agent auch - "für mich ist das wichtig, weil ich ein Familienmensch bin." Dass Ruhm und Geld sie als Mensch verändert haben - wieder eine lange Pause - nein, das glaubt sie nicht. Dazu sei sie zu pragmatisch, zu geerdet. "Bei uns dreht keiner durch." Wenn der Verlag anruft, um mitzuteilen, dass der Eberhofer wieder Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste einnimmt, freue sie sich kurz. Ungefähr eine Minute. "Aber ich öffne keinen Champagner." Sondern plane anschließend mit ihrem Mann - übrigens auch noch derselbe - was mittags gekocht wird.

Rita Falk trinkt einen Schluck Kaffee und denkt weiter nach. Sie sei unverändert "sehr fleißig", sagt sie dann. Ihr Mann müsse sie gelegentlich vom Schreibtisch wegzerren. Bloß gut - Achtung Änderung - dass er nach 36 Dienstjahren bei der Polizei gekündigt hat, um seine Frau zu begleiten und sie gelegentlich zu bremsen.

Die Kündigung ist im Nachhinein ein Glücksfall

"Fleißig" war sie bereits, als sie noch als Büroangestellte in Landshut arbeitete. So sehr, dass ihr Chef die zwei anderen Kräfte kündigte, weil Rita Falk alles allein schaffte. Ein Jahr lang schuftete sie ohne Urlaub, bevor ihr der Chef endlich eine Woche Ferien genehmigte und sie mit der Familie - dazu zählen zwei Söhne und eine Tochter - nach Italien fuhr. "Ich wollte am Donnerstag zurück, um mit der Wäsche fertig zu werden." Am Freitag brach sie zu Hause zusammen. "Schüttelfrost und Dauerweinen." Burnout, diagnostizierte der Arzt und schrieb sie vier Wochen krank.

Der Chef fand das nicht gut. Als sie am Montag nicht antrat, kündigte er. Ein echter Glücksfall, jedenfalls im Nachhinein betrachtet. Denn nachdem Rita Falk drei Wochen deprimiert vor sich hin gestarrt hatte, begann sie zu schreiben. "Nur zur Überbrückung." Aber weil ihr Arbeitamtsberater nichts Passendes fand, blieb sie dabei. "Hätte er was gefunden, wäre ich sofort wieder zum Arbeiten marschiert und hätte das Schreiben aufgegeben." Aber so hatte sie genug Zeit, um ihren eigentlichen Auftrag zu erkennen: "Du musst die Deutschen mit lustigen Büchern versorgen." Das tut sie seither. Ihr Verlag dtv meldet eine Gesamtauflage von 6,8 Millionen Exemplaren, der "Winterkartoffelknödel" hat sich eine Million mal verkauft.

Erstaunlich ist es nicht, dass eine so pflichtbewusste Frau einen so aufmüpfigen Typen wie den Eberhofer erfindet, für den Fleiß ein Fremdwort ist. Er darf vieles sagen, was sie sich nie erlauben würde. Dass er den Bürgermeister als Rumpelstilzchen tituliert, ist noch harmlos. Rita Falk hat sich nie die Genugtuung gegönnt, ihrem Ex-Chef wenigstens später mal die Meinung zu sagen. Das erledigt jetzt Franz Eberhofer für sie.

Wobei der im Laufe der Zeit erwachsener geworden ist. Gerade im jüngsten Werk kümmert er sich mit viel Mitgefühl um den "Heizungspfuscher" Flötzinger und den Lotto-Otto. "Er reflektiert, ohne dass er es artikuliert", sagt seine Erfinderin. Rassisten, "Zuwachs aus dem Neubaugebiet", nerven ihn massiv. Falk hält nichts vom moralischen Zeigefinger, "ich erreiche mehr, wenn ich Haltungen unterschwellig reinbringe". Und regt sich dann sehr auf, dass die AfD so viel mehr Stimmen als die SPD gekriegt hat.

Startet sie mit dem elften Eberhofer? Oder was "ernstes"?

Dabei fällt ihr noch eine Veränderung ein. "Das Lampenfieber hat nachgelassen", sagt sie. Die Zeiten, in denen sie bei Lesungen auf einer Tischdecke bestand, um ihre zitternden Knie zu verbergen, sind vorbei. An bösartige Bemerkungen von Literaturkritikern, die ratlos vor ihrem Erfolg stehen, hat sie sich gewöhnt. Allerdings findet sie es erbärmlich, "dass man in Deutschlands Zweiklassengesellschaft die eine Kunst über die andere stellen muss." Und dass ein Kritiker Druckwerke, die er für schlecht hält, in eine Tonne wirft, interpretiert sie als neue Art der Bücherverbrennung.

Nach der Rückkehr von der Frankfurter Buchmesse beginnt ihre Schreibphase. Noch hat sie nicht entschieden, ob sie sich an den elften Eberhofer macht oder lieber an einen "ernsten" Roman, wie sie sie mit "Hannes" oder "Funkenflieger" bereits geschrieben hat. "Manchmal brauche ich andere Personen, andere Zeiten, andere Orte." Der geplante Plot spiele in der Jetztzeit, blende aber zurück in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. "Irgendwo möchte ich wachrütteln, klarmachen, dass wir alles schon gehabt haben."

Und Franz Eberhofer? Wie lange klärt er noch in Niederkaltenkirchen absurde Morde auf? "Das entscheide nicht ich, sondern die Leser", sagt Falk. "Bis aufs Letzte auszuzzeln will ich ihn jedenfalls nicht."

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Quelle:
SZ vom 07.09.2019/infu
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