Werksviertel:München hat einen neuen Aussichtsort

Werksviertel: Der Ausblick aus dem Riesenrad.

Der Ausblick aus dem Riesenrad.

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Riesenrad am Ostbahnhof startet an diesem Wochenende. Auch von anderen Orten kann man die Stadt gut überblicken.

Von Pia Ratzesberger

Das Riesenrad ist längst nicht so groß wie in anderen Städten, wie in London oder in Las Vegas. Aber wenn man in der Gondel sitzt, ist das nicht mehr so wichtig - also, wenn man irgendwann in der Gondel sitzt. Denn nachdem die ersten Gäste einsteigen, bleiben die nächsten Gondeln wieder zu. Vor dem Rad sagt ein Mann mit Schiebermütze: "Das muss wegen der Gewichtsverteilung so sein." Das klingt einleuchtend, denn ein Riesenrad sollte sich wirklich besser nicht zur Seite neigen.

Der Mann heißt Christian Braun. Er ist Geschäftsführer von Maurer SE, der Firma, die das Riesenrad gebaut hat. Auch wenn es mit den Riesenrädern in Las Vegas oder London nicht mithalten kann, ist es das größte Riesenrad Deutschlands, und laut Christian Braun zudem das größte transportable Riesenrad der Welt. Die Arbeiter haben keine Fundamente gebaut, in zwei Jahren müssen sie die Konstruktion schließlich wieder abbauen. Dann wird an der Stelle Münchens neuer Konzertsaal entstehen - was aber nicht zwingend bedeuten muss, dass die Stadt ihr Riesenrad verlieren wird. Zumindest nicht, wenn es nach Christian Braun geht.

Werksviertel: Eröffnet an diesem Wochenende: das neue Riesenrad im Münchner Werksviertel.

Eröffnet an diesem Wochenende: das neue Riesenrad im Münchner Werksviertel.

(Foto: Stephan Rumpf)

Die 27 Gondeln schieben sich langsam nach oben, manchmal so langsam, dass man kaum noch unterscheiden kann, ob das Rad noch fährt oder schon wieder steht. Man blickt dann auf viele Baustellen, auf das Werksviertel, in dem die Firma Pfanni früher einmal Kartoffelknödel herstellte und in dem gerade hunderte neue Wohnungen entstehen. Man sieht auf das Dach des sogenannten Werk3, auf dem eine Herde Schafe weidet. Bis zum Bau des Riesenrads war die vermutlich die größte Attraktion im Viertel. Auf der anderen Seite dann der Ostbahnhof, die Innenstadt, die Türme der Frauenkirche. Falls dieser Blick dem einen oder anderen Besucher nicht reichen sollte, hat man in jeder Gondel vorsorglich noch einen Bildschirm installiert - auf dem sollen wie im Flugzeug Sicherheitshinweise abgespielt werden und kurze Filme über München.

Das Unternehmen Maurer SE hat das Riesenrad gebaut und eine Unternehmensgruppe aus Baden-Württemberg kümmert sich um den Betrieb, hat dafür eine eigene Gesellschaft gegründet. "Hi-Sky" wirbt mit einem "entschleunigenden Abheben in den Himmel" und "einer Geschwindigkeit von nicht einmal einem Kilometer pro Stunde". Das ist nicht zu viel versprochen, die Fahrt ist äußerst gemütlich. Eine Runde mit dem Riesenrad dauert bis zu einer halben Stunde. Wer mitfahren will, zahlt 14,50 Euro, und wer aus München kommt und seinen Personalausweis mitbringt, zwei Euro weniger. Das Unternehmen will auch die Mitarbeiter von Firmen in die Gondeln bekommen, bietet zum Beispiel Meetings im Riesenrad oder ein Weißwurstfrühstück für 360 Euro an - dessen Teilnehmer werden für die langsame Geschwindigkeit vermutlich dankbar sein.

Der Geschäftsführer Christian Braun hätte das Riesenrad am liebsten mitten in die Stadt gestellt, hinter das Rathaus, auf den Marienhof. "Wir warten jetzt eben, bis die zweite Stammstrecke dort fertig gebaut ist." Auf die Frage, ob er glaube, dass das Riesenrad nach zwei Jahren die Stadt verlassen müsse, sagt er nur: "Schauen Sie nach London. Deren Riesenrad sollte eigentlich auch nur zwei Jahre stehen." Es steht noch immer.

Auch an anderen Orten kann man die Stadt gut überblicken

Olympiaberg

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(Foto: Catherina Hess)

Für einen Schuttberg ist die Aussicht nicht schlecht. Schuttberg, das war er nach dem Zweiten Weltkrieg, als hier die Trümmer der Stadt abgeladen wurden. Heute ist der Olympiaberg eine der höchsten Erhebungen Münchens, 60 Meter, Aussichtsplattform, 360-Grad-Blick. Man sieht in nächster Nähe den Olympiasee, den Olympiaturm, das Stadion mit seinem Zeltdach, den Scheinwerfern, mit den Schalensitzen, Reihe um Reihe. Man sieht einen Ort, an dem München tragisch war, Sommerspiele 1972, das Attentat. Man sieht natürlich auch die Gegenwart der Stadt. Häuserdächer. Zwischen all den Häusern ragen immer mal wieder Türme heraus, an deren Glasfassade sich das Licht bricht. Und immer mal wieder stehen da auch Baukräne, und so sieht man, genau genommen, von hier aus auch die Zukunft der Stadt. Das Gute: Zwischen all den Dächern ist noch Grün.

Kare-Kraftwerk

Aussichtspunkte: Blick von der Aussichtsterrasse Kare Kraftwerk
(Foto: Florian Peljak)

Ein paar Meter wären es schon noch bis ganz oben. "Rooftop" ist die Terrasse im Kare Kraftwerk an der Drygalski-Allee also im strengen Wortsinn nicht. Aber 400 Quadratmeter groß ist sie. Gartenmöbel werden dort gezeigt und ein Restaurant ("Die Küche im Kraftwerk") gibt es. Und den Blick auf nähere und weitere Umgebung. Die nähere, nun ja, das ist halt Obersendling. Aber wer sich für Schulneubauten (Freie Waldorfschule München Südwest und gegenüber die Schulcontaineranlage des Thomas-Mann-Gymnasiums) begeistern kann, bekommt einen interessanten Überblick. Die meisten freilich werden wegen des versprochenen Bergblicks und wegen der spannenden Architektur des 1961 errichteten ehemaligen Gaskraftwerks kommen, das jetzt vor allem ein Möbelhaus beherbergt, aber zugleich etliche Details aus der Industriegeschichte bewahrt hat. Keine Leuchtturmhöhe also, aber ein echtes "Leuchtturmprojekt". Nur an Feiertagen ist zu.

Fröttmaning

Aussichtspunkt: Fröttmaninger Berg, Müllberg
(Foto: Florian Peljak)

So langsam dürfte es wieder gefahrlos möglich sein, ganz nach oben unter das Windrad "Föhnix" zu schlüpfen, um den ganz großen Rundblick über München und seine Schotterebene zu genießen. Denn mittlerweile ist die Gefahr, einen abstürzenden Eiszapfen von den Rotoren abzubekommen, witterungsbedingt gebannt. Auf dem Gipfel des Fröttmaninger Bergs, der früher einmal Müllberg hieß, empfiehlt sich der Blick nach Süden. Im Norden fällt der Blick vor allem auf die Mülldeponie nördlich des Autobahnkreuzes, während im Süden bei klarer Sicht hinter der Stadtsilhouette die Alpen aufsteigen. Westlich ist die Fröttmaninger Arena ein mitunter rot erleuchteter Blickfang. Und am Hang des Berges selbst steht zweimal Heilig Kreuz: einmal das echte, uralte Kirchlein, einmal das zum Stadionbau errichtete Kunstobjekt "Versunkenes Dorf" von Timm Ulrichs.

Alter Peter

Aussicht vom Alten Peter
(Foto: Florian Peljak)

56 Meter - klingt nicht nach viel. Vor allem, wenn man weiß, dass der Alte Peter bis zur Spitze 91 Meter hoch ist. Doch spätestens nach 200, von Abertausenden Touristenbeinen abgetretenen Stufen fragt sich mancher Höhenstürmer, wie lange es denn noch dauern mag, bis er die viel gerühmte Aussicht von der Plattform genießen kann. Und ob er dann überhaupt noch etwas genießt oder erst einmal nur noch nach Luft japst. Zur Beruhigung sei gesagt: Nach weiteren 106 Stufen ist alles geschafft. Wenn die Türmerstube erreicht ist, sind es nur noch ein paar Schritte und ... da, das ist sie, die Zugspitze! Und auf der anderen Seite: die Frauenkirche, das Rathaus. Der Blick über die Dachlandschaft der Altstadt zeigt, was verloren gegangen ist - und was vielleicht auch ein bisserl schöner gegangen wäre. Sportlichen Turmbesteigern sei verraten: "7-8 min. to climb up". Das verspricht eine Tafel am Kassenhäuschen. Na dann, pack ma's! bm

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