Opernpremiere:Vor der Brandmauer

Lesezeit: 2 Min.

Manuela Uhl und der Kinderopernchor des Staatstheaters Nürnberg. (Foto: Pedro Malinowski)

Im Opernhaus Nürnberg feiert die Neuinszenierung von Richard Strauss' "Die Frau ohne Schatten" in der Regie von Intendant Jens Daniel Herzog Premiere.

Von Klaus Kalchschmid, Nürnberg

Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss schmerzte es lebenslang, dass ihre "Frau ohne Schatten" nie so erfolgreich wurde wie "Der Rosenkavalier". Mehr als 100 Jahre nach der Uraufführung ist die letzte aller romantischen Opern, weniger das gleichnamige, wunderbar feinsinnige Prosa-Märchen Hofmannsthals, in ihrer Handlung problematisch, dreht sich doch alles um die Notwendigkeit von Mutterschaft und wie hoch der Preis dafür sein darf. Untergründig jedoch geht es um die Verantwortung für den Partner, um Liebe und Sexualität. Die entferntesten Schichten zugehörigen Männer, der Färber Barak und der Kaiser, sind dabei ziemliche Machos und weit größere Egoisten als die Frauen, Färberin und Kaiserin.

Regisseur und Intendant Jens Daniel Herzog versucht das Unmögliche und letztlich wenig Befriedigende, die Geschichte vom Schatten, der Mutterschaft bedeutet und von der Kaiserin der Färberin abgeluchst werden soll, weitgehend abstrakt und zeitlos zu erzählen. Also gibt es auf der Drehbühne (Johannes Schütz) eine Art Wohnwagen als Refugium der Kaiserin, eine weiße Leinwand, die als Projektionsfläche für alles Mögliche dient, sowie einen ebenfalls wie ein Mobile aufgehängten Kasten, dessen durchsichtige Gaze mit Andeutungen von Interieurs bedruckt ist. Man sieht immer wieder die rückwärtige Brandmauer, wo nicht nur die Schar der ungeborenen Kinder sitzt, allesamt männlich gekleidet in Anzug und Krawatte wie aus einer Kafka-Verfilmung, wenn sie nicht auf der Bühne gebraucht wird.

Dem Pathos des Finales stellt Intendant und Regisseur Jens Daniel Herzog Kinder gegenüber

Ausgerechnet der dritte Akt gelingt am Besten. Denn so beiläufig, wie die Kaiserin (eingesprungen für Ilia Papandeou: Agnieszka Hauzer) mit "Ich will nicht!" das "Wasser des Lebens" und damit den Schatten ablehnt, stellt Herzog dem Pathos des Finales, das lautstark in jeder Hinsicht die Ehe preist, Kinder gegenüber. Ausgelassen und geräuschvoll spielen sie mit dem Papier, das gerade noch die Leinwand war, auf der nacheinander der Schatten der Kaiserin und der Färberin (mit großer Leuchtkraft und intensivem Spiel: Manuela Uhl) zu sehen war.

Tadeusz Szlenkier gibt einen imposanten Kaiser mit wunderbarem Bronze-Tenor, gegen den Thomas Jesatkos Bariton weniger charismatisch wirkt. Immer noch eine sehr präsente Singschauspielerin als das Geschehen kommentierende und beeinflussende Amme: Lioba Braun. Auch die kleineren Partien sind exzellent besetzt: Samuel Hasselhorn ist ein furchtgebietender Geisterbote, der lyrische Tenor Martin Platz windet sich ganz in Gold als irreale "Erscheinung eines Jünglings", Andromahi Raptis verkörpert mit feinem Sopran die hier auf der Bühne agierende "Stimme des Falken".

Das eigentliche Ereignis des Abends tönte aus dem Graben: Was Joana Mallwitz mit der Staatsphilharmonie Nürnberg an Farben und Effekten erarbeitet hat, ist wahrlich staunenswert. Ob großer Streicherglanz, auch in den Soli, oder mächtige Blechbläser-Grundierung für die Geister-Welt Keikobads, des Vaters der Kaiserin: das eher seltene Leise wie das überbordend Laute in der ambitioniertesten und üppigsten Opern-Partitur von Richard Strauss gelangen gleichermaßen gut. Über www.br-klassik/audio/die-frau-ohne-schatten ist der Livemitschnitt der Premiere bis auf weiteres nachzuhören.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: