Ricasso:Fernöstlicher Flirt mit dem Adlerfisch

Die Gentrifizierung, vielbeklagt, hat das Dreimühlenquartier im Griff. Und nun, als neuester Zuzug, das Ricasso mit gehobener deutscher Küche und asiatischen Trends. So könnte man klagen. Gerecht wäre das aber nicht - das Restaurant ist eine Bereicherung.

Karl-Heinz Peffekoven

Wäre man ein Grantler, das "Ricasso" hätte keine Chance. Da liegt es hell und strahlend am Roecklplatz, inmitten des Dreimühlenquartiers, das sich in einem atemberaubend geschwinden Wandel befindet. Metzger, griechischer Laden, Trinkstube, türkisches Restaurant - alles verschwunden.

Ricasso: Angenehmer Ort, hochklassige Küche: Das Restaurant "Ricasso" ist an den Roecklplatz gezogen.

Angenehmer Ort, hochklassige Küche: Das Restaurant "Ricasso" ist an den Roecklplatz gezogen.

(Foto: Catherina Hess)

Die Gentrifizierung, vielbeklagt, hat das Viertel voll im Griff. Und nun, als neuester Zuzug, noch das Ricasso, mit gehobener Küche . . . Ja, so könnte man klagen. Aber gerecht wäre es nicht.

Was immer hier an Traditionswirtschaft vorher war, sie ist sehr lange vergessen. Über Jahrzehnte gab es an der Ecke der Ehrengutstraße einen Inder, gefolgt von einem edleren Japaner. Und jetzt, seit dem Spätjahr 2011, ist das Ricasso gefolgt, eine Bereicherung. Gemeinsam mit dem "Roeckl" gegenüber und dem "Makassar" eine Straße weiter bildet das neue Lokal ein erfreuliches Bermudadreieck besserer Küche, in dem man gern für einen Abend verschwindet.

Der Neuling hat ohne Zweifel den schönsten Raum von allen - ein fast hallenartiges, leicht elliptisches Lokal mit viel Platz und gleich fünf riesigen alten Fenstern, draußen huschen die Lichter der Großstadt vorbei. Man sitzt hier entspannt und weit genug vom Nachbartisch weg, was bei vielen Münchner Restaurants inzwischen eine seltene Gnade ist.

Wegen des Preisdrucks stellen die Gastronomen die Tische gern so eng, dass man jedes Wort des Schwafelkopfs nebenan ertragen muss, der seiner Begleiterin gerade erläutert, wie er es diesen Low Performern in der Außendienstabteilung heute wieder gezeigt hat. Nichts davon im Ricasso.

Münchner Wirtshaus mit Saurierknochen

Das Restaurant ist vor wenigen Monaten von der Kapuzinerstraße hierher an diese Platzhirschlage umgezogen und hat dabei seine Küche noch einmal konzentriert. Nach wie vor bietet der ausgesprochen nette Wirt Stefan Hausmann-Stenke gehobene deutsche Küche aus hochwertigen Produkten - und flirtet dabei ein wenig mit asiatischen Trends.

Auch der Raum selbst hat wieder den Charakter eines Münchner Wirtshauses, effektvoll ergänzt durch modernistische, an Saurierknochen erinnernde Lampen und zwei wandhohe Gemälde von fernöstlichen Fischen an den Kopfseiten.

Dazu passte vorweg natürlich bestens ein geschmacklich perfekt austariertes Tom Ka Gai-Süppchen mit Geflügelkissen, Alternative ist ein Mango-Lauch-Süppchen mit Scampi und spektakulär tiefgrüner Farbe. Sehr liebevoll waren auch die Vorspeisen bereitet, die für den kleineren Hunger durchaus ausreichen. Man wird keine ordinären Miesmuscheln mehr mögen, hat man einmal "Bouchot Muscheln" in Tomatensud und bissfesten Sellerie- und Karottenstreifen gekostet. Perfekt komponiert war die Putensalsiccia, mit Walnuss gewürzt, zu Belugalinsen und einem eher neutralen Tomatensugo, der die Würze der scharfen Wurst fein herausbrachte.

Ohne Gehabe und Getue

Nein, die Kritiker fanden, pardon, kein Haar in der Suppe; bildlich gesprochen. Auch die Hauptspeisen gefielen uneingeschränkt, etwa das Adlerfischfilet unter einer Kräuterkruste und einem "Spinat-Graupen-Sotto" oder der bayerische Tafelspitz vom Kalb mit einer fruchtigen Senfsauce und mit Salbei gewürztem Blumenkohl. Auf den Punkt gebraten und in jeder Hinsicht ein Genuss war das bayerische Jungbullenfilet, mit gebratenen Austernpilzen und Tomaten-Polenta-Schnittchen.

Wie manches Mal hat Peffekoven, um die Gastfreundschaft des Wirtes der rauen Wirklichkeit auszusetzen, einige Kinder mitgeführt, und deren Wünsche sind nicht jene der Haute Cuisine. Wiener Schnitzel wurde begehrt, was sich nicht auf der Karte findet. Kein Problem für den Maître: Flugs präsentiert er das Gewünschte mit pikanter Preiselbeersauce und einer perfekt lockeren Panade.

Es gibt auch eine kleine, schöne Auswahl guter Weine, der Wirt berät kundig und gern. Wenn das Ricasso also für die Gentrifizierung stehen sollte, dann wünscht man sie sich so. Es ist ein sehr freundlicher und angenehmer Ort mit hochklassiger Küche, aber ohne Gehabe und Getue. Der Service, aufmerksam und zuvorkommend, tut sein Übriges.

Gute Dinge kosten ihren Preis: Hauptspeisen liegen zwischen 24 und 32 Euro, Vorspeisen um die zehn, Zwischengerichte bei zwölf bis 14 Euro. Freilich: Peffekoven würden auf Anhieb diverse Lokalitäten einfallen, wo man für dasselbe Geld viel weniger Qualität bekommt.

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