Theaterkritik:Musikalisch unterhaltend, zeitgeschichtlich bewegend

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Der triumphale Aufstieg des legendären Männersextetts "Comedian Harmonists" scheint unaufhaltsam - bis er 1935 jäh endet. (Foto: Alvise Predieri)

Die biografische Revue "Die Comedian Harmonists" in der Komödie im Bayerischen Hof

Von Barbara Hordych, München

In der Geschichte dieser ersten deutschen Boygroup, die in den 1920er Jahren als "Comedian Harmonists" von Berlin aus mit Auftritten, Platten und Tourneen die Welt eroberte, steckt nicht nur musikalisches, sondern auch ungemein bewegendes zeitgeschichtliches Potenzial. Das beweist einmal mehr die Aufführung der biografischen Revue "Die Comedian Harmonists" von Gottfried Greiffenhagen mit den von Franz Wittenbrink arrangierten Liedern in der Komödie im Bayerischen Hof. Schon vor 21 Jahren war die Inszenierung von Axel Stöcker hier ein Erfolg. Geblieben von damals ist Manfred Stecher in der Rolle des Ensemble-Gründers Harry Frommermann. Der sucht nun erneut über eine Anzeige männliche Sänger mit "schönklingenden Stimmen" und "nicht über 25". Und findet sie in der Komödie in Gestalt von Klaus Steppberger, Michael Birgmeier, Florian Drexel und Manuel Adt; später kommt Oliver Hahn als Pianist hinzu. Das anvisierte Alter überschreiten die Darsteller zwar locker, doch das lassen die stimmlichen Qualitäten der beiden Tenöre, der Baritone und des Basses rasch vergessen.

Und schon ist man mittendrin im Aufstieg der legendären A-Capella-Gruppe, der hier mit einem Slapstick-artigen Casting in einem kalten Hinterhofzimmer beginnt. In harten Probenmonaten entwickeln die Sänger einen neuen Musikstil, der gekonnt zwischen gehobenem Blödsinn, verschmitzt Anzüglichem und romantisch Sehnsüchtigem wechselt. Nicht von ungefähr kennt man noch heute Lieder wie "Ein kleiner grüner Kaktus", "Schöne Isabella von Kastilien" oder Veronika, der Lenz ist da". Doch es ist ein ganz besonderes Erlebnis, wie die Darsteller sie auf der Bühne mit parodistischem Witz performen und einander rhythmisch präzise ins Wort fallen. Jäh beendet wurde diese Erfolgsgeschichte im Leben wie auf der Bühne durch die Nationalsozialisten, 1935 müssen die drei jüdischen Ensemblemitglieder emigrieren. Ein trauriges Ende. Dass zumindest auf der Bühne der Komödie kein endgültiges ist. Dort sorgen die vehement herbeigeklatschten Zugaben nach einer fast dreistündigen Aufführung dafür, dass es noch einmal heiter - und die "Schöne Isabella" zurück nach Spanien gerufen wird.

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