Revitalisierung einer Industriehalle:Neuer Sound im alten Gemäuer

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Das Zenith in Freimann steht vor einer aufwendigen Sanierung, zudem soll der Komplex um ein Foyer erweitert werden. Die oft kritisierte Akustik hat unterdessen wohl andere Ursachen als bisher angenommen

Von Stefan Mühleisen, Freimann

Für Konzertgänger in der Region hat es schon eine gewisse Tradition, über das Zenith zu schimpfen. Da kommt es endlich zu einem heiß ersehnten Gastauftritt der Lieblingsband in München - jedoch ausgerechnet im Zenith. "Sorry, aber ich zahl keine 35 Euro für ein Konzert im Zenith - die Akustik dort ist einfach schrecklich", lautete vor zwei Jahren einer von 20 Sätzen, mit denen Münchner dem Zeit-Magazin Gedanken über ihre Stadt mitteilten.

Das missklingende Image ärgert Andreas Dünkel schon seit Langem, denn er weiß, dass der Klang sehr viel besser sein könnte - und sein wird, wenn alles so klappt, wie er sich das vorstellt. Denn der Chef der Dünkel-Unternehmensgruppe, der das Zenith in Freimann gehört, plant einen "zweistelligen Millionenbetrag" in die aufwendige Sanierung und Erweiterung dieser Industriehalle an der Lilienthalallee zu stecken. Wohl im nächsten Jahr soll die Halle für gut anderthalb Jahre dichtmachen - und als denkmalgerecht umgestaltete Konzert- und Eventlocation wieder eröffnen. Zudem entsteht ein Parkhaus mit 750 Stellplätzen.

Metamorphose eines Denkmals: An der Nordseite des Zenith (v. oben) ist ein Foyer-Anbau vorgesehen. (Foto: Florian Peljak / Simulation: Jakob Piloty)

Zwischen 1916 und 1918 siedelten sich auf diesem Gebiet die Kruppschen Geschützwerke an und errichteten - unter Federführung des berühmten Architekten Theodor Fischer - auch diese 50 mal 90 Meter große und 20 Meter hohe, dreischiffige Halle mit Zeltdach als Presswerkstatt, genutzt dann als Kesselschmiede für Lokomotiven. Die Reichsbahn, später die Bundesbahn, hatten das Gelände als Ausbesserungswerk übernommen. Die Bahn gab das Areal in den Neunzigerjahren auf - und Veranstalter Wolfgang Nöth reaktivierte das Zenith als Schauplatz für Konzerte und Messen.

Unterdessen erwies sich die riesige, ebenfalls denkmalgeschützte Lokhalle in der Nachbarschaft als schwer zu wuchtender Klotz für Investoren - bis Andreas Dünkel kam sowie die Bauhaus-Kette. Letztere installierte im Nordteil einen Baumarkt, Dünkel baut den Südteil zu einem seiner republikweit inzwischen sieben "Motorworld"-Standorten aus, jenen publikumswirksamen Auto-Event-Ensembles mit Schwerpunkt Oldtimer. Als Teil des Deals erwarb die Dünkel-Gruppe auch Kesselhaus, Kohlebunker und Zenith.

Die Besucher-Tribünen innen. Simulation: Jakob Piloty (Foto: N/A)

Dünkel, selbst Oldtimerfan, hat viel Erfahrung mit dem Umbau historischer Industrierudimente. Die "Motorworld"-Projekte am ehemaligen Flughafen in Böblingen, der Zeche Ewald oder eben der Freimanner Lokhalle wurden in enger Abstimmung mit den Denkmalämtern realisiert - und so soll es auch beim Zenith laufen. "Wir beseitigen die architektonischen Sünden und machen die Halle wieder erlebbar", kündigt Dünkel an.

Soll heißen: Das Industriedenkmal wird nicht nur innen und außen saniert und umgebaut, sondern auch "rehabilitiert", wie es Petra Piloty vom federführenden Schwabinger Büro Lederer-Piloty Architekten ausdrückt, das schon für die Revitalisierung des Kohlebunkers verantwortlich zeichnete. Die Urgestalt soll wieder sichtbar werden, denn die von Fischer entworfenen Fassaden sind über die Jahre verändert worden, die Sprossenfenster verschwunden. Diese Fenster sollen analog zum historischen Vorbild rekonstruiert, von innen zugemauert, aber das Glas hinterleuchtet werden.

Für die adäquate Nutzung als Konzerthalle sieht das Konzept allerdings eine Veränderung vor: An der Nordseite wird ein etwa sieben Meter breiter Foyerbereich angebaut, großzügig verglast und über die Traufhöhe des Bauwerks ragend, sodass die Fassade "freigestellt" wird, wie Piloty sagt. So müssen Besucher nicht mehr bei Wind und Wetter auf Einlass warten. Sie betreten am Nordwesteck den Komplex, dort ist der Ticketschalter; danach geht's durch eine Art Wandelhalle über die gesamt Gebäudelänge zurück Richtung Lilienthalallee, bis man in die eigentliche Halle gelangt. "So füllt sich die Halle langsam auf, es staut sich nicht davor wie bisher", erklärt Architektin Piloty, die wie ihr Mann Werner Lederer-Piloty im örtlichen Bezirksausschuss sitzt.

Das geplante Parkhaus. Simulation: Jakob Piloty (Foto: N/A)

Die Besucher werden sodann einen völlig neu konzipierten Konzertbereich vorfinden, der anstatt für knapp 5900 für gut 7000 Gäste ausgelegt sein wird. Und das geschieht so: Die Einbauten - Toilettenanlagen und Backstagebereiche, die bisher in die Halle hineinragten - kommen raus und werden verlegt. "Das ist dem Denkmalschutz sehr wichtig", bemerkt Piloty. Dafür entsteht an der Ostseite ein durchgängiges WC-Segment mit zwei Treppen, die zur darüberliegenden Garderobe führen. Dazwischen, also an der gegenüber liegenden Seite zur Show-Bühne, ist eine Besuchertribüne vorgesehen, die bei Bedarf ein- und ausgefahren werden kann, ebensolche im vorderen Hallenteil rechts und links vor der Bühne; auf beiden Seiten der Bühne sind Personal- und VIP-Bereiche angesiedelt - und der Durchgang zum Clou des Konzepts: Die Backstagebereiche werden in ein neues Bauwerk ausgelagert, das Dünkel zufolge gut 20 Millionen Euro kosten wird: das neue Parkhaus. Es soll acht Parkebenen haben sowie ein groß dimensioniertes Erdgeschoss - die Anfahrtszone für Messe-Transporter und vor allem die Nightliner der anreisenden Künstler sowie ihre Techniker, dazu Garderoben, Ruhe- und Cateringräume.

Apropos Techniker: Nach Dünkels Auffassung sind wohl die mitreisenden Toningenieure schuld an der so oft kritisierten Soundqualität im Zenith - und nicht die angeblich schwierig auszusteuernde Hallenkonstruktion. Er präsentiert ein Gutachten des Planegger Ingenieurbüros Müller-BBM, erstellt vor einigen Jahren. Das Fazit des Papiers: "Der Saal bietet in seiner grundsätzlichen Kubatur sowie den Abmessungen der akustisch wichtigen Parameter nahezu optimale Voraussetzungen." Dünkel kündigt an, den Klang in der Halle einer genauen Analyse unterziehen zu lassen, die Akustik, wenn nötig auch baulich, zu optimieren. "Womöglich muss künftig bei jedem Soundcheck ein Techniker von uns bereitstehen", sagt Dünkel.

Bis dahin wird es noch dauern - wobei er einen Makel der Halle bereits beseitigen beziehungsweise nachrüsten ließ: Es gab in der Zenith-Halle bisher keine Lüftungsanlage, nun ist eine installiert. Mit dem Parkhaus kann es wohl schon in einigen Monaten losgehen, für die Halle ist der Bauantrag noch nicht eingereicht. Der Unternehmer hofft, bei zügiger Genehmigung, auf einen Baustart in der ersten Jahreshälfte 2021.

© SZ vom 23.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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