Zum goldenen Kalb:Die Anatomie des Rindes

Ein paar Fischgerichte gibt es zwar. Doch im Restaurant "Zum goldenen Kalb" geht es vor allem um eines: um hervorragend zubereitetes Fleisch. Nur für den kleinen Hunger zwischendurch ist das die falsche Adresse.

Kurt Kuma

Worum sich alles dreht im Restaurant "Zum Goldenen Kalb", das ahnt man bereits am Namen des Lokals. Zur Gewissheit wird diese Ahnung, blickt man auf die linkerhand vom Eingang gelegene Wand im Gastraum. Es ist eine künstlerisch verfertigte Lehrtafel in Sachen Anatomie des Rindes. Kein Zweifel also: Hier geht es um Fleisch, Fleisch und Fleisch.

Zum goldenen Kalb: Die Qualität des Fleisches sowie das Können des Grillmeisters dürfte auch in einschlägigen Häusern entlang des Mississippi schwer zu überbieten sein.

Die Qualität des Fleisches sowie das Können des Grillmeisters dürfte auch in einschlägigen Häusern entlang des Mississippi schwer zu überbieten sein.

(Foto: Robert Haas)

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Tageskarte auch das eine oder andere Fischgericht ausweist, etwa gebratenen Thun, aber derlei Abstecher ins Maritime haben wir ausgelassen. Zu viel gibt es im Goldenen Kalb zu entdecken aus der Welt gebratener und gegrillter Huftiere, zumal wenn man selbst dem Reich der Karnivoren entstammt. Vegetariern hingegen sei an dieser Stelle geraten, die weitere Lektüre dieser Kritik kritisch zu überdenken.

Zur Vermeidung von Missverständnissen sei noch gesagt: Das Goldene Kalb hat nichts zu tun mit den berüchtigten Steakhaus-Ketten, die mit bunt bedruckten Papiersets und einer Salatbar aufwarten. Es geht hier um hochwertige Gastronomie, zweifellos Konzept-Gastronomie, aber es gibt ja auch gelungene Konzepte. Und gemessen an den Schwierigkeiten, im Goldenen Kalb kurzfristig einen Tisch zu reservieren, passt das Konzept eines anspruchsvollen - und hochpreisigen - Steakrestaurants offenbar gut zu Münchner Begehrlichkeiten.

Doch nun zu Tisch. Bevor wir das Wesentliche in Angriff nahmen, näherten wir uns über einige fleischlose Vorspeisen der wechselnden Tageskarte. An einem der in diesem Jahr seltenen lauen Sommerabende genossen wir ein kühles, nach frischer Tomate und Oliven schmeckendes Gazpacho (6,50 Euro). Ein andermal staunten wir über das intensive Aroma einer Platte voller Pimientos de Padron, kleiner, grüner, milder Paprikaschoten, die nichts als einen Grill und Meersalz brauchen, um ein authentisch galizisches Geschmackserlebnis auszulösen (8,50 Euro). Das Lachstatar für 9,50 Euro von der Standardkarte fanden wir ordentlich, aber die Gemüsevorspeisen eindeutig überraschender.

Dann kam das Fleisch. Zur Königsklasse erklären wir hiermit das Kotelett des namenstiftenden Kalbs, ein massives, wunderbar zartes 350-Gramm-Stück vom jungen Rind, mit Knochen, serviert je nach Wunsch mit Kartoffelgratin oder Pommes Frites und einer von sechs Saucen.

Die Qualität des Fleisches sowie das Können des Grillmeisters dürfte auch in einschlägigen Häusern entlang des Mississippi schwer zu überbieten sein. Die Fritten allerdings blieben auf Standardniveau, und auch die Saucen erfüllten aus unserer Sicht nicht die Hoffnung, die man in einen 36-Euro-Hauptgang setzen darf. Der "Schalotten-Portwein-Jus" präsentierte sich arg wässrig, und bei der Béarnaise stimmte die cremige Konsistenz, aber geschmacklich konnte sie dem Aroma des Fleisches wenig hinzufügen.

Um die Lust auf Fleisch zu befriedigen, taugen allerdings auch vergleichsweise günstige Angebote. So waren wir mit den knusprigen Spareribs (15,50 Euro) sehr zufrieden, und ein mit Rosmarin geschmortes Lamm von der Tageskarte (21,50 Euro) versetzte uns gedanklich zeitweise in die Macchia Sardiniens. Wer sich hingegen auf die Standardangebote partout nicht verlassen will, dem steht auch noch der beeindruckende "Reifeschrank" zur Verfügung, eine gläserne Kühlvitrine, die angesichts der mächtigen Knochenstücke darin wohl auch Paläontologen in Entzücken versetzen kann. Hier findet sich Exotisches wie T-Bone-Steak vom original US-Longhornrind und Filet aus Pommern, allerdings für nach oben offene Preise.

Insgesamt ist das Goldene Kalb nichts für den kleinen Hunger zwischendurch. Entsprechend sind die meisten Tische für einen intensiven Aufenthalt angenehm positioniert (Vorsicht Ausnahmen) und bieten viel Platz. Allerdings ist es sehr laut im Gastraum, wozu sicherlich auch die von Verputz befreiten, rohen Ziegelwände beitragen. Andererseits passt auch das zu dem wenig filigranen Umfang der Portionen und der rustikal gehaltenen Einrichtung. Nur die Hufeisen an der Wand, nee, also bitte.

Den Service erlebten wir als vorbildlich, allerdings mit Wartezeiten während der Rushhour zwischen 20 und 21 Uhr. Das Publikum betreffend, nun ja, wir sind in München, wo bekanntlich nicht jeder Wert darauf legt, das Vorhandensein finanzieller Ressourcen maßvoll zu verbergen, zumal wenn diese vielleicht noch nicht allzu lange vorhanden sind. So mancher Gast im Goldenen Kalb sieht aus, als habe er mehr Geld für Visagisten ausgegeben, als das Longhornrind aus dem Reifeschrank kostet. Aber gut, blicken wir auf den eigenen Teller. Da gibt es genug zu tun.

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