Restaurant Yulan:Exotisches Erlebnis extrascharf

Restaurant Yulan: Die Einrichtung im Yulan kommt ohne den üblichen Folklore-Kitsch aus. Das Essen ist authentisch, der Service außerordentlich freundlich.

Die Einrichtung im Yulan kommt ohne den üblichen Folklore-Kitsch aus. Das Essen ist authentisch, der Service außerordentlich freundlich.

(Foto: Stephan Rumpf)

Beim Eintreten in das Restaurant Yulan verlässt man die Eurozone: Hier gibt es ziemlich authentische Küche aus Szechuan, ohne Kompromisse an westliche Gewohnheiten und Geschmäcker.

Von Kurt Kuma

Rote Lampions und kitschige Wasserfallbilder an den Wänden? Keine Spur. Eine Speisekarte mit Frühlingsrolle und Chop Suey, alles dreistellig nummeriert, wahlweise mit Huhn, Ente oder Schweinefleisch erhältlich? Mitnichten. Das Yulan ist in den gewohnten mitteleuropäischen Kategorien alles andere als ein "Chinese". Es ist ein modernes, geräumiges Restaurant mit Alcantara-Sitzecken, viel hellem Holz, interessanten Dekorationselementen und einem riesigen, kreisrunden hellen Lampenschirm über der Bar in der Mitte.

Kulinarisch gesehen verlässt der Eintretende allerdings den Geschmacksraum der Eurozone, samt den dort assimilierten Schnickschnack-Chinesen. Es ist ein echter Grenzübertritt, an dem man fast eine Passkontrolle samt Visumpflicht einführen sollte. Das Yulan ist kompromisslos chinesisches Hoheitsgebiet, nein, man muss genauer sein, die Reise führt nicht nach Guangdong, Peking oder Schanghai, sondern in die westchinesische Provinz Szechuan.

Kunstvoll verschlossene Säckchen statt Tiefkühlkost

So wie es ist, könnte das Lokal im Geschäftsviertel der Regionalmetropole Chengdu stehen. Oder noch weiter westlich, am Fuße des tibetischen Hochlands. Dazu muss man erwähnen, dass die Küche Szechuans sogar unter Chinesen berüchtigt ist, nicht zuletzt aufgrund ihrer legendären Schärfe. Was also wird dieses gastronomische Konzept mit einem süddeutschen Gaumen anstellen? Erstaunliches, muss man sagen.

Dem Effekt des legendären Szechuan-Pfeffers kann man sich zunächst vorsichtig über ein paar gedämpfte Vorspeisen nähern, die auch hier Dim Sum heißen (5,50 Euro). Auf den Tisch kommt keine eilig aufgetaute Tiefkühlware, sondern teils kunstvoll mit einem Gemüsestreifen verschlossene Säckchen, manche mit weicher, fluffiger Hülle, andere leicht angebraten wie asiatische Tortelloni. Der Inhalt schmeckt beispielsweise nach milden Shitake-Ingwer-Noten.

Entdeckergeist oder Übermut

Echtes westchinesisches Flair verströmt ein ebenso als Vorspeise angebotener Hühnersalat. Das weiße Fleisch ist appetitlich mit einer ölig-roten Sauce angerichtet, die den blumigen Ton des Szechuan-Pfeffers mit Erdnuss kombiniert. Die Speise lässt ahnen, welche ungewohnten, gleichwohl anziehenden und manchmal erschreckenden Geschmacksräume hier noch zu erkunden sind.

Vielleicht war es Übermut, sicher aber auch Entdeckergeist, der uns veranlasste, nach einem besonders typischen, gerne exotischen Gericht zu fragen. Der Schärfegrad? Wir wählten: landestypisch. Okay, es war Übermut. Auf den Tisch kam eine wundervoll gearbeitete flache Schüssel mit "Gan Guo Fleisch" in der Version mit Schweinerippchen, die problemlos zwei Personen sättigen kann (28,90). Die gerösteten Fleischteile waren bunt gemischt mit jeder Menge Gemüse, Scheiben von der Lotuswurzel zum Beispiel. Ein attraktiver Duft stieg auf, was den Verzehr der ersten Rippchen samt knackiger Pflanzenkost beschleunigte.

Höchst exotische Erlebnisse

Die Schärfe indes entpuppte sich als höchst exotisches Erlebnis: Völlig anders als thailändische Chilischoten oder mexikanische Jalapeños packt einen die Szechuan-Würzung nicht wie mit einer Kneifzange auf der Zunge. Im Gegenteil, man isst sich frohgemut ein Stück weit durch die Gan-Guo-Schüssel, um mit zunehmender Gewissheit festzustellen, dass sich im gesamten Mundraum ein fast elektrisches, betäubendes Kribbeln ausbreitet. Die faszinierende Anziehungskraft des Gerichts mischte sich dann doch mit dem Wunsch, den eigenen Gaumen vor einer Vollnarkose zu bewahren.

Eingeschüchtert wagten wir uns anderntags an das Highlight der Speisekarte, den wortreich angepriesenen Feuertopf - nicht ohne die Bitte, den Schärfegrad deutlich herunter zu regeln. Es folgte ein ausladendes Schlemmer-Erlebnis, bei dem mit schmuckvoll ornamentiertem Kochgerät eine schlicht nicht zu bewältigende Menge Zutaten auf den Tisch kommt, die man in beliebiger Reihenfolge in würziger Brühe gart und in diverse Saucen tunkt (38,90). Lamm, Rind, Huhn, Schwein, kleine Klößchen, Tofu, Pilze, Kohl, Kartoffeln bildeten die Hauptbestandteile. Als Dip dient Erdnuss-Sauce, Austernsauce, Sesamöl sowie Kräuter, geriebener Knoblauch und Pfeffer.

Konzept ohne Kompromisse

Das Ganze funktionierte nicht nur als Gericht, sondern auch als Sozialbeschleuniger. Das gegenseitige Anreichen der Zutaten ist zentraler Bestandteil. Und am Ende die Brühe zu schlürfen ein Hochgenuss. Dass die Fleischzutaten als dünne, allerdings noch halbgefrorene Scheiben auf den Tisch kamen, könnte man vielleicht noch europäischen Ansprüchen anpassen. Das Rind muss ja auch nicht (wie es die Speisekarte angibt) aus Australien stammen. Anzing wäre auch gut, und vielleicht sogar hochwertiger.

Als Geschäftsmodell wohl nicht risikofrei, allerdings sympathisch originell ist das kompromisslose Konzept einer unangepassten fernöstlichen Küche. Als Brücke zum Gewohnten kann man immerhin ein Glas Riesling dazubekommen. Oder ein Bier. Bier? Mit dem Begriff kam unsere bemerkenswert freundliche Kellnerin nicht sofort klar. Aber "Tsingtao", das brachte die Völkerverständigung ins Rollen.

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