Weinwirtschaft:Eine Flasche to go

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In der Weinwirtschaft können 69 Weine und Schaumweine probiert werden. (Foto: Florian Peljak)

Bei der Weinwirtschaft verrät schon der Name, in welche Richtung das Konzept geht: 69 Sorten werden auf der opulenten Karte angeboten. Und wer während des Essens nicht alle probieren konnte, für den hält das Restaurant eine Überraschung parat.

Von Moritz Mayer-Rahn

Mit gastronomischen Konzepten ist das ja immer so eine Sache. Nicht jede Idee kreist um die Qualität der Küche, im Gegenteil, oft muss eine trendige Inszenierung kaschieren, dass der kulinarische Standard allenfalls Mittelmaß ist. So wie in jenem Lokal (das es mittlerweile nicht mehr gibt), wo man Speisen und Getränke per Tischcomputer orderte und dann alles zu unterschiedlichen Zeitpunkten serviert wurde. Was einem geselligen Abend äußerst abträglich ist, denn wer gemeinsam zum Essen geht, möchte auch gerne gemeinsam essen und nicht hintereinander.

Oder die hippe Idee eines Restaurants (das es noch gibt), die Gäste an unterschiedlichen Kochstationen der Zubereitung ihres Essens beiwohnen zu lassen. Da steht der eine in einer kürzeren Schlange, der andere in einer längeren an, und wer den Fehler macht, die Getränkestation als letztes aufzusuchen, sitzt gerne mal vor einem inzwischen erkalteten Essen.

Nüchtern-reduziert und doch gemütlich

Bei der Weinwirtschaft verrät schon der Name, in welche Richtung das Konzept geht. Das Restaurant gehört zum erst im September neu eröffneten Hotel Arcona Living der Arcona Hotelgruppe. Das Ambiente entspricht dem Zeitgeist der Restaurantgestalter, es ist nüchtern-reduziert, ohne deswegen ungemütlich zu wirken. Gastronomisch muss ein Hotelrestaurant zunächst mal eine Grundlast abdecken, ehe es sich speziellen Ambitionen widmen kann.

Es muss die Frühstücksgäste des Hotels versorgen und auch den Business-Gästen am Mittag etwas bieten. Für den Mittagsbetrieb gibt es einen täglichen Businesslunch für 9,90 Euro, bei dem man neben dem Hauptgericht entweder eine Vorspeise oder ein Dessert ordern kann. Außerdem wird eine reduzierte Version der Abendkarte angeboten.

Von der Karte und ihrem Ordnungsprinzip wird noch die Rede sein, zunächst muss es um den Wein gehen, um ihn soll sich nach dem Selbstverständnis des Lokals ja alles drehen. Denn alle 69 Weine und Schaumweine, die auf der opulenten Weinkarte angeboten werden, kann man auch zum Mitnahmepreis für zu Hause erwerben. Und fast alle Weine werden auch glasweise ausgeschenkt. Das sieht auf den ersten Blick bestechend aus, zumal der Mitnahmepreis attraktiv ist, die Preise beginnen bei 5,50 Euro für die Flasche, nur wenige Weine überschreiten die 20-Euro-Grenze.

9 Euro für ein Glas Wein

Für den Ausschank im Lokal wird dagegen ein einheitliches sogenanntes Korkgeld von 20 Euro zusätzlich erhoben. Bei einem 5,50-Euro-Wein ist das ein Aufschlag von mehr als 360 Prozent. Das führt dazu, dass viele Weine im 0,2-Glas für 9 Euro angeboten werden und das ist auch für Münchner Verhältnisse ein stolzer Preis. Da kann nach dem ersten Glas der Durst schnell versiegen.

Dabei soll doch der Weinkonsum den Appetit anregen, womit wir bei der Karte wären. Sie ist nach einem ziemlich ausgeklügelten Modulprinzip aufgebaut. Man kann die meisten Gerichte nämlich als kleine oder normale Portion bestellen. Und die Fleisch- und Fischgerichte werden mit drei unterschiedlichen Beilagenlinien angeboten. Das führt zu einer Menge Variationsmöglichkeiten. Wer nicht mit dem Hunger eines Waldarbeiters kommt, sollte deshalb bei den Vorspeisen lieber die kleine Portion wählen. Die Winzersuppe, eine Kartoffel-Lauchcremesuppe mit Weißwein, Käse und Speck (klein 2,50, groß 5) ist ein perfekter Start, ebenso das Tartar (klein 7, groß 14). Der Blutwurstsalat mit Linsen und Lauchzwiebeln kam dagegen etwas fad daher, ihm hätte etwas Majoran gut getan.

Vegetarische Gerichte in unterschiedlichen Varianten

Bei den Hauptgerichten bietet die Weinwirtschaft auch ein reichhaltiges vegetarisches Programm an. Auch hier gilt das Baukastenprinzip, das heißt, es werden die Gerichte in unterschiedlichen Varianten angeboten. Die violette Karotte in der Version "Indisch" mit Ingwer, Curry und Ananas-Risotto (klein 4, groß 8) kam mit genau der richtigen pikanten Schärfe auf den Tisch.

Jenseits der Fisch- und Fleischwelt gibt es auch noch andere Möglichkeiten, zum Beispiel drei verschiedene Flammkuchenvarianten, etwa den Tiroler Flammkuchen (klein 3,50, groß 8) mit Bergkäse und Apfelspalten. Die saisonbedingt angebotenen frischen Steinpilze (13) mit einer feinen Remouladensoße waren ein Genuss, und auch am Zanderfilet mit der Beilagenversion "Weinwirtschaft" (Paprikaschaum, Fenchel-Orangensalat und Polenta, 17) war nichts auszusetzen.

Der Service ist noch die größte Baustelle

Beim Felchenfilet in der Version "Grenobler Art" (Butter-Zitronensauce, Kapernbeeren, Zwiebelwürfel, Babyblattspinat und Safran-Risotto) zeigte sich dann aber, dass zu guter Küche auch eine gute Küchenorganisation gehört. Das Risotto lag nämlich erkaltet auf dem Teller, offenbar war es weit vor den anderen Zutaten angerichtet worden. Überhaupt scheint der Service die größte Baustelle des neuen Lokals zu sein.

Nicht, dass er nicht freundlich und zuvorkommend wäre. Aber alle Freundlichkeit nützt dem Gast nichts, wenn damit eine gewisse Hilflosigkeit kaschiert werden soll. Vor allem wenn Hochbetrieb herrscht, verliert das Personal im Getümmel schon mal den Überblick. Dass ein Kellner beim Servieren fragt, wer welches Gericht bekommt, ist normal. Aber dass er lange Minuten nach der Bestellung nochmals an den Tisch kommt, um sich zu vergewissern, was überhaupt bestellt worden ist, sollte nicht passieren.

Und einen Kellner, der vergisst, sich den Kreditkartenbeleg unterschreiben zu lassen, gibt es auch nicht alle Tage. Hätte böse für ihn enden können, aber man ist ja eine ehrliche Haut.

© SZ vom 27.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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