Restaurant Schwabinger Kartoffelhaus:Fade Erdäpfel

Auf die immensen Portionen folgt die Ernüchterung: Die Küche im Schwabinger Kartoffelhaus am Hohenzollernplatz weiß nicht zu überzeugen. Auf der Karte fehlt zudem etwas, das einfach nicht fehlen dürfte.

Von Carolus Hecht

Dieser Text ist leider veraltet, das Restaurant gibt es inzwischen nicht mehr.

Voriges Jahr, beim Gedenken an den 300. Geburtstag Friedrichs des Großen, wurde meist auch an dessen Kartoffelbefehl erinnert, der im Jahr 1757 den Erdapfel, die Grundbirne, in Preußen zum offiziellen Grundnahrungsmittel machte und den Ruf der Deutschen als leidenschaftliche Kartoffelesser begründete. Ganzen bayerischen Gemarkungen wie der Oberpfalz, der "Steinpfalz", sicherten Erdäpfel, die sich mit mageren, sandigen Böden begnügen, ihr karges Überleben.

Zwar hat man hierorts wenig Vorstellung von den rund 400 in der Welt verbreiteten Kartoffelsorten, dafür mangelt es uns nicht an Rezepten für die köstliche Knolle. Wer es also wagt, ein spezielles Kartoffellokal zu betreiben, dem ist neben Phantasie viel Fleiß zu wünschen, denn gerade Kartoffelgerichte brauchen oft Arbeit und Geduld.

Das 1. Schwabinger Kartoffelhaus am Hohenzollernplatz (früher gab es mal eine feinere Variante im Zentrum) weckt all diese Erwartungen, entlässt den Gast dann aber in einiger Ernüchterung - ein Paradox, denn bei den hausüblichen prallen Portionen kann von "nüchtern" am Ende keine Rede mehr sein. Basis der ausladenden Karte sind die Bratkartoffeln. Bratkartoffeln wirklich knusprig gelingen zu lassen, ist ein großes Geduldsspiel, dem sich kaum jemand unterzieht. Sie wurden hier zumeist eilends angeröstet, mit einer dunklen Seite - und innen? Gekochte Kartoffeln eben, ohne die so schmackhafte wie langwierige Metamorphose in der Pfanne.

Verzicht auf die Fritteuse

Die Portionen waren so immens, dass wir, die wenigen wirklich röschen Scheibchen aus dem Beilagenberg pickend, doch auf ein ganz nettes Quantum kamen. So geschehen auch bei der "Spezialpfanne Kartoffelhaus mit 3 Schweinefilets vom Lavastein mit grünen Bohnen, Zwiebeln, Speck, Champignons, Bratkartoffeln und Kräuterquark". Der Bombast dieser Ansage gipfelte realiter in der imposanten Größe der Fleischstücke und eben dem unbefriedigenden Kartoffelberg. Äußerst lobenswert, dass es auch so schlichte Gerichte wie Bratkartoffeln mit Spiegeleiern gibt.

Beikoch dieses Hauses schien uns eine gewisse Lieblosigkeit, die sich nur bei den mit 5,90 Euro preiswerten Tagesgerichten verflüchtigte, wo selbst Exotischeres wie die Folienkartoffel "Indisch" mit Putenstreifen, Karotten und Curry mit Delikatesse gelang. Und der manchen Tags trockene, fade Kartoffelsalat, eigentlich ein Fundamentalrezept eines solchen Hauses, brachte es als Mittagsteller zu den - leider mehligen Fleischpfanzln - zu saftiger Frische.

So verlockende Ideen auf der Standardkarte wie die im Rohr gebackenen Kartoffeln mit Roquefort, Schinken, Birne und Preiselbeeren litten am zu beherzten Griff in den Käsetopf. Die Flut überflüssigen Würzspecks auf den sonst respektablen Salattellern und manch anderem Gericht ließ sich immerhin abräumen. "Stapacská", die böhmischen Kartoffelspätzle mit Schafskäse, Speck und Sauerrahm, wurden unsere Favoriten.

Im Kartoffeltempel - mit einigem thematisch zugehörigen Chichi und einer düsteren Bodenkachelung, die jedem Kartoffelkeller Ehre machen würde - fehlen erstaunlicherweise gänzlich Pellkartoffeln (die Folienkartoffel hat sie wohl verdrängt), Püree und Pommes frites, wobei die Abwesenheit der Letzteren einen Ehrenpreis verdient, wie die Küche überhaupt vorbildlich auf die Fritteuse verzichtet. Fleisch, Fisch und Gemüse gruppieren sich um Rösti und Kartoffelpuffer.

Kein Ort für Kartoffelnarren

Waren wir bislang noch entschlossen, ein hohes Maß an kulinarischer Nachsicht walten zu lassen - unserer Kartoffelvorliebe wegen endet hier der Pardon. Die Rösti-Medaillons waren außen schön angeröstet und innen mehlig, wie präfabriziert. Und die Puffer hatten mit dem, was sich auf bayerisch so schön Reiberdatschi nennt, wenig zu schaffen: Auch hier waren die Kartoffeln nicht "gerissen", sondern viel zu fein, was ein mehliges Innenleben ergab.

Und, ach, die Suppen. Da gäbe es klare, gebundene, passierte, cremige, kernige. Hier war es immer ein eher undefiniertes, seltsam körniges Grundrezept, das man dann mit Brotwürfeln oder gerösteten Zwiebeln in Berliner oder Münchner Kartoffelsuppe oder andere Varianten umdeutete. Ein Trauerspiel, würde es doch lohnen, allein der Kartoffelsuppe in ihren köstlichen Spielarten ein ganz eigenes Lokal zu widmen.

Wir "spülten" mit dem milden Kartoffelschnaps, den der überaus freundliche und zuvorkommende Ober - wir vermuteten, er sei der Prinzipal - bei einer üppigeren Zeche auch als angenehmes Hinterdrein spendierte. Die moderaten Preise von fünf bis 15,80 Euro (dafür bekommt man hier doch tatsächlich ein einigermaßen gelungenes Wiener Schnitzel vom Kalb, eine Seltenheit in München) machen das Lokal zu einem Platz allenfalls preiswerter Verköstigung. Für Kartoffelnarren aber ist das nicht der Ort.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: