Süddeutsche Zeitung

Marais soir:So schmeckt das Mittelmeer

Ein italienischer Koch, französische Bedienungen und südeuropäisches Crossover: Was im Marais soir serviert wird, schmeckt erfreulich nach Mittelmeer. Dem Westend allerdings könnte das gehobene Restaurant nicht schmecken.

Von Marcelinus Sturm

Sucht man in München so etwas wie ein Arbeiterviertel, dann landet man unweigerlich im Westend. Dessen offizieller Name lautet Schwanthalerhöhe, im Volksmund nur "D'Schwondollahäh" genannt. Es gab hier lange Zeit sehr günstige Wohnungen, und deshalb zogen auch viele Gastarbeiter ins Viertel, speziell die Schwanthalerstraße war bald so etwas wie das Klein-Istanbul Münchens.

Diese Zeiten sind allerdings vorbei, auch das Westend wird nach und nach herausgeputzt. Zwar torkelt einem in der Schwanthalerstraße am frühen Abend schon einmal ein hawaiibehemdeter Goldkettchenträger aus dem Stehausschank in die Arme, wenn man nicht aufpasst. Aber das ist eine Ausnahme. Die Gegend wird schick, man kann das an der Ecke zur Parkstraße gut beobachten.

Aus dem ehemaligen Bekleidungsgeschäft Hans Mier, das früher Bühnenkünstler aufsuchten, wenn sie für eine Theaterproduktion ganz besonders biedere Klamotten brauchten, wurde das "Ladencafé Marais", ein wirklich sehr hübscher, aber eben auch szeniger Treff, in dem Jungschauspieler gerne mal länger verweilen.

"Südeuropäisches Crossover"

Das Café floriert nach wie vor, und seit ein paar Monaten gibt es nun auf der Straßenseite gegenüber einen Ableger: das "Marais soir", ein veritables Speiserestaurant gehobener Art. In dem ehemaligen Getränkemarkt hat man drei hübsche, unterschiedliche Gasträume vom lichten Bistro bis zum leicht abgedunkelten Separee eingerichtet. In der Küche ist Riccardo Asti in seinem Element, er ist gebürtiger Mailänder und vor allem Koch. Als solcher ist er seit 20 Jahren in der gehobenen Münchner Gastronomie unterwegs, zuletzt im Les Cuisiniers im Lehel.

Die Grundlage seiner Küche ist ganz eindeutig die französische Klassik, auch wenn man im Marais soir lieber vom "südeuropäischen Crossover" spricht. Das kommt wohl daher, weil Asti die französische Küche gerne mit italienischen Einsprengseln versieht oder sie mittelmeerisch abwandelt.

Man sieht das etwa an seinen verschiedenen Risottovariationen, aber auch an mancher Vorspeise. Am "Ziegenkäse brûlé" etwa mit seinem feinen, gegrillten Gemüsesalat (11 Euro) oder beim gebratenen, äußerst zart geratenen Oktopus mit Artischocken, Oliven und Tomatensalsa (13), nach dem Marcelinus Sturm und seine Begleitung eigentlich schon rückhaltlos begeistert waren.

Sehr erfreulich auch das "knusprige Ei", das pochiert und gratiniert in einer getrüffelten Spinatsoße auf den Tisch kam (11). Ein Gedicht war die Bresse-Taube, deren Haut wunderbar knusprig und die innen perfekt saftig gebraten war, obendrein mit einer Soße, in die man sich am liebsten selbst hineinlegen möchte (15). Ähnliches lässt sich von der "Perlhuhnbrust Saltimbocca mit Salbeijus" (23) sagen. Nur einmal waren wir ein wenig enttäuscht: Das "Duett vom Kalb" (21) erwies sich zur einen Hälfte als ein ganz normales Stück Kalbsbraten. Bei einem Küchenchef, der es sonst nie versäumt, auch herkömmlichen Gerichten noch einen kleinen, raffinierten Schlenker mitzugeben und überhaupt mit geradezu souveräner Meisterschaft kocht, ist uns das dann schon zu wenig.

Höhepunkt der Kochkunst

Zu den Höhepunkten von Astis Kochkunst gehören die Fischgerichte und die Desserts. Was beim Griechen als "Poseidonplatte" eher Schrecken hervorruft, nämlich der Fischteller, ist hier als "Assiette du Pêcheur" (24) eine Ansammlung von Genüssen in Form von gebratenen Filets, unter anderem von der Meeräsche, von Jakobsmuscheln und Garnelen, umgeben von schaumig aufgeschlagener Beurre Blanc.

Bei den Desserts überzeugten vor allem das Limonensorbet in Wodka (7,50) und der "Moelleux au chocolat michou" (8), ein kleiner, lauwarmer Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern, der zusammen mit etwas Sauerrahmeis serviert wurde und sich als ein Traum von einer Nachspeise erwies.

Verglichen mit der Klasse, die im Marais soir auf den Tisch kommt, halten sich die Preise sehr im Rahmen: Das Dreigangmenü kostet 37 Euro, vier Gänge kommen auf 45 Euro. Vorspeisen machen meist um die zwölf Euro aus, die Hauptgerichte kosten um die 24 Euro. Bei der ordentlich sortierten Weinkarte ist man in der Regel mit 30 bis 40 Euro pro Flasche dabei.

Die beiden Damen vom Service sind ausgesprochen nett und sehr bemüht, wenngleich auch nicht immer rundum informiert: Dass das bestellte Gericht aus ist, sollte man eigentlich nicht erst nach einer Dreiviertelstunde erfahren. Und perfekter wäre es, wenn man bei einzelnen Gerichten nicht in der Küche nachfragen müsste, was sie so alles enthalten. Aber wirklich tragisch ist das natürlich nicht, wenn die Damen ansonsten so zuvorkommend bleiben und sich bitte noch möglichst lange ihren wunderschönen französischen Akzent bewahren.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2013/infu
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