Le Refuge:Zuflucht für Genießer

Kostprobe Le Refuge Neureutherstr. 8, Maxvorstadt

Klarer Raum mit wenig Chichi: Le Refuge in der Neureutherstraße.

(Foto: Peljak)

Die Karte: konventionell bis delikat. Der Wein: feingliedrig bis muskulös. Die Bouillabaisse: besonders schmackhaft. Ein Besuch im Le Refuge führt ins kulinarische Herz der Provence.

Von Carolus Hecht

Le Refuge könnte vielerlei heißen. Diese Stätte auf der Schwelle der Maxvorstadt gen Schwabing darf man mit "Zuflucht" übersetzen, als Ruheort vor gespreiztem Blähen und eitlem Zelebrieren, womit französische Küche in München gern einhergeht. Ein relativ klarer Raum mit gerade so viel Chichi, wie ihn die deutsche Seele braucht, um an lieb gewonnene Gemütlichkeitsklischees anzudocken. Ein überaus aufmerksamer Umgang mit dem Gast, der bei aller herzlichen Zugewandtheit doch so viel Distanz wahrt, dass keine kumpelhaften Vertraulichkeiten aufkommen, die irgendwann den schalen Beigeschmack des atmosphärischen Bestechungsversuchs entwickeln.

Der Anspruch des Hauses sind die provenzalische Küche sowie ein respektables und preiswertes Weinangebot. Gleich voraus: Beim Wein kann Le Refuge als krasser Außenseiter der Redlichkeit gelten, in einer Stadt mit Schankgepflogenheiten, die als freibeuterisch oder als fast schon betrügerischer Wucher gelten können. Allein sieben nicht zu füllige und nicht zu gefällige Weiße, acht Rote, feingliedrig bis muskulös, sind glasweise zu 4,60 bis 6,90 Euro (0,2 Liter; es gibt auch 0,1) zu haben. Und die Flaschen, die von 16,50 bis zum einsamen Maximalpreis von 67,80 Euro für den Muscadet Sèvre et Maine sur Lie operieren (andere fangen da überhaupt erst an), sind manchen tags auch im Einzelglas zu haben.

Sehr zurückhaltende Weinbergschnecken

Dabei hält diese kleine, irgendwie konventionelle und doch delikat ausgewählte Karte das Equilibrium zwischen nicht sonderlich kennerischen Zechern und Gästen mit einigem Anspruch. Viel Sauvignon natürlich, bei dem man im Falle des Sancerre 2012 (35,40 Euro) tatsächlich dem in der Karte versprochenen Feuerstein-Aroma begegnet. Oder die kräftigen Beerendüfte des am Ende molligen Vacqueras 2011 (43,60 Euro). Aber das Glas St. Chinian 2009 (6,60 Euro) mit seinen robusten Gewürztönen oder die sehr fruchtorientierte, brave Domaine de ballade 2012 aus der Gascogne (4,90 Euro) sind ihren Preis allemal wert. Hechts Zechfavorit wurde der Entre deux Mers 2012 zu 5,90 beziehungsweise 21,10 Euro die Flasche.

Über mit Chorizo und Ziegenkäse gefüllte Artischockenherzen, über den trotz des pompösen Titels redlichen "Auberginen-Caviar auf Carpaccio von Tomaten", über die doch sehr zurückhaltenden Weinbergschnecken und den fein differenzierten Pasteten schnabuliert man sich ins Menü. Beim Flammkuchen, Standard mit Speck und Münsterkäse oder mit aktuellem Gemüse, kann so eine Küche nichts falsch machen, der Gast sich freilich den Appetit für Weiteres verstopfen. Vorspeisen bleiben mit rund 8 bis 12 Euro in sehr angemessenem Rahmen, genauso wie die nachfolgenden Hauptgerichte zwischen 16 und 20 Euro.

Lammcarré und Loup de Mer erwiesen sich als untadelige Klassiker. Mit dem Tian à la Provencale, dem mit Ziegenkäse gratinierten Gemüseauflauf, zogen wir die einzige Niete der kulinarischen Darstellungskunst: ein geschmacksneutrales Kunstgebilde. Wohingegen in der dunklen Sauce des geschmorten Wildschweins die würzigen Geheimnisse des Eichwaldes anklangen.

Das Meer ist ferne

Ins kulinarische Herz der Provence stößt Le Refuge mit zwei Spezialitäten vor: der Bouillabaisse, der Fischsuppe, als Freitags-, dem Daube, dem Schmorfleisch, als Sonntagsleckerbissen. Daube à la Provencale ist auf kleinster Flamme unendlich lang geschmortes, zuvor ausführlich in Wein und Gewürzen gebeiztes Rind. Es gibt Dutzende Geschmacksvarianten. Das Fleisch erreicht eine betörende Morbidität, bis es gar nur mit dem Löffel zu zerteilen ist. Davon ist im Refuge bei aller Köstlichkeit des Schmorsudes keine Rede. Entweder mangelt es an Geduld, oder auch ist das Fleisch zu "gut", zu schier und mager, denn kräftig Durchzogenes eignet sich für diese traditionelle Prozedur weit besser.

Die Bouillabaisse freilich gelang mit ihrem würzigen Sud, mit den Croûtons und dem Aioli nicht nur vorschriftsmäßig, sondern auch besonders schmackhaft. Wir hätten uns nur noch ein paar ausgefallenere Krustentiere dazu denken können. Aber das Meer ist ferne. Einziger Kritikpunkt: Sie ist in Wahrheit kein Tellergericht. Zumindest bei mehreren Gästen könnte sie wirklich original serviert werden: hie die Fischfilets, die Krabben, das Meeresgetier, dort der brodelnde Sud auf der Flamme des Stövchens, immer brühheiß, je nach Bedarf und Geschmack des Essers nachzuschöpfen und über Fisch und aiolibestrichene Croûtons zu gießen. Denn heiß muss sie sein, und das ist sie als Tellergericht ganz schnell nicht mehr. Le Refuge traut man eben einiges zu, darum diese Anmerkungen auf hohem Niveau, die bei einem anderen Lokal vielleicht beckmesserisch wären.

Man sollte mit Guy Ody, dem umtriebigen Chef des Hauses, einfach darüber verhandeln.

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