Restaurant Johannas:Im Vorgarten zum Sternenhimmel des Michelin

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Andreas Neumayr pflegt eine kreative regionale Küche. (Foto: Stephan Rumpf)

Das Restaurant Johannas im Hotel Neumayr bietet regionale Kost auf hohem Niveau. Nur das Ambiente ist Geschmackssache.

Von Johanna N. Hummel

Die Wünsche der Deutschen an ein Restaurant sind statistisch betrachtet eindeutig: 95 Prozent erhoffen sich ein gutes Essen, was an sich kein Wunder ist, 87 Prozent wollen dieses in einem schönen Ambiente verzehren. Die Frage nach Schönheit aber ist ein weites Feld, etwa so weit, wie Geschmäcker verschieden sind. Das Restaurant Johannas im Hotel Neumayr etwa bezeichnen die einen als schön, die anderen als bieder. Der Guide Michelin nennt es "gemütlich-rustikal".

Nun erinnert der Gastraum mit seiner Holzdecke ein wenig an ein bürgerliches Vorstadt-Restaurant der Siebziger- oder Achtzigerjahre: in den Fenstern pflegeleichtes Grünzeug, an den Wänden ein großes Kreuz und Ölbilder wie auffliegende Schwäne im blaugrauen Herbstnebel. Die Deckenlampen spenden ein gutes, aber kühles Licht, auf den weiß gedeckten Tischen stehen keine Kerzen, die optisch wärmen könnten. Was andere Wirte als Retro-Interieur einbauen, scheint die Familie Neumayr, die das Großhaderner Haus seit 1948 führt, im Original gepflegt zu haben.

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Ein zeitloses Idyll dagegen ist die Terrasse im grünen Innenhof. 2011 verwandelten die Neumayrs die Hotelgaststätte in ein eigenes Lokal und nannten es nach dem jüngsten Familienmitglied Johanna. Vater Andreas Neumayr ist Chef und Chefkoch in einem - und zwar einer mit Erfolg. 2016 erhielt das Restaurant zum dritten Mal den Bib Gourmand, mit dem der Guide Michelin eine gute und erschwingliche Küche mit regionalem Touch auszeichnet. Drei Menüs, das billigste für 36,50 Euro, und etwa 15 Gerichte stehen auf der Karte, wobei bei unseren Besuchen die angepriesenen Wildspezialitäten eher spärlich vertreten waren.

Jede Zutat wird akribisch aufgezählt, und wenn das Essen serviert wird, dann ist es ein Aha-Erlebnis: Das also kann ein Koch aus all dem machen, zum Beispiel aus der Vorspeise "Büsumer Krabben, Pumpernickel, Birne, blaue Kartoffel, Speck" (13,50). Sie sah kunstvoll aus und schmeckte auch so, weil die Krabben mit süßen Birnenschnitzen, feinsten Speckwürfeln, hauchdünnen blauen Kartoffelchips und knusprigen Pumpernickel-Krümeln immer neue Geschmacksnuancen boten.

An den Suppen wird eine Küche gemessen, und Andreas Neumayr ist so selbstbewusst, als Amuse-Gueule in Mokkatässchen Fischconsommé oder Bohnensuppe zu reichen. Die Suppen waren köstlich, auch die Wildkraftbrühe mit einem Hauch Sherry und einem ganz feinen, lockeren Leberknödel (7,50); oder die bretonische Hummersuppe mit glänzenden Stücken von der Jakobsmuschel (9,50); dunkel und etwas sämig war die Suppe, sie schmeckte so, als habe die Küche dafür Kilos von Hummerkarkassen verarbeitet.

Keinen Wein bestellen? Das grenzt hier fast an Beleidigung

Frische Zutaten, auch aus eigenem Garten und eigener Jagd, klare Rezepte und Fantasie: Klingt leicht, ist aber eine schwere Kunst. Und die beherrscht Neumayr richtig gut. Bei Fisch und Fleisch kombiniert er unterschiedliche Aromen und Konsistenzen, jedes Detail aufeinander abgestimmt und oft überraschend. Der bretonische Steinbutt mit Hummerstücken, auf den Punkt gegart, war umgeben von winzigen festen Reherln, Karottenschnitzen, Blattspinat und karamellisierten Bröseln, die nach Zitrone schmeckten (29,50).

Karamellisiertes, und zwar Pfefferkörner, gab es auch zu den zarten Rehkitz-Medaillons mit Reherln, süßen Aprikosen, herbem Staudensellerie, Karotten, Spätzle und einer intensiven Rotweinsauce. Der zuckrige Pfeffer passte ideal dazu (23). Zur etwas festen Nantaiser Ente mit einer Bilderbuch-Haut wurde nicht die übliche Orangen-, sondern eine Sanddorn-Sauce (22,50) serviert, was perfekt harmonierte. Nicht anders war es beim Trüffeljus zum Ochsenfilet mit herrlich fluffigem Kartoffelgratin (29,50).

Nichts Negatives? Nichts von Bedeutung, auch nicht bei den Desserts. Der luftige Kaiserschmarrn (9,50) schmeckte nach vielen Eiern, das Kaffirlimetten-Parfait mit Kirschen, herben Schoko-Bröseln und weißer Ganache vor allem nach mehr (9,50). Nichts gab es zu kritisieren an den Kellnern, schnell, freundlich, unaufdringlich und kundig waren sie. Nur einmal war einer von ihnen recht grantig, vielleicht weil keine Weinbegleitung zum Essen gefragt war, im Johannas fast eine Beleidigung. Mehr als 400 Weine werden im Keller gehortet, die Preise beginnen bei 29 und enden bei nahezu tausend Euro, Schätze aus besten Lagen ruhen da.

Bei den offenen Weinen allerdings werden die Gäste knapp gehalten, fünf stehen auf der Karte, wobei der Riesling angenehm war, der Rosé, ein fränkischer Rotling, etwas süß (0,25 Liter beide 8). Wenn eine edlere Flasche offen ist, dann bekommt man einen Schluck im großen Glas, und der Rosso di Montalcino von 2010 war samtig und fruchtig und teuer (0,1 Liter 10). Man befindet sich eben im Vorgarten zum Sternenhimmel des Michelin, auch wenn das Johannas sonst noch immer schön erdverbunden ist.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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