Ella:Charme einer Museumskantine

Restaurant Ella, Lenbachhaus

Kostprobe Restaurant 'Ella' im Lenbachhaus, 11.Februar 2014, Foto : C : Stephan Rumpf

(Foto: Stephan Rumpf)

Das Ella im Lenbachhaus bietet fantasievoll verfeinerte Italo-Küche. Und nach dem Umbau gibt es in dem goldenen Würfel auch mehr Platz - leider nicht für die Gäste.

Von Alois Gudmund

Was der Appetit mit den Menschen macht, haben Künstler oft und gerne gezeigt - aber wenige so bestechend genau wie der Maler Karl Hubbuch. "Schleckermäuler" heißt ein kleines Temperabild aus den Zwanzigerjahren. Es hängt in der städtischen Galerie im Lenbachhaus und zeigt eine Konditorei, die übervolle Auslage mit ihren Kuchen und Torten umdrängt von Menschen, aus deren Gesichtern Lust, Gier und pure Freude sprechen. Auch Bilder können hungrig machen. Und man muss nicht einmal an Carl Schuchs Stillleben mit Porree, Äpfel und einem Trumm Käse vorbeigewandelt sein, um am Ende des Museumsbesuchs im Museumscafé zu landen.

Vor dem Umbau des Lenbachhauses zwängte sich der Besucher in einen kaum mehr als wohnzimmergroßen Raum, in dem sich zwei Handvoll, natürlich meist besetzte Tischchen drängten. Nun gibt es in Norman Fosters neuem goldenen Würfel endlich mehr Platz. Benannt nach Gabriele Münter, der großen Dame des Blauen Reiters, nimmt jetzt das Restaurant "Ella" großzügig mit prächtigem Blick auf die Propyläen die prominenteste Ecke des gülden schimmernden Neubaus ein.

Drinnen deckt Marmorstein die Bar und das so reichhaltig wie auf Hubbuchs Bild bestückte Kuchenbuffet. Natürlich hängt Kunst an den holzgetäfelten Wänden, großformatige Drucke von Thomas Demand zeigen allerlei Küchengerät. Alles viel edler als früher, nur: Weniger eng ist es nicht.

Am Trampelfpad für Platzsuchende

Das Ella hat den Raum dafür genutzt, einfach mehr Menschen an die eng gedrängten Tische zu quetschen. Zugegeben, Platz genug scheint es untertags nie zu geben, denn das Museum spuckt ganze Rudel hungriger Kunstfreunde aus, die dann um die Tische streifen. Gudmund und die Seinen hatten zwar reserviert, nur hatte das offenbar nicht viel genützt: Zugewiesen wurde den vier Personen nach einiger Wartezeit ein kleines Tischchen von nicht mehr als einem Meter Seitenlänge gleich neben dem Eingang und damit am Beginn des Trampelpfads der Platzsuchenden.

Neben Gläsern, Flaschen, Brotschale, Salz und Pfeffer waren vier Teller nur prekär über den Tischrand hängend unterzubringen. So eng war es, dass Gudmund, als er sich aufrecht in den Stuhl setzte, mit dem Hinterkopf einen Lampenschirm vom Ständer stieß, was ihm prompt den strengen Tadel einer Bedienung einbrachte.

Ella: Mehr Platz, aber nicht für die Gäste: Auf den Tischen im Ella bringt man nur schwer mehrere Teller unter.

Mehr Platz, aber nicht für die Gäste: Auf den Tischen im Ella bringt man nur schwer mehrere Teller unter.

(Foto: Stephan Rumpf)

Sonst waren sie ja freundlich und ständig in Bewegung, aber anscheinend einfach nicht in ausreichender Zahl da, um den Andrang zu bewältigen. So dachte Gudmund, bevor er sich abends ins Restaurant setzte. Da wurde es nämlich ziemlich leer - der Service aber weder schneller noch aufmerksamer. Statt dessen wischte eine Reinigungskraft schon mal den Boden unter den unbesetzten Nebentischen, hinter der Bar wurde die Lautstärke der Musikberieselung nach oben gedreht. Das sind bewährte Techniken, Gästen anzudeuten, dass es Zeit ist zu gehen. Es war aber gerade mal halb neun und noch nicht einmal der Hauptgang auf dem Tisch.

Wie eine Museumskantine

Diese Erlebnisse wirkten umso bizarrer, da Karte und Küche Ambitionen verraten, die weit über den Anspruch hinausgehen, bloß Kunsttouristen abzufüttern. Das fängt schon mit dem arg prätentiösen Schrägstrich-Stakkato an, das die Gerichte vorstellt: "Crudo / Thunfisch / Tomatenchutney / Süßkartoffel / Weißer Balsamico", tönt die Karte, auf dem Teller lag dann ein Stückchen rohes Thunfisch-Sashimi, ein offenbar frittiertes Fischbällchen, ein leider weder sonderlich tomatiges noch scharfes Häufchen kleiner Tomatenwürfelchen und ein Batzen Süßkartoffelpüree - sah alles sehr fein aus, erschloss sich aber als Komposition nicht so recht.

Die Jakobsmuschel fügte sich, auf den Punkt gegart, dagegen fein zum mit Schwarzwurzeln und Fava-Bohnen elegant gekräftigten Krustentierpüree - das allerdings etwas zu flüssig war. Deutlich zu wohlwollend war die Salbeibutter zu den ansonsten tadellosen Spinat-Ricotta-Ravioli bemessen, die Teigtaschen schwammen geradezu darin. Und der vegetarische Teller mit den Friggitelli, also milden, gebratenen Peperoni, und dem bereits von der Vorspeise bekannten Süßkartoffelpüree war etwas zu frugal.

Sonst gab es an der phantasievoll verfeinerten Italo-Küche nichts zu kritteln. Wozu sie fähig ist, bewies sie mit einer wunderbar gefüllten Kalbspiccata, die umgeben von Rosmarinkartoffeln auf würzigem Spinat lag. Der Wolfsbarsch war fest und zart, seine Begleitung aus Auberginenkügelchen, Buschbohnen und Palmherzen eine harmonische Mischung. Auch das Doradenfilet hielt dem mit Oliven verstärkten Kartoffelbrei mühelos stand.

Die Dorade war als Teil eines dreigängigen Mittagsmenüs (von dem die Tasse mit der sämigen Kürbissuppe gleich auf dem Teller des Hauptgerichts stand) für 12,50 Euro ausgesprochen günstig, sonst sind die Preise eher gehoben: Vorspeisen 8 bis 18 Euro, Hauptgerichte 15 bis 25 Euro.

Die sehr verspielten Desserts - mit Schokolade überzogene Ravioli! Eine Gelee aus der italienischen Tonic-Cola Chinotto zum Käse! - gibt es für 8 Euro, ein ordentliches Stück der ausgezeichneten Kuchen für 4,30 Euro. Ein 0,2-Liter-Glas eines in der Tat sehr guten, am Ätna gekelterten DOC-Weines kam auf stolze elf Euro - womöglich passend zur goldenen Haut des neuen Lenbachhauses. Für einen Ort, der wirkt wie eine Museumskantine, ist das aber doch ein bisschen viel.

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