Süddeutsche Zeitung

Gut bürgerliches Restaurant "Deininger Post":Wiedererwecktes Wirtshaus

Die Deininger Post in Deining hat einen netten Wirt, den manchmal aber wohl eine Unlust zum Kochen überfällt.

Hanne Rübenbauer

Berge, nichts als Berge: Wer von Grünwald kommend Richtung Bad Tölz fährt und kurz vor Deining den Wald verlässt, dem muss an Tagen mit Fernsicht der Atem stocken. Hinter den sanft gewellten Wiesen liegt, scheinbar zum Greifen nah, eine Kette von Gipfeln vom Karwendel bis zur Zugspitze.

Dieser Blick kann regelrecht süchtig machen und zieht den Städter immer wieder hinaus nach Deining, wo zudem ein paar der schönsten Bauernhäuser des Alpenvorlandes stehen. Ein Werbefachmann würde Deining womöglich als das "Tor zu den Alpen" vermarkten.

Umso überraschender ist, dass das stolze Wirtshaus im Ortskern lange Zeit leer stand und Ausflügler zwar ihren Hunger nach Landluft und Bergblick stillen konnten, auf Schweinebraten und Schnitzel aber verzichten mussten.

Der Wirt: ein jovialer Mann

Jemand muss die sehnsüchtigen Blicke der hungrigen Vorbeifahrenden gesehen haben. Das Leben kehrte zurück in die verwaiste Gaststätte, eines Tages - es war vor gut einem Jahr - prangte über dem Eingang ein neues Schild "Wirtshaus DEININGER POST - Willkommen bei Freunden". Die Freunde, das waren Wirt Franz Lechner und seine Frau, die zuvor den "Pupplinger" im benachbarten Egling und die "Eierwiese" in Grünwald betrieben hatten.

Lechner ist ein jovialer Mann. Er ist häufig in der Gaststube anzutreffen, wo er dann am großen Tisch gleich neben dem Kücheneingang sitzt. Eintreffende Gäste grüßt er freundlich, zum Abschied sagt er laut "Servus". Vor allem abends sieht man ihn dort, was darauf schließen lässt, dass ihn dann nichts mehr am Herd hält.

Gelbes Gummigeschoss

Tatsächlich scheint ihn zu vorgerückter Stunde manchmal eine gewisse Unlust am Kochen zu übermannen. Das Entengröstl etwa, das wir an einem Abend bestellten, bestand aus einem Berg lascher Kartoffeln und trockener Fleischstückchen - das hätte jeder Koch einer Universitätskantine besser hingebracht. Die Schweinshaxe war ausgetrocknet und zäh; der Maiskolben, der zum gut durchgebratenen Steak gereicht wurde, erinnerte an ein gelbes Gummigeschoss.

Vom Tafelspitz waren vier Scheiben so üppig aufeinander geschichtet, dass man die Unterste zunächst nicht sah: ein wenig ansehnliches, graues, ausgetrocknetes Stück Fleisch. Die zugehörigen Bratkartoffeln sahen auch nicht aus wie frisch aus der Pfanne, ihnen fehlte jegliche Bräune. Zusammen mit dem Wirsing vermischte sich das Ganze auf dem Teller zu einem wenig appetitlichen Ensemble.

Im nächsten Abschnitt: Überzeugende Hirschmedaillons, vorbildlicher Wirsing und gute Gastgeber.

Schade eigentlich. Denn Lechner kann durchaus kochen. Der Wirsing taugte durchaus als Vorbild für das, was Hausmannskost sein soll: bissfest, gut gewürzt, mit einer sämigen Einbrenne. Die Ente war perfekt gebraten, ihre Kruste fein gesalzen und knusprig. Das Zanderfilet mit Mandelkruste war schön zart, die Spaghetti waren mit Spinat und reichlich Fischstückchen geschmacklich gut abgestimmt. Auch die Hirschmedaillons überzeugten durch ihr zartes Fleisch.

"Aber guad san s' scho"

Bei den Beilagen mochte der Wirt sich leider nicht allzu sehr anstrengen. Ob Rotkraut, Mischgemüse oder Knödel - allzu oft hatten wir das Gefühl, dass die Zutaten genauso gut aus der Tiefkühltruhe, dem Glas oder einer Packung stammen könnten. Wenigstens versucht man hier nicht, so zu tun, als handle es sich um erlesene Beilagen. Als wir fragten, ob die Rösti hausgemacht seien, lachte die Wirtin und sagte: "Ja mei, wenn Sie fünf Euro für jeden Rösti zahlen, dann machen wir sie auch frisch." Treuherzig fügte sie aber hinzu: "Aber guad san s' scho."

Trotz aller Schwächen wünscht man sich, dass diese neue Deininger Post Erfolg haben wird. Ein Ort wie Deining braucht so eine Wirtschaft. Und das Ehepaar Lechner passt einfach hierher, beide sind gute Gastgeber.

Sie lassen ihre Gäste spüren, dass das (eigentlich überflüssige) Logo "Zu Gast bei Freunden" nicht nur so dahin geschrieben ist, sondern, dass ihnen das Wohlergehen der Kundschaft wichtig ist. Vielleicht sollten sie die Speisekarte verkleinern und sich auf ein paar landestypische Gerichte beschränken - ein bayerisches Wirtshaus muss nicht unbedingt Steakvariationen anbieten.

Die Preise liegen für Suppen um die 3 Euro, Hauptgerichte kosten zwischen 6,50 Euro und 16,50 Euro (die Steaks allerdings kosten zwischen 20 Euro und 25 Euro), die Nachspeisen um die 4 Euro.

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Quelle:
SZ vom 15.12.2008/pfau
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