Süddeutsche Zeitung

Restaurant Cochinchina:Schöner Schein

Lesezeit: 3 min

Das Restaurant "Cochinchina" bietet vietnamesische Kost mit chinesischem Einschlag - gefeiert wird es aber wegen des modernen Designs. Das wirft natürlich eine Frage auf: Wie schmeckt es hier eigentlich?

Von Rosa Marín

Der Flügelschlag der Libelle ist leise und zart - und doch ist das Tamtam um das neue Lokal "Cochinchina" in Schwabing nicht zu überhören. Im Juni eröffnet, zieht es Freunde der vietnamesischen Küche an wie die Motten das Licht. Auch der eine oder andere prominente Fußballer aus dem Süden der Stadt schwärmt hier herum. Die Strahlkraft erklärt sich auf den ersten Blick vor allem aus einem: Das Restaurant ist ganz besonders schön eingerichtet.

Die Innenarchitektinnen haben sich hier von den filigranen Strukturen der Libellenflügel inspirieren lassen. Dezent wölben sich kunstvolle Paravents aus Nussbaum durch den hohen Raum, es schillert hinter libellenhaften Wandverkleidungen vor moosgrüner Wand. In Münchner Style-Magazinen wird das Cochinchina als "Designperle" gepriesen, gleich nach dem Esszimmer in der BMW-Welt oder der Goldenen Bar im Haus der Kunst. Man muss zugeben, da ist etwas dran. Urban und chic ist das Flair. Aber auch dies muss man sagen: Nach einer kulinarischen Kostprobe ist vieles mehr Schein als Sein.

Vietnamesische Kost mit chinesischem Einschlag

Die Inhaber des höchst erfolgreichen "Anh Thu" in der nahen Kurfürstenstraße haben hier eine Dependance unter neuem Namen eröffnet - damit sie nicht immer so viele Reservierungen abblocken müssen. Nun haben sie ein großes Restaurant dazugewonnen, in dem sie mit ihrer hoch gelobten vietnamesischen Kost mit chinesischem Einschlag Eindruck schinden können. Das gelingt mal mehr, mal weniger.

Das Ambiente ließ Rosa Marín anfangs mit einer ganz zauberhaften Vorspeise auf sich wirken: Schmal geschnittene, saftige Rindfleischstücke mit Wildbetelblättern umwickelt und gegrillt (7,90 Euro). Die fünf fingerlangen Rollen, leicht säuerlich, überstreut mit krossen Zwiebeln und Erdnusssplittern sowie einem scharf-süßen Dip, schmeckten so grandios, dass sie Lust auf mehr machten. Überhaupt ist es eine prima Möglichkeit, sich den Abend über eine Vorspeise nach der anderen kommen zu lassen. Der Service ist hier so rasant, dass das Schlag auf Schlag gehen dürfte. Doch dazu später.

Eine kleine Enttäuschung folgte in Form knusprig angepriesener Sardellen, Ca Chien Gion (7,90). Sie wurden zwar hübsch im Gitternetz wie frisch gefangen gereicht, die Fischlein waren jedoch zu fett, zu fischig. Eine schwere Kost, auch die scharfe rote Sauce rettete das nicht. Rosa Marín ließ zwei Drittel zurückgehen. Und der Kellner fragt trotzdem lächelnd: "Hat es geschmeckt?" Doch dazu später.

Dumplings und Klebreis-Bällchen

Als nächstes die Dumplings, kleine gedämpfte Gerichte, Besucher des Cochinchina sollten diese unbedingt probieren. Bei Preisen von 8,90 Euro bis maximal 14,90 Euro macht es Vergnügen, die unterschiedlichsten kleinen Schalen und Teller auf dem Tisch stehen zu haben. Mal ist der Reis-Flan umwickelt vom Bananenblatt, mal sind Huhn und Soja im Crêpe aus Reismehl versteckt, die Teigtaschen allerschönst geformt in mundgerechten Häppchen.

Sehr empfehlen kann Rosa Marín Banh It Tran (9,90), das sind Klebreis-Bällchen gefüllt mit Garnelen und Mungobohnen. Ein zähes, klebriges Vergnügen, vier Kügelchen auf einem länglichen Teller, die von einer mit feinen Gewürzen abgerundeten, sanften Fischsauce eingerahmt sind. Die Dumpling-Variation beim nächsten Besuch hingegen überzeugte nicht. Fünf verschiedene Sorten fanden sich hier vereint im Bambuskorb, zwei waren fein, der Rest matschig und unter Röstzwiebeln begraben.

Die Eröffnung der Hauptspeisen begann sehr vielversprechend mit Vit Xao Gung, einer knusprigen Ente mit Ingwergemüse (20,90). Respekt, dieses Wassertier derart zuzubereiten, ist wahrlich eine Kunst! Zart, saftig, nicht fettig und wahrhaft knusprig. Bei der nächsten Bestellung, den Spezialitäten des Hauses zum Selbstrollen, zeigten sich allerdings sämtliche Probleme dieses schönen Lokals auf einmal. Das Personal ist freundlich, aufmerksam, schnell - aber leider unpersönlich, fast roboterhaft: Kommentarlos serviert der Kellner perforierte weiße Plastikscheiben. Großes Fragezeichen.

Nur ein mittelgroßer Teller für diese Fülle

Nur geübte Asia-Esser wissen, dass sich dazwischen feines gedämpftes Reispapier verbirgt, mit dem es die Zutaten einzurollen gilt: Reisnudeln, Salat, Kräuter, Sojasprossen. Gurken, Schalotten, Erdnüsse, Dips und - wer La Lot (19,50) wählt -, auch Rindfleisch mit Zitronengras.

Dampfende, feuchte Tücher für diese Handarbeit gibt es weder vor noch nach dem Gericht. Und weil man sehr eng sitzt im hinteren Bereich und die Tische so klein sind, gibt es auch nur einen mittelgroßen Teller für diese Fülle. Die köstlichen Kräuter stapeln sich wie Unkraut darauf, schwer ist zu definieren, wo etwas liegt. Das ist schade, denn jede einzelne Zutat hier ist wirklich sehr besonders.

Für die kleine, feine Nachspeise war dann aber wieder Platz auf dem Holztisch. Eine Kugel Black Sesam Eis (3,90) oder Ingwer-Eis, drapiert mit Beeren und Minze - frisch und leicht, wie der Flügelschlag der Libelle.

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Quelle:
SZ vom 23.10.2014
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