Enoteca:Sich gefahrlos am Chiemsee verführen lassen

Enoteca: Klein, aber fein: Das kulturpreiswürdige Haus, in dem Michael Feix seiner Leidenschaft fürs Kochen folgt, ist nicht weit vom Chiemsee entfernt.

Klein, aber fein: Das kulturpreiswürdige Haus, in dem Michael Feix seiner Leidenschaft fürs Kochen folgt, ist nicht weit vom Chiemsee entfernt.

(Foto: privat)

Sie liegt bloß eine kurze Zugfahrt von München entfernt: Die Enoteca in Bad Endorf kommt ohne wuchtige Geschmäcke aus und setzt auf leise Aromen zu exzellenten Weinen.

Von Carolus Hecht

Eines der großen Wunder dieser Welt ist das Ei: geheimnisvolles Gefäß des neuen Lebens, nahrhafte und schmackhafte Beute so vieler animalischer Wesen in der Natur. Der zweifellos gierigste Eierräuber ist der Mensch. So mancher hält einen Tag ohne Frühstücksei für verloren. Wie viel Ei aber wird allüberall in artifiziellen Nahrungsmitteln vermengt, ohne dass der Esser überhaupt Notiz davon nähme.

Umso erstaunlicher, wenn eine Küche von allerhöchstem Anspruch ein schlichtes Ei wie ein Kunstwerk zelebriert, als "knuspriges, wachsweiches Bauernei". Allein schon die feinmechanische Großleistung, ein so instabiles, fragiles Ding zu Gänze seiner Schale zu entkleiden, ohne dass es zerflösse oder sonst Schaden nähme. Im Cremespinatbett und mit Trüffeln macht Michael Feix in seiner Endorfer Enoteca so aus einem scheinbar alltäglichen Lebensmittel ein kleines Fest.

Feix hat einst als Holzmensch aus der elterlichen Schreinerei heraus eine unbändige Leidenschaft fürs Kochen entwickelt. Dem kleinen Lokal in einem kulturpreiswürdigen Haus mitten in Bad Endorf nicht weit vom Chiemsee merkt man die Herkunft des Kochs an, mit dem elegant-schlichten Holzinterieur des kleinen Gewölbes, wo seine Frau Ingrid Egger die Gäste umsorgt. Sommers gibt es kleinen Freisitz. Wie schon der Eier-Introitus zeugt hier fast nichts von Konvention, zeugt vielmehr von sinnlicher Fantasie und der Lust zu gewisser Kühnheit in der Küche. Der von einer Garnele gekrönte rohe Thunfisch mit Mango, Avocado und leicht angegrillter Wassermelone machte auf Anhieb klar, dass es hier nicht um wuchtige, vordergründige Aromen und Würzweisen geht, sondern um das duftige Spiel leiser, einander ebenbürtiger Düfte.

So das angebratene Kalbscarpaccio mit Pfifferlingen, weißem Pfirsich und Bergkräutern. Verzückung verursachten bei Pastafreunden jeweils die Raviolini, seien es die in Zitronenbutter, seien es die mit Burrata (einer besonderes cremigen Zubereitungsart des Mozzarella), getrockneten Tomaten und weißem Tomatenschaum. Getrocknete Tomaten sind ja eigentlich eine sehr kräftige, fast grobe Geschmacksquelle, die der Koch in Zartheit aufzulösen wusste.

Ähnlich kühn ging er mit dem Wolfsbarsch um. Er konfrontiert ihn mit zweierlei Bohnengeschmack, Zitronen, Kapern und einem Chorizofonds. Chorizo zum Fisch, diese ja manchmal penetrant anmutende, scharfe Spanierwurst? Der Koch nimmt ihr die irritierende Spitze, kombiniert sie mit der scharf angebratenen Fischhaut und bettet alles ein mit ebenfalls geschmacklich selbstbewussten Kapern. (P. S.: Fisch und Fleisch zu kombinieren ist eine alte iberische Tradition von hohem kulinarischem und üblem Gesellschaftswert: Mit solchen Speisen vermochten die katholischen Spanier und Portugiesen im Mittelalter die auf der Halbinsel ja weithin vertretenen Moslems vom gemeinsamen, harmlos erscheinenden Fischessen auszuschließen, gingen diese doch nie das Risiko ein, eventuell, und sei es ungewollt, Schwein zu verzehren.) Das rosa gebratene Lammkarée von lehrbuchhafter Zartheit mit hinreißendem Thymianfonds war von untadeligem, aber ganz gewöhnlichem Ratatouille und Kartoffelgratin begleitet, was in solchem Hause leise enttäuschte.

Zitronen-Topfen-Mousse, Gewürzkirschen und Sorbet vom weißen Pfirsich übten sich abermals in duftiger Harmonie. Genauso wie die Käseauswahl, die auf penetrante Altersexemplare verzichtete.

Es kommt ganz auf die Tagesform an, ob die Prinzipalin in hoheitlicher Zuvorkommenheit, oder auch gelegentlichem Ungehaltensein angesichts begriffsstutziger Gäste dieses feine Gehäuse regiert. So auch die zu apodiktische Reaktion auf den Wunsch, doch außer langweiligen Alltagsreihe einmal einen Flaschenwein für ein Glas zu öffnen. Denn dieser Speisenbegleiter ist in diesem Hause, das auch Weinhandel ist, ein besonderes Kapitel. Zwar glasweise wie meist saftig zu bezahlen, bewegt sich der Preis des Flaschenweins in äußerst moderaten Zonen, verleitet lustvoll zum ganzen Gebinde.

Nennen wir beispielhaft den Sauvignon Jahrgang 2018 von Verus Vineyards aus Slowenien zu 28 Euro. Der delikat-trockene Dolcetto bewegt sich um die 25 Euro, selbst der wuchtige König Barolo ist in vielerlei Varianten zwischen 35 und 50 Euro zu haben, andernorts preislich undenkbar.

Zum Essen empfiehlt sich das Menü, wobei man mit dem 4-Gänge-Abend zu 45 Euro glimpflich, mit dem 6-Gänge-Menü zu 59 Euro ausgesprochen gut wegkommt. Für differenzierte Zungen und besondere Gelegenheiten ein wahrhaft genießerischer Ort, der auch Münchner dank guter Zugverbindungen gefahrlos verführen darf.

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