Residenztheater:Wer nicht Schritt hält, fällt

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Gigantische Laufbänder zwingen die Figuren unbarmherzig in eine Richtung: Ulrich Rasches technisch aufwendige "Räuber"-Inszenierung am Münchner Residenztheater. (Foto: Andreas Pohlmann)

Das Residenztheater eröffnet seine Spielzeit mit zwei Polit-Dramen: Ulrich Rasche trimmt Schillers "Räuber" auf Effekt, Martin Kušej inszeniert Sartres "Die schmutzigen Hände" als analytisches Bühnenstück.

Von Jennifer Gaschler

Es wird politisch. Bei den Ereignissen in der jüngsten Vergangenheit kein Wunder. Mit den großen Freiheitsdichtern Friedrich Schiller und Jean-Paul Sartre als Doppelspitze startet das Residenztheater in die neue Spielzeit. Ulrich Rasche macht den Anfang mit den "Räubern", für den Regisseur, der sich mit chorischen Szenen à la Einar Schleef einen Namen gemacht hat, eine Studie über Gruppendynamik und deren Gewaltpotenzial. Rasche nimmt dem stürmisch drängenden Schiller nicht ab, ein Revolutionsstück verfasst zu haben: fehlende inhaltliche Programmatik zeichne die Räuberbande aus, eine an sich konturlose Gruppe, so der Regisseur.

Spiegelberg - sozusagen der narzisstische Ideologe unter den Mordsfreunden - ist schnell als Anführer abgeschrieben, Karl Moor, der gerade in einem familieninternen Zwist steckt, wird dadurch zum Hauptmann der Räuberpartei. Die geht schnell aufs Ganze, schwört "Tod oder Freiheit". Sind das die linken Ultras, die aus diffusem Unbehagen ans rechte Ufer schwimmen? Mit monströser Bühnenmaschinerie sind Rasches "Räuber", dessen erste Inszenierung am Residenztheater, beinahe auf dem Aufwandslevel von Martin Kušejs "Faust" von 2014.

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Bereits vorigen Oktober begannen die Arbeiten an den bisher kostspieligsten Bühnenbauten im Schaffen Rasches. Jetzt zwingen gigantische Laufbänder, wie es sie im Fitnessstudio gibt, die Figuren umbarmherzig in eine Richtung - vorwärts oder rückwärts, was sie erreichen, ist nur der Stillstand. Eine dystopische Weltsicht. Wer nicht Schritt hält, fällt. Mit Bühnenpomp hält sich Martin Kušej bei seiner Inszenierung der "Schmutzigen Hände", die am folgenden Tag Premiere hat, dagegen zurück.

Sein Sartre soll existenzialistische Fragen beleuchten - und damit nah am Ursprungswerk sein, das der Dramatiker in den Nachwirren des Zweiten Weltkriegs hochphilosophisch auflud. Tagesaktuelle Übermalungen wird es hier, wie auch bei Rasche, jedoch nicht geben. Kušej will eine Modellsituation auf abstrakter, zeitloser Bühne zeigen, Figuren, die ihre Rolle in Brecht'scher Manier formen und dann - im wahrsten Sinne des Wortes - spielen. Der Mensch also als freies Individuum, als für sein Tun völlig verantwortliches Ich.

Die Handlung will Kušej dabei stringent und knapp darstellen und doch, mit klaren Anleihen an Beckett, als Unendlichkeitsspiel, als Polit-Plot ohne Aussicht auf Besserung begriffen haben. Und die Politik selbst? Als Menschenwerk von unten, geformt von Einzelpersonen, die Entscheidungen treffen. Bleibt die Frage, wer sich politisch gerade die Hände schmutzig macht. Mit Norman Hacker als Hoederer, Franz Pätzold und Valery Tscheplanowa als Gebrüder Moor und Götz Schulte als deren Vater sind beide Stücke zudem herausragend besetzt - und das Residenztheater kann wieder einmal zu einem moralpolitischen Spielplatz werden.

Die Räuber, Freitag, 23. September, 19.30 Uhr; Die schmutzigen Hände, Samstag, 24. September, 19.30 Uhr, Residenztheater, Max-Joseph-Platz 1, t 21 85 19 40

© SZ Extra vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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