Residenztheater:Abgründe im Musentempel

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Martin Kušej verabschiedet sich vom Residenztheater. (Foto: Hans-Bernhard Huber/laif)

Für seine letzte Inszenierung am Residenztheater beschenkt sich der scheidende Intendant Martin Kušej selbst und inszeniert "Der nackte Wahnsinn" - ein Stück über ein Stück im Stück.

Von Christiane Lutz

Bevor sie ein Theater verlassen, suchen sich die inszenierenden Intendanten oft noch einmal sehr staatstragende Stoffe aus. Stücke, mit denen sie ihrem Publikum zum Abschied noch mal richtig etwas abverlangen wollen. Martin Kušej hat sich "Der nackte Wahnsinn" ausgesucht, eine Farce von Michael Frayn aus dem Jahr 1982.

Das Stück erzählt in drei Teilen von einer Theatergruppe und ihrer bevorstehenden Premiere. Bei der Generalprobe im ersten Teil klappt aber erst mal nichts, die Schauspieler verpassen Einsätze und vergessen Texte. Dann im zweiten Teil beginnt das Stück von vorn, diesmal betrachtet von der Hinterbühne aus. Zeit ist vergangen seit der Premiere, amouröse Verwicklungen haben sich verschoben. Im dritten Teil ist das Stück im Stück noch einmal zu sehen - diesmal wieder vom Zuschauerraum aus. Natürlich bricht Chaos aus und am Ende ist nichts mehr so, wie es zuvor war. Die Komödie wurde seit ihrer Uraufführung auf Stadt und Land gleichermaßen rauf und runter gespielt und 1992 von Peter Bogdanovich sehr erfolgreich in Hollywood verfilmt. Dennoch: Das richtige Timing, den richtigen Witz des Stückes hinzukriegen ist, wie immer bei der Komödie, immens schwer.

Ein kleines Abschiedsgeschenk an sich selbst

Mit großartigen, mit Komik begabten Schauspielern wie Norman Hacker, Genija Rykova, Katharina Pichler oder Arthur Klemt könnte das am Residenztheater natürlich klappen. Kušej hat das Stück in die Achtzigerjahre zurück verlegt, viel mehr Möglichkeiten bietet der Stoff auch nicht, in dem unter anderem ein Kabeltelefon eine Rolle spielt. Zudem lädt "Der nackte Wahnsinn" auch nicht wirklich zum ausgiebigen assoziieren und philosophieren ein. Wobei Kušej der Meinung ist, das Stück verrate durchaus jede Menge über das soziale Miteinander und habe eine tiefenpsychologischere Ebene, als sich das dem kichernden Zuschauer spontan erschließt.

In den sieben Jahren Intendanz am Residenztheater hat sich Kušej nie vor den ganz großen Stoffen wie Goethes "Faust" oder Schillers "Don Karlos" gescheut, sondern sich im Gegenteil stets mit Genuss in sie hinein gelegt. "Der nackte Wahnsinn" ist vor seinem Umzug ans Burgtheater wohl ein kleines Abschiedsgeschenk an sich selbst.

© SZ Extra vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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