Restaurants:Spontane müssen leider draußen bleiben

"Burger House" in München, 2012

Wer am Wochenende im Burger House essen will, sollte rechtzeitig reservieren.

(Foto: Robert Haas)

Wer Essen gehen will, muss meist Tage im Voraus reservieren. Der Trend könnte sich noch verschärfen.

Von Laura Kaufmann

Freitagabend, endlich. Das Licht im Büro ist ausgeschaltet und das Wochenende wirkt noch lang und verheißungsvoll. Der Magen rührt sich. Essen gehen wäre jetzt schön. Einfach ins Glockenbachviertel spazieren und nach einem freien Platz schauen. Sich durch den Abend treiben lassen, spontan und ungezwungen. Aber dann, Anti: voll. Cooperativa: voll. Hey Luigi: voll. München 72: voll.

Die Platzsuche am Freitagabend im Glockenbachviertel kann sich anfühlen wie die zur Wiesn im Hackerzelt. In anderen Ecken der Stadt ist es das gleiche Spiel. Stundenlang irren Hungrige durch die Straßen wie Maria und Josef auf Herbergssuche, bis sie irgendwann verzweifelt am Dönerstand halten.

In einer kleinen Viertelkneipe wie der Frida in der Maxvorstadt ist zur besten Essenszeit auch unter der Woche manchmal kein Platz mehr zu ergattern, die Tische sind mit Reservierungsschildern gespickt wie ein Käse-Igel mit Weintrauben. Wer auf Nummer sicher gehen will, ruft vorher an. Und wer das nicht tut, hat immer öfter das Nachsehen.

"Warum lasst ihr nicht ein paar Tische frei für Spontane?"

"Die Ausgehkultur ist anders geworden - vor fünfzehn, zwanzig Jahren hat man in ganz noblen Restaurants reserviert, aber nicht beim Griechen", sagt Florian Faltenbacher, der früher das Cavos am Englischen Garten betrieb und heute das Kalypso an der Agnesstraße. Je weiter die Woche fortschreitet, desto schwieriger findet sich ein Platz.

Viele größere Gruppen kommen ins Kalypso, um dort zu feiern. Und sie alle reservieren vorab. Spontane Gäste kämen immer seltener vorbei, sagt Faltenbacher. Die Nachbarn holen sich am Wochenende eher etwas zum Mitnehmen. "Es ist aber durchaus so, dass man in München am Wochenende auch spontan Essen gehen kann. Früh um 18 Uhr geht immer was, und später auch wieder. Nur um 20 Uhr ist es eben schwierig."

Auch Markus Thatenhorst, der unter anderem das Restaurant Theresa und die gleichnamige Bar, das Occam Deli und das Restaurant Seerose mit betreibt, spürt den Wandel im Ausgehverhalten. "Wenn ein Lokal vor zehn Jahren mal ausreserviert war, bin ich fast angemacht worden: Warum lasst ihr nicht ein paar Tische frei für Spontane? Heute wird das als die Regel akzeptiert."

Wie Florian Faltenbacher vergibt er einen Tisch am Wochenende gelegentlich auch doppelt. Etwa wenn eine Gruppe spät reserviert, auf 21 Uhr, und eine andere früh kommen will. Dann weist er die Gäste darauf hin, dass der Platz später noch einmal reserviert ist und fragt, ob das in Ordnung ist.

Betroffen sind Restaurants aller Kategorien

"Double Seating" wird das genannt, es ist keine Seltenheit mehr. Einige Lokale, wie das Matsuhisa im Mandarin Oriental, vergeben ihre Tische standardmäßig zweimal an einem Abend. "In anderen Großstädten ist das schon die Regel", sagt Thatenhorst. In London oder New York käme niemand auf die Idee, spontan in ein ambitioniertes Restaurant zu gehen. "In Kopenhagen habe ich sogar drei Seatings an einem Abend erlebt." Er glaubt, dass der Trend auch in München zu noch mehr Reservierungen gehen wird.

Betroffen sind Restaurants aller Kategorien. Anruf im Tantris: zwei Wochen Vorlauf, dafür gibt es keine Doppelbelegungen. Anruf im Burger House mit seinen vier Filialen in der Stadt: Anfang der Woche solle man am besten reservieren, um am Wochenende einen Tisch zu ergattern. Anruf im Upper Eat Side in Giesing, szenig, preislich gehoben, aber noch bezahlbar: Der Freitagabend, heißt es dort, sei seit zwei Monaten ausgebucht. Samstag ist dort Ruhetag.

Um die 5000 Betriebe mit Gaststätten-Konzession verzeichnet die Stadt. Und die sollen nun nicht ausreichen, um das Ausgehbedürfnis der Münchner zu stillen? Florian Faltenbacher differenziert. Jährlich organisiert er in seiner Milchbar das Gastrosilvester - eine Party für die Gastronomen, die in der eigentlichen Silvesternacht arbeiten mussten.

"Natürlich kann ich nicht alle Gastronomen der Stadt einladen, aber die Leute aus den Szeneläden haben wir schon immer da. Das sind so 500 bis 550 Einladungen, die rausgehen." Und das sind eben die Läden, die spontan oft keinen Platz mehr bieten können.

Essen gehen ist eine Freizeitaktivität geworden

Wer am Wochenende ausgeht, der will meist einen besonderen Abend haben und nicht in der Kneipe ums Eck landen. Der will mit seinen Freunden abgefahrene Burgerkreationen essen. Der fühlt sich vielleicht schon zu alt für einen Abend im Club, liebt es aber, nach mehreren Ouzo-Stamperl im Kalypso auf dem Tisch zu tanzen.

"Essen gehen verlagert sich immer mehr aufs Wochenende", sagt Faltenbacher. Es ist eine Freizeitaktivität geworden. "Und eine Reservierung macht den Abend noch einmal besonderer." Sie schürt Vorfreude. Außerdem sei die Gastronomie in den vergangenen Jahren sehr viel besser geworden, nicht nur die Sterneküche, sondern auch der nette Italiener nebenan, erklärt Markus Thatenhorst den zunehmenden Run auf die Restaurants. Damit sei es nicht mehr nur ein Hobby von wenigen kulinarisch versierten Sternejägern.

Die Spontanen, sie werden also weiter umherirren müssen, dem Schwächeanfall nahe. Wohl dem, der Freunde hat, die sich um eine Reservierung kümmern. Ansonsten hilft nur warten: "Wenn man nicht mit der Erwartung kommt, sofort einen Tisch zu ergattern, dann geht fast immer was", sagt Markus Thatenhorst. "Ich mache das auch. Da bin ich völlig schmerzfrei."

Hinweis: Ursprünglich war das Bild einer Reservierungsliste in der Münchner Gaststätte Atzinger zu sehen. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Lokalen, die in dem Bericht vorkommen und in denen Gäste nur noch einen Platz bekommen, wenn sie reserviert haben, muss man im Atzinger aber nicht zwangsläufig einen Tisch bestellen. Die Gaststätte legt Wert auf die Feststellung, dass im Regelfall nur die Hälfte der etwa 200 Plätze für Reservierungen blockiert werden, die andere Hälfte steht spontanen Besuchern frei.

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