Süddeutsche Zeitung

Reservierungen:Ein Platz im Wiesnzelt für 65 Euro

Die Wirte der kleinen Gastrobetriebe auf der Wiesn langen bei Reservierungen besonders hin. Tourismuschefin Weishäupl verlangt mehr Transparenz.

M. Tibudd

Es herrscht Aufregung um die begehrten Plätze in den Wiesn-Zelten und darüber, wie Wirte bei Reservierungen zulangen: Die Stadt will nun von allen Wirten schriftlich Auskunft darüber, wie sie die begehrten Plätze in ihren Zelten vergeben - und für wie viel Geld. "Wir wollen das Reservierungsgebaren der Wirte aufdecken", sagte Tourismusamts-Chefin Gabriele Weishäupl der SZ.

Wenn man die Daten erfasst habe, wolle man die Wiesn-Wirte zum Gespräch bitten, um einvernehmliche Lösungen zu finden. "Womöglich", sagt Weishäupl, "werden wir darüber nachdenken, ob wir das Thema Reservierungen künftig in die Verträge mit den Wirten aufnehmen".

Es geht indes bei dieser Angelegenheit vor allem um die Praxis bei den kleineren Wiesn-Zelten: So kostet etwa eine Reservierung im Ammer-Zelt für den Abend nach 19 Uhr 65 Euro. In der Kalbskuchl bezahlt der Gast 60 Euro. Beim Glöckle-Wirt, dem kleinsten aller Zelte, kostet ein Platz immerhin noch 51 Euro. Diese Zahlen sind auf den Internetseiten der Wirte nachlesbar. Wohlgemerkt: In keinem der Fälle ist das ein Eintrittspreis.

Für dieses Geld können die Gäste Bier und Speisen konsumieren. Auch die Wirte der großen Zelte verlangen mit der Reservierung auf diese Weise einen Mindestumsatz. Allerdings ist hier der Gegenwert von zwei Maß Bier und einem halben Hendl üblich - was in diesem Jahr etwa 27 Euro bedeutet.

Ausgelöst hat diese Aufregung Grünen-Stadträtin Lydia Dietrich. Diese hatte am Donnerstag per Stadtratsanfrage auf die abendlichen Reservierungspreise aufmerksam gemacht. Zu den 65 Euro für die Zeit nach 19 Uhr machte sie diese Rechnung: "Das entspricht einem Konsum von sieben Maß Bier oder einem Essen und fünf Maß Bier innerhalb von vier Stunden!" Ihre rhetorische Frage deswegen: "Wucherpreise für Tischreservierungen auf der Wiesn?"

Diesem Eindruck möchte Hanns-Werner Glöckle entgegenwirken. Der Sprecher der kleineren Wirte auf der Wiesn wirbt vielmehr um Verständnis: "In den kleinen Zelten haben wir, relativ gesehen, viel höhere Fixkosten", sagt Glöckle. Der Aufbau sei verhältnismäßig teuer, außerdem müsse ein kleinerer Wirt mehr Personal pro Gast beschäftigen als ein großer: "In meinem Zelt mit nur 100 Plätzen brauche ich abends drei Köche, damit es schnell vorwärts geht", sagt Glöckle. "Die drei Köche könnten aber auch 300 Leute versorgen."

Gleiches gelte im Prinzip für das Sicherheitspersonal. Zudem sei man in der Regel beim Bier billiger als die großen Kollegen. Und Glöckle macht eine andere Rechnung auf als Stadträtin Dietrich: 51 Euro bei ihm für die Zeit zwischen 18 und 23.30 Uhr - das bedeute einen Konsum von gerade einmal gut neun Euro pro Stunde.

Gerechtfertigt oder nicht, Gabriele Weishäupl sieht durch solche Reservierungspraxis Grundsätzliches in Gefahr: "Wir sind in der Pflicht für den Gesamtruf der Stadt", sagt sie. Deswegen müsse man darüber nachdenken, ob man die bisherige Liberalität beibehalten könne. Andererseits: "Bisher gab es ja auch immer Leute, die die Preise bezahlt haben." Darauf pocht auch Großwirte-Sprecher Toni Roiderer: "Wir leben doch in einer freien Marktwirtschaft."

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SZ vom 07.08.2009/sonn
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