Reptilienauffangstation in München:Tierheim für Alligatoren

Schlangen, Krokodile und Echsen mitten in München: Die Reptilienauffangstation an der Uni kümmert sich um Tiere, die illegal oder nicht artgerecht gehalten werden.

Julia Häglsperger

Sind Schlangen, Echsen und Alligatoren in Not, ist Markus Baur gefragt. In der vergangenen Woche war es wieder einmal soweit. Ein Spinnenforscher hielt in einer Villa in Grafing im Landkreis Ebersberg weit über 1000 Tiere illegal. Baur, Leiter der Reptilienauffangstation München, fand dort schockierende Umstände vor: Im Badezimmer waren Alligatoren in einer kleinen Plastikwanne, kaum größer als sie selbst, untergebracht. Viele der Tiere waren nicht artgerecht gehalten, einige abgemagert und krank.

Reptilienauffangstation in München: Ein besonders auffälliges Exemplar: Das giftig-leuchtende Gelb dieser Lanzenotter, die aus einer illegalen Privathaltung stammt, sticht sofort ins Auge.

Ein besonders auffälliges Exemplar: Das giftig-leuchtende Gelb dieser Lanzenotter, die aus einer illegalen Privathaltung stammt, sticht sofort ins Auge.

(Foto: Foto: Häglsperger)

Nun musste rasch gehandelt werden. 60 Reptilien wurden sofort in die Reptilienauffangstation in der Kaulbachstraße gebracht, um sie dort medizinisch zu versorgen. Weitere Säugetiere und Vögel wurden von Tierheimen aufgenommen, einige, deren Zustand es erlaubt, bleiben noch im Haus.

Eine Entscheidung der Behörden über das weitere Vorgehen muss abgewartet werden, denn bisher streitet der Angeklagte ab, der Halter der Tiere zu sein. Dieser soll sich im Moment in Norddeutschland aufhalten, aber demnächst in Ebersberg vorstellig werden. Da der Angeklagte aber bereits wegen Tierquälerei vorbestraft ist, gilt diese Aussage als zweifelhaft. Während gegen ihn nun ermittelt wird, wurde angeordnet, die pflegebedürftigen Tiere in Verwahrung zu nehmen.

"In so einem Fall muss man zuerst auf das Wohl der Tiere achten", sagt Baur, Fachtierarzt für Reptilien. Ihnen gilt in solchen Fällen immer seine größte Sorge. Während er durch die Station geht, wird klar, dass er jeden Winkel mitsamt den Bewohnern bestens kennt. Längst hat er keine Berührungsängste mehr. Kurzerhand hebt er einen Mississippialligator aus dem Wasser oder verfüttert Insekten an eine Echse. "Jetzt gehen wir in die Sauna", scherzt er und erklärt, dass damit große Terrarien für Schlangen gemeint sind, die einer Blockhüttensauna ähneln. Dort will eine Studentin gerade einer Boa constrictor Blut abnehmen, da sie für ihre Doktorarbeit forscht. Natürlich ist Baur sofort zur Stelle und hilft.

Baur ist sichtlich stolz auf die Einrichtung, bei deren Gründung er 1994 mitwirkte. Aus einer Not heraus entstand diese, als mehrere Reptilien eines Halters beschlagnahmt wurden. Schnell wurde klar, dass eine solche Einrichtung sinnvoll ist und sie beibehalten werden sollte.

"Es brennt"

Seither hat sich die Auffangstation immer weiter vergrößert und die finanziellen Möglichkeiten und Raumkapazitäten der Ludwig-Maximilian-Universität, die zuerst bereitgestellt wurden, gesprengt. Nun muss also eine andere Lösung gefunden werden. Die Station möchte selbständig werden. Dies ist auch nötig, da die Universität sich mit ihren Geldern primär der Forschung und Lehre widmen muss.

Der Tierschutzsprecher des Landtages hat sich nun dafür eingesetzt, dass der Freistaat Bayern die Reptilienauffangstation fortan unter seine Fittiche nimmt. Das Geld soll dann aus dem Wissenschafts-, dem Umwelt- und dem Innenministerium fließen. Der Etat im Detail soll bis spätestens Ende September geregelt werden.

"Es brennt", drängt Baur, denn nur eine schnelle Entscheidung garantiere das Fortbestehen der Einrichtung. In einem geplanten Neubau, mit vier Stellen für Tierärzte und zwei neuen Tierpflegern, wäre dann eine gute Versorgung der Tiere gewährleistet. "Denn was hilft eine Reptilienauffangstation, wenn sich die Tiere in Schachteln stapeln", kritisiert Baur.

Die Leidenschaft für Reptilien liegt wohl in der Familie. Bereits sein Großvater fand diese Tiere faszinierend und hielt Kreuzottern. Er selbst bekam mit vier Jahren seine erste Schildkröte. Sein Vater hatte eine Griechische Landschildkröte auf der Straße gefunden und schenkte sie seinem Sohn. Er taufte sie Max und kümmerte sich fortan um sie. Kein Wunder, dass er zum Abschluss seines tiermedizinischen Studiums die Doktorarbeit auch diesen Tieren widmete.

"Je mehr man sich auf Reptilien einlässt, umso faszinierender sind sie", schwärmt er. Dass Exotentierhalter generell mit Misstrauen beäugt werden, hält er für absolut falsch. "Viele Leute halten sie für Irre. Sie sind oft zu Unrecht ein beliebtes Opfer, denn der Trend geht zu pflichtbewusster, artgerechter Haltung", sagt Baur. Immer mehr Reptilienbesitzer beschäftigen sich intensiv mit dieser Tierart. Dies zeigt beispielsweise die Nachfrage für Fachliteratur. In den achtziger Jahren gab es lediglich eine Fachzeitschrift, heute aber gibt es eine breite Auswahl.

Es ist wahrscheinlich auch auf das schlechte Image der Exotentierhalter zurückzuführen, dass Mitarbeiter der Auffangstation ab und an von misstrauischen Nachbarn in Wohnungen gerufen werden, in denen es den Tieren aber bestens geht. "Man sollte Tierhaltung, vor allem von exotischen Tieren, nicht per se verurteilen", sagt Baur. Wichtig sei eben, dass die Halter das nötige Wissen über die artgerechte Haltung haben und sich an die Vorgaben halten. Nur so könne man verhindern, dass Fälle wie in Grafing vorkommen.

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