Repair-Cafes und Schülerwerkstatt:Eine menschheitliche Grundpraxis

Lesezeit: 2 Min.

Einfach mal zum Lötkolben greifen. Schülerinnen in der Reparatur-Werkstatt der Waldorfschule Schwabing (Foto: Hannes Rohrer)

Repair-Cafés liegen im Trend: Hier treffen ehrenamtliche Helfer auf Hilfesuchende - gemeinsam macht man Reparaturbedürftiges wieder gebrauchsfähig

Von Barbara Hordych

"Das Buch von Herrn Heckl gab tatsächlich den Anstoß, unser Repair-Café zu gründen", sagt Brigitte Fingerle-Trischler. Sie ist Mitglied im Vorstand der Mohr-Villa in Freimann und regte an, die Reparaturwerkstatt einmal im Monat im Kulturzentrum zu etablieren. "Uns eint die Überzeugung, dass viele Dinge einfach viel zu früh auf dem Müll landen, weil niemand den Versuch macht, sie zu reparieren", sagt Fingerle-Trischler, die das Repair-Café koordiniert. Abgesehen vom praktischen Nutzen gehe es dabei um die Wiederbelebung einer "Kultur der Reparatur" und einen bewussten Umgang mit den weltweit begrenzten Ressourcen, wie sie Wolfgang Heckl, der Autor des besagten Buchs fordere. Dass er seinerzeit zur Eröffnung persönlich erschien, freute sie besonders. Gut sieben Jahre ist das jetzt her. Die meisten der heute bis zu zwanzig ehrenamtlichen Reparateure sind Techniker, beispielsweise von der Amateurfunkgruppe, darüber hinaus sind Feinmechaniker und Experten und Expertinnen für Schmuck und Holzarbeiten mit von der Partie.

Ein Plattenspieler und viele Reparateure - immerhin in gut der Hälfte aller Fälle können sie in der Mohr-Villa behilflich sein. (Foto: Mohr-Villa Freimann e.V.)

Hauptsächlich würden die Hilfesuchenden elektrische Haushaltsgeräte vorbeibringen, wie Staubsauger, Handmixer, Toaster und Lampen, erzählt sie. "Aber es kommen auch Besucher, die einen geliebten Milchtopf mitbringen, bei dem der Henkel anzukleben ist". Das sind Geschichten, die man bei den Terminen erfahre, denn die Repair-Cafés sind immer auch soziale Orte, betont Fingerle Trischler. Wie sieht es mit der Erfolgsquote aus? "Bei 15 bis 25 Reparaturen pro Termin können wir in mehr als der Hälfte der Fälle etwas unternehmen, damit sie wieder funktionieren", sagt Fingerle-Trischler. Der nächste Termin in der Mohr-Villa ist Samstag, 13. November, 10-13 Uhr.

Im Haus der Eigenarbeit in Haidhausen entstand das erste Repair-Café in München

Ähnliche Konzepte verfolgen auch die etwa 20 anderen Reparatur-Werkstätten in der Großregion München. Die erste Einrichtung dieser Art in München war übrigens 2012 das Repair-Café im Haus der Eigenarbeit in Haidhausen, das damit den Anstoß zu einer ganzen Gründungswelle von Reparaturinitiativen in der Stadt und der Region gab. Sie fungieren als Treffpunkt für alle, die das Know-how für Reparaturen oder Sachen zum Reparieren mitbringen. Freiwillige Helfer an den Reparaturtischen sind immer willkommen. Einen Überblick über alle Repair-Café-Angebote in München und der Region gibt es auf der Plattform www.reparatur-initiativen.de oder beim Abfallwirtschaftsbetrieb München.

Ein Konzept mit Nachahmern: Upcycling an der Schwabinger Waldorfschule

Weniger wegwerfen, mehr Dinge erhalten und dadurch länger nutzen: In der weltweit ersten Schüler-Reparaturwerkstatt an der Rudolf-Steiner-Schule in Schwabing widmen sich seit 2016 Schülerinnen und Schüler aller Altersstufen ein- bis zweimal pro Woche defekten Gegenständen, vor allem Elektrogeräten, begleitet werden sie dabei von einer Lehrkraft und ehrenamtlichen Reparaturanleitenden. Die Reparatur ist für Besucher, auch von außerhalb, kostenlos, lediglich die Kosten für Ersatzteile müssen bezahlt werden. "Ich bin von Anfang an dabei, der Mathematiklehrer Walter Kraus holte mich zur wissenschaftlichen Begleitung hinzu, als er das Konzept der Schülerwerkstatt entwickelte", sagt die Soziologin und Pädagogin Claudia Munz. "Man repariert eben viel mehr als nur die Oberfläche, wenn man einen Toaster repariert", lautet ihre Erfahrung. Sie habe untersucht, was es pädagogisch bringe, kaputte Dinge wieder zu reparieren. Es sei "eine menschheitliche Grundpraxis", die Tausende von Jahren zurückreicht. "Glauben Sie etwa, ein Steinzeitmensch hätte ein Werkzeug komplett weggeworfen, nur weil der Stiel kaputt war?", sagt sie. Umso bedauerlicher sei es, dass diese Fertigkeiten im Laufe der Geschichte sogar abgewertet wurden, "man denke nur an Begriffe wie Flickschusterei", sagt Munz. Es ist ein Projekt, das Schule macht: Inzwischen haben Schulen in Bayern, aber auch deutschlandweit das Konzept aufgegriffen. Beispiele sind die Waldorfschule in Ismaning, die Montessori-Schule im Olympiapark, ein Gymnasium in Braunschweig. "Es ist uns ein Anliegen, das Ausbildungskonzept auch im außerschulischen Bereich zu verankern - damit nicht nur Schüler und Eltern von privilegierten Privat-Schulen damit in Berührung kommen", sagt Munz. Schon vor Corona war mit dem Haus der Eigenarbeit ein Konzept erarbeitet worden, um dort einen Schnupperkurs zu installieren. Durch Corona lag das Projekt brach, jetzt wird es wieder angeschoben. Informationen unter: www.schueler-reparaturwerkstatt.de.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: