Renaturierung der Isar:Elf Jahre für acht Kilometer

Das Finale eines 35-Millionen-Projekts: Der Stadtrat entscheidet über die Pläne für einen neuen Seitenarm der Isar.

M. Ruhland

Es war der politisch umstrittenste Abschnitt, und die Ausführung ist technisch heikel: Nach jahrelanger Vorarbeit von Ingenieuren und Wasserbauern, nach einem Architektenwettbewerb und zahllosen Diskussionen in den Bezirksausschüssen und Stadtratsfraktionen liegen nun die Pläne für das Finale der Renaturierung der Isar vor.

Renaturierung der Isar: Zwischen Weideninsel und Deutschem Museum steht nun der letzte Bauabschnitt der Isar-Renaturierung an.

Zwischen Weideninsel und Deutschem Museum steht nun der letzte Bauabschnitt der Isar-Renaturierung an.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Im Bereich zwischen der in diesem Jahr vollendeten Weideninsel südlich der Reichenbachbrücke und dem Deutschen Museum wird der Fluss aufgeweitet und bekommt einen neuen Seitenarm. An seiner Ostseite entsteht eine ganze Reihe von Sitztreppen aus Kalkstein. Mit dem Umbau des Isarbetts erhält das Biotop der Kleinen Isar östlich der Museumsinsel künftig mehr Wasser. Bislang existierte eine unterirdische Rohrleitung, nur bei Hochwasser überspülte die Isar das Corneliuswehr.

Am morgigen Dienstag behandelt der Bauausschuss den letzten Bauabschnitt des Isarplans. Stimmt er dem 6,5-Millionen-Euro-Projekt zu, dauert es noch Monate, bis die Bagger ans Bett der Isar vorrücken. Denn vorher muss die Stadt die einzelnen Teilarbeiten öffentlich ausschreiben. Voraussichtlich im Oktober 2010 beginnen die Bauarbeiten. Im Frühsommer 2011 soll das dann elf Jahre währende Großprojekt abgeschlossen sein.

Hochwasserschutz, Erhalt der Artenvielfalt und mehr Freizeitwert

Die Partner Stadt München und Freistaat Bayern verfolgen mit der auch international beachteten Renaturierung drei Ziele: Ein besserer Schutz vor Hochwasser wird durch die Verstärkung der Deiche erzielt, außerdem kann schlichtweg mehr Wasser abfließen, seit die Hochwasserwiesen tiefer gelegt wurden. Eine naturnahe Isar mit einem freier fließenden Fluss bietet Lebensraum für mehr Arten. Und die dritte Intention ist ein höherer Freizeitwert - die Ufer wurden abgeflacht, die Münchner können wieder näher an ihren Fluss heran.

Statt der ursprünglich avisierten 28 Millionen Euro Gesamtkosten fließen am Ende wohl knapp 35 Millionen Euro in das Projekt, das im Jahr 2000 an der Großhesseloher Brücke begann. Die Verteuerung hätten allein die Altlasten in den Isarwiesen verschuldet, sagt Klaus Arzet, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes. "Das konnte man zu Beginn der Maßnahme gar nicht abschätzen."

Rund acht Millionen Euro mussten Stadt und Freistaat, die sich den Aufwand teilen, in die Untersuchung und anschließende Entsorgung des Erdreiches stecken. Im Jahre 1940 hatte ein verheerendes Hochwasser das Bett der Isar und Teile der Hochwasserwiesen ausgespült. In den letzten Kriegsjahren landete dort tonnenweise Schutt und der ein oder andere Blindgänger.

Bis in die Gegenwart hatte sich bis zu einem halben Meter Oberboden darüber gebildet, erklärt Daniela Schaufuß, im städtischen Baureferat für den Isarplan zuständig. Beim Abgraben kam alles wieder zu Tage und musste nach den strengen Abfallrichtlinien behandelt werden. Ein Sprengmittelmeister schaute sich jede Baggerschaufel an, ein Entsorgungsspezialist entschied, auf welcher Deponie der Isar-Abraum landete.

Dass die Renaturierung der acht Flusskilometer nun ein Jahr länger dauert als geplant, liegt aber nicht an dem belasteten Erdreich. Vielmehr ist die Stelle zwischen Reichenbachbrücke und Museumsinsel für die Wasserbauingenieure eine Herausforderung. Bisher wurde die Kleine Isar unterirdisch mit Wasser versorgt, eine relativ einfache, wenngleich künstliche Lösung.

"Insgesamt ist die Renaturierung eine tolle Leistung"

Entsteht der neue Seitenarm, der südlich der Reichenbachbrücke abzweigt, stellen sich plötzlich ganz neue Fragen. Was passiert bei einem größeren Hochwasser? Bekommt die Kleine Isar zu viel Geschiebe ab, also Kies und Sand? Wird das Biotop, in dem Biber, Eisvogel und Wasseramsel mitten in der Stadt leben, regelrecht "zusedimentiert", wie Klaus Arzet das nennt. Und läuft dann dem Deutschen Museum das Wasser von Südosten her in die Keller?

Wichtige Fragen, welche die Planer mit Hilfe der TU München zu beantworten suchten. Sie baute in ihrer Versuchsanstalt in Obernach am Walchensee Modelle im Maßstab 1: 20. So konnten sie die Strömungsverhältnisse nachbilden, sehen, wohin wie viel Material transportiert wird. Weil sich die Isar in München zudem zwischen Wittelsbacher- und Reichenbachbrücke seit dem Hochwasser 2005 um eineinhalb Meter eingetieft hat, mussten weitere Berechnungen her. "Wir haben die Modellversuche doppelt gefahren mit der Isarsohle 1996 und 2006 - das dauerte entsprechend länger", sagt Daniela Schaufuß.

Nun ist alles fertig, und auch der frühere Streit um eine urbane oder möglichst naturnahe Gestaltung der Isar beigelegt: Es wird viele Sitzquader geben, die die Spaziergängern zum Verweilen einladen. "Ich habe mich damit abgefunden", sagt Rolf Renner, Sprecher der Isar-Allianz, zu der sich 1993 zwölf Verbände und Vereine zusammengeschlossen haben. Der begeisterte Kanute hätte sich eine Gestaltung mit mehr Grün und weniger Beton gewünscht. Er weiß aber auch um die Pflichten der Stadt, beispielsweise die Brücken zu sichern. Alles in allem ist er nicht unzufrieden mit dem Gesamtprojekt Isarplan. "Insgesamt ist die Renaturierung eine tolle Leistung."

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