Süddeutsche Zeitung

Uhrmacherhäusl:Der Fall "müsste jedem die Zornesröte ins Gesicht treiben"

  • Das Uhrmacherhäusl in Obergiesing stand unter Denkmalschutz und wurde im September 2017 illegal abgerissen.
  • Bei einem Treffen mit Anwohnern und Aktivisten von "Heimat Giesing" sagt OB Reiter, er wolle einen Brief an die Verwaltungsgerichtspräsidentin schreiben, weil nichts vorwärts geht. Der Eigentümer hatte gegen eine Verfügung der Stadt Klage eingereicht.
  • Zudem soll die Staatsanwaltschaft prüfen, ob dem Eigentümer des Hauses strafrechtliche Schritte drohen.

Von Elisa Britzelmeier

Er ist immer noch auf ihrer Seite - und er wird langsam ungeduldig: Das sind die Botschaften, die Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) bei den Obergiesingern anzubringen versucht. Er ist in die Obere Grasstraße gekommen, zu den Überresten des Uhrmacherhäusls, um sich mit Anwohnern und Aktivisten der Initiative "Heimat Giesing" zu treffen. Hinter ihm verbirgt sich unter Abdeckungen, was übrig ist von dem Häuschen, das im September 2017 illegal abgerissen wurde. Zwischendrin ein Kreuz, "unvergessen" steht darauf, dahinter hängt ein Transparent, daneben Zeitungsartikel und Schilder. "Gier zerstört" steht darauf und "Empört euch".

Empört haben sie sich, in Obergiesing und weit darüber hinaus. Und bei einigen ist die Empörung längst nicht vergangen. Nach wie vor hält "Heimat Giesing" monatliche Mahnwachen in der Oberen Grasstraße ab. Etwa 25 waren sie vergangenes Mal, trotz des Schneetreibens, erzählt Angelika Luible. Sie hat das Treffen mit OB Reiter organisiert, zu dem am Donnerstagnachmittag etwa 60 Menschen gekommen sind. Einige haben sich Wimpel angeheftet, die an Traueranzeigen erinnern.

Gleich zu Beginn würdigt Reiter ihr Engagement, "das nun endlich auch Früchte tragen muss". Deswegen wolle er einen Brief an die Verwaltungsgerichtspräsidentin Andrea Breit schreiben. Er wolle eine Begründung hören, dafür, dass anscheinend nichts vorwärts geht. "Es gibt keinen Anhörungstermin, es gibt keine Begründung, es ist einfach nichts passiert", sagt er. Es müsse eine Entscheidung getroffen werden - auch wenn unklar sei, wie die dann aussehe. Von den Anwesenden bekommt er dafür Applaus. "Es ist einfach der Wahnsinn, dass ihr hier seid und durchhaltet", ruft er, und: "Es kann nicht im Sande verlaufen, solange ihr hier so tapfer und fleißig seid."

Die Stadt hatte nach dem illegalen Abriss verfügt, dass das Gebäude im Originalmaßstab wiederaufgebaut wird. Dagegen reichte der Eigentümer vor dem Verwaltungsgericht Klage ein. Zudem befasst sich derzeit die Staatsanwaltschaft mit dem Fall. Sie soll prüfen, ob dem Eigentümer des Hauses strafrechtliche Schritte drohen. Erst wenn das nicht der Fall sei, werde die Stadt ein Bußgeld verhängen, sagt Reiter in der Oberen Grasstraße. Schon früher hatte er bekräftigt, dass die Stadt keine Kompromisse eingehen werde. "Dass es strafrechtlich relevant ist, wäre mir am liebsten, weil die abschreckende Wirkung stärker ist." Das betont auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Gülseren Demirel, die sich unter die Menge gemischt hat. Immer wieder haben sich Politiker in Giesing gezeigt und Verständnis für die Anliegen der Bürgerinitiative geäußert. Reiter sagt, der Fall "müsste jedem die Zornesröte ins Gesicht treiben, egal bei welcher Partei".

Hinterher zeigen sich die Anwesenden froh, dass der OB da war, aber wirklich zufrieden sind sie natürlich nicht. "Für uns war der Besuch wichtig", sagt Angelika Luible. Andere Anwohner haben nicht wirklich verstanden, warum alles so lange dauert. Einer sagt, den nun angekündigten Brief hätte Reiter doch auch schon vor einem halben Jahr schreiben können. Michael Mieslinger, der seit Monaten mitprotestiert, sagt: "Wir geben nicht nach."

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SZ vom 01.02.2019/smb/ebri
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