Reisen in die USA:Was Trumps Einreiseverbot für Münchner bedeutet

Shahrzad Osterer ist BR-Journalistin und Iranerin; sie kann nun mit ihrer Familie nicht zur Hochzeit ihrer Cousine in L.A. im Mai fliegen. Menschen in München, die von Trumps Einreiseverbot betroffen sind.

Im Mai wollte Shahrzad Osterer mit ihrer Familie zur Hochzeit einer Cousine nach Los Angeles fliegen. Nun haben sie die Reise abgeblasen.

(Foto: Florian Peljak)

Sie müssen Flüge zur Hochzeit stornieren, die Teilnahme an einer Konferenz oder Familientreffen absagen: Für viele Menschen hat Trumps Dekret weitreichende Konsequenzen.

Von Anna Hoben

Alles war vorbereitet, nur das Visum fehlte noch. Im April wollte Morteza Sharezaya zu einer Konferenz von Politikwissenschaftlern nach Chicago fliegen. Vergangenen Dienstag hätte der 28-jährige Doktorand seinen Interviewtermin im US-amerikanischen Generalkonsulat gehabt. Doch drei Tage zuvor erhielt er eine Mail. "Ihr Termin ist abgesagt", hieß es darin. Am nächsten Tag, wie zur Bekräftigung, noch ein Schreiben. "Falls Sie ein Staatsbürger eines dieser Länder sind und schon einen Termin ausgemacht haben, bitte NEHMEN SIE IHN NICHT WAHR."

Am Mittwochabend stand Shehrazaye zusammen mit etwa 200 weiteren Demonstranten vor dem amerikanischen Konsulat und protestierte. Gegen das Dekret, mit dem Präsident Trump Millionen Menschen die Einreise in die USA verbietet. Auf Schildern stand geschrieben: "Das Verbot ist unmoralisch", "Null Toleranz für Intoleranz" und "Ich wünschte, es wäre ein alternativer Fakt, dass Trump Präsident ist". Der twitterte am selben Tag: "Alle streiten darüber, ob es ein Verbot ist oder nicht. Nennt es, wie ihr wollt, es geht darum, schlechte Menschen (mit schlimmen Absichten) aus dem Land zu halten."

In München leben, Stand Ende Dezember 2015, mindestens 17 589 Menschen, die einen Pass eines der sieben von dem Erlass betroffenen, mehrheitlich muslimischen Länder besitzen. Viele von ihnen hatten für die kommenden Wochen und Monate Reisen in die USA geplant, vier von ihnen erzählen hier ihre Geschichte. Schlimme Absichten? Nun, eine wollte die Hochzeit ihrer Cousine besuchen, einer hatte sich gefreut, nach Jahren seine Schwester zu sehen. Und Morteza Sharezaya? Er hätte sich auf der Konferenz in Chicago gern mit anderen Politikwissenschaftlern ausgetauscht. In seiner Arbeit beschäftigt er sich, passend zum Twitter-Präsidenten Trump, mit sozialen Medien und Politik.

Hochzeit gestrichen

Shahrzad Osterer, 32, Journalistin: "Vor acht Monaten hat meine Cousine den Termin ihrer Hochzeit bekanntgegeben: der 13. Mai. Wir haben sofort die Flugtickets gebucht. Ich habe meine Cousine seit 13 Jahren nicht gesehen und bin noch nie in den USA gewesen. Ein Teil meiner Familie lebt in Los Angeles, ein Teil in Australien und ein anderer Teil in Europa. Zum ersten Mal seit Langem hätten viele von uns sich wieder getroffen. Nach der Hochzeit wollten wir noch ein paar Städte besuchen: San Francisco und San Diego. Ich war dabei, die Formulare auszufüllen und wollte gerade einen Termin im amerikanischen Konsulat ausmachen, als meine Cousine mir einen Link zu einer Reuters-Nachricht schickte.

Protest gegen Politik von Donald Trump vor US-Konsulat in München, 2017

Am Mittwochabend protestierten rund 200 Menschen in München gegen Trumps Einreiseverbot.

(Foto: Robert Haas)

Darin waren die Pläne für das Dekret beschrieben. Meine Cousine sagte noch, mal schauen, ob das überhaupt stimmt, aber ich dachte mir schon, Reuters, klar stimmt das. Am nächsten Tag hat Trump das Dekret erlassen, da kam die Ernüchterung. Es war ein Schock - nicht nur, dass ich nicht in die USA kann, sondern auch, dass so etwas überhaupt möglich ist. Meine Cousine hat geweint, ich habe geweint. Meine Geschichte wurde allerdings zweitrangig, als ich von iranischen Freunden gehört habe, die an Flughäfen fest hingen. Eine Freundin wollte über Dubai in die USA, sie durfte nicht ins Flugzeug einsteigen. Ich empfinde das als rassistisch. Trump spielt mit Menschenleben.

Als Iranerin frei zu reisen, war noch nie einfach. Es gibt immer Einschränkungen und Formulare mit Fragen wie ,Können Sie eine Bombe bauen?' Dazu kommt, dass mein Mann aus Israel stammt. Seine Familie lebt dort. Wir wollten hinfliegen, es scheiterte am Visum. Seine Oma ist 93 Jahre alt, sie hat mich und unsere zweijährige Tochter, ihre Enkelin, noch nie gesehen. Die Herkunft, ein Stück Papier, entscheidet über mein Leben. Auf Persisch nennen wir das ,geografische Willkür'. Auf dem Papier bin ich muslimisch, aber ich lebe überhaupt nicht religiös. Mein Mann ist Jude, wir finden es schön, unserer Tochter beide Traditionen nahezubringen. Wir feiern iranische und jüdische Feiertage.

Den Flug haben wir noch nicht abgesagt. Wenn die drei Monate vorbei sind und falls das Dekret nicht verlängert wird, bleiben uns nur wenige Tage übrig. In der Zeit werden wir es nicht schaffen, ein Visum zu beantragen. Ich bin nicht optimistisch, dass sich die Situation ändert. Auch danach würde ich mich überhaupt nicht trauen, ein Visum zu beantragen. Was, wenn wir am Flughafen in Los Angeles ankommen und sie uns nicht reinlassen?"

Konferenz abgesagt

Morteza Sharezaya, 28, Doktorand: "Im April wollte ich zu einer Konferenz nach Chicago fliegen, die dortige Universität hatte mich eingeladen. Ich promoviere an der TU, genauer gesagt an der Hochschule für Politik, im Fach Politikwissenschaft. Am Dienstag hätte ich meinen Interviewtermin im Konsulat gehabt. Doch kurz davor kam eine SMS, dann eine Mail: Der Termin müsse ausfallen, stand darin. Ich bin nicht wütend, es ist ja nicht so, dass ich unbedingt zu dieser Konferenz gehen muss. Aber eine große Enttäuschung ist es schon.

Reisen in die USA: Der Doktorand Morteza Sharezaya wollte eine Konferenz in Chicago besuchen.

Der Doktorand Morteza Sharezaya wollte eine Konferenz in Chicago besuchen.

(Foto: privat)

Vor zwei Jahren habe ich schon einmal an dem Kongress teilgenommen. Ich habe auch Verwandte in den USA, aber die wollte ich diesmal nicht besuchen. Der Plan war, nur eine Woche zu bleiben. Nun habe ich die Uni informiert, dass ich nicht komme. Andere Leute, die ich kenne, sind noch schlimmer dran. Sie haben Zusagen zum Studium von Hochschulen, manche hatten auch schon ihre Visa. Jetzt liegt alles auf Eis. Ich selbst komme aus Teheran und lebe seit vier Jahren in Deutschland: ein Jahr in München, davor war ich in Bonn."

"Und als nächstes?"

Roya Klingner, 46, Bildungsberaterin: "Die Sache macht mich ernsthaft nachdenklich und nervös. Es ist beängstigend. Trump ist eine unberechenbare Person. Meine Gefühle kann ich kontrollieren, aber ich frage mich: Was kommt als nächstes? Jeden Morgen schalte ich den PC ein, und wieder gibt es etwas Neues. Im September findet in Indianapolis die Hochzeit meiner einzigen Nichte statt, jetzt weiß ich nicht, ob ich hinfliegen kann. 80 Prozent meiner Familie sind vor der Islamischen Revolution in die USA ausgewandert, sie leben dort teilweise seit 40 oder 50 Jahren. Und zwar im ganzen Land verteilt, von Ost bis West: in Washington D.C. und Baltimore, in Indiana, Kentucky, Seattle, Kalifornien. Es sind alles sehr gebildete Leute, fast meine ganze Familie ist im wissenschaftlichen Bereich tätig.

Reisen in die USA: Roya Klingner hat Verwandte in den USA und ist immer wieder beruflich dort.

Roya Klingner hat Verwandte in den USA und ist immer wieder beruflich dort.

(Foto: privat)

Meine Kindheit war von der Islamischen Revolution geprägt. Als Jugendliche bin ich 1986 von Teheran nach Wien gekommen, seit zehn Jahren lebe ich in Freising. In München leite ich ein von mir selbst gegründetes Zentrum für hochbegabte Kinder. Ich besitze die iranische und die österreichische Staatsbürgerschaft. In den USA war ich schon oft, mit meinem österreichischen Pass, Probleme hat es nie gegeben. Vor 20 Jahren habe ich auch mal in Indianapolis gelebt, meine Tochter ist da zur Schule gegangen. Es war nie ein Thema, dass wir aus Iran stammen.

Das letzte Mal war ich 2014 in den USA, ich habe Verwandte getroffen und eine Konferenz besucht. Das kommt noch dazu: Auch beruflich habe ich nun ein Problem. Der wissenschaftliche Austausch zu meiner beruflichen Tätigkeit findet natürlich vor allem in Amerika statt. Im August will ich eigentlich zu einer Konferenz in Chicago, bei der es um die emotionalen Bedürfnisse von hochbegabten Kindern geht. Ob aus der Reise etwas wird, weiß ich nicht. So viele Leute sagen jetzt: ,Es tut mir leid, er ist nicht mein Präsident.' Da frage ich mich: Wer hat ihn denn gewählt?"

Geplatzter Traum

Sina, 32, Projektmanager, er möchte anonym bleiben:

"Ich hatte einen Traum - irgendwann in die USA auswandern und im Silicon Valley mein eigenes Unternehmen starten. Das Einreiseverbot bedeutet auch, dass ich ganz neu darüber nachdenke. Ich mag München, und ich mag Deutschland. Vielleicht werde ich meinen Traum hier verwirklichen. Wenn ich irgendwann Kinder habe, will ich nicht, dass sie in einem rassistischen Amerika aufwachsen.

Ich bin 1984 geboren, mitten im Ersten Golfkrieg. 2011 habe ich Iran verlassen, meine Familie musste dafür eine Kaution von 15 000 Dollar bezahlen, weil ich keinen Militärdienst geleistet habe. Ich bin zunächst nach Lissabon gegangen, habe dort promoviert und arbeite seit März 2016 in München. Meine Schwester lebt in Ohio, ich habe sie seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Erst wollte ich sie über Weihnachten besuchen, aber da hat sie nicht frei bekommen.

Shahrzad Osterer ist BR-Journalistin und Iranerin; sie kann nun mit ihrer Familie nicht zur Hochzeit ihrer Cousine in L.A. im Mai fliegen. Menschen in München, die von Trumps Einreiseverbot betroffen sind.

Am Tablet zeigt Shahrzad Osterer, die seit 2004 in Deutschland lebt, Fotos von ihrer Verwandtschaft in den USA.

(Foto: Florian Peljak)

Also haben wir den Besuch auf März geschoben. Ich wusste, es dauert eine Weile, bis man das Visum bekommt, also habe ich mich frühzeitig gekümmert. Am 8. November war mein Termin im Konsulat. Es gab viele seltsame Fragen, zum Beispiel sollte ich beweisen, dass ich keinen Militärdienst gemacht habe. Doch im Januar hieß es schließlich, das Visum sei fertig. Am Montag hätte es ausgestellt werden sollen, doch das Einreiseverbot kam dazwischen. Meinen Flug hatte ich schon gebucht, ich habe ihn jetzt abgesagt, die Lufthansa hat mir das Geld erstattet.

Ich hätte gern meiner Schwester einen Flug nach Deutschland bezahlt, doch wir haben Angst, dass sie dann nicht mehr in die USA kann. Was soll das alles? Leute wie wir haben doch mit der Regierung unseres Landes nichts zu tun. Wir sind keine praktizierenden Muslime. Wir haben keine Zukunft in Iran. Die USA hassen uns, Iran hasst uns. Und Trump kann offenbar machen, was er will, solange es im Namen der nationalen Sicherheit ist. Ich traue mich nicht mehr, politische Dinge auf Facebook zu posten. Lieber poste ich unverfängliche Witze - und verhalte mich still.

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