Tourismus:Reisender kann seinen Flug trotz gültigem Ticket nicht antreten

Tourismus: Jürgen Schmude dachte, er hätte eine relativ unkomplizierte Reise nach Italien gebucht. Da irrte er.

Jürgen Schmude dachte, er hätte eine relativ unkomplizierte Reise nach Italien gebucht. Da irrte er.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • LMU-Professor Jürgen Schmude will zu einer Exkursion nach Italien aufbrechen, von München direkt nach Brindisi fliegen.
  • Sein Ticket ist gebucht, doch die Verbindung wird nicht mehr bedient - Schmude ist gestrandet.
  • Am Flughafen und bei verschiedenen Hotlines wird ihm nicht geholfen, zwei Fluggesellschaften schieben sich gegenseitig die Schuld zu.

Von Stefan Salger

Jürgen Schmude kennt sich aus mit Reisen und mit aufstrebenden Wirtschaftsunternehmen. Der 61-Jährige ist Professor am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeografie und Tourismusforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität, eines seiner Spezialgebiete ist zudem die Gründungsforschung.

Ausgerechnet am 1. April, einem Samstag, betritt er buchstäblich wissenschaftliches Neuland: Er lernt, dass auch ein gültiges Flugticket mitnichten bedeutet, dass es den dazugehörigen Flug gibt. Und er kommt zu der Erkenntnis, dass die italienische Fluglinie Alitalia dem Kreis aufstrebender Wirtschaftsunternehmen eher nicht zuzurechnen ist.

An jenem Samstagabend steht Schmude ratlos vor dem Schalter. Auf dem Alitalia-Ticket, das seine Sekretärin Anfang des Jahres online gekauft hat, ist klar zu lesen: Abflug München: 19 Uhr, Ankunft Brindisi: 20.45 Uhr. Einen solchen Flug hat Schmude bereits 2015 gebucht, alles lief damals ohne Probleme. Auch diesmal warten in Brindisi wieder 13 Master-Studenten und der wissenschaftliche Assistent.

Die zwölftägige Exkursion durch die Region Apulien am Stiefelabsatz Italiens beginnt offiziell Samstagabend um 21 Uhr. Alle reisen selbst an, am Flughafen in Brindisi stehen zwei gemietete Kleinbusse zur Abholung bereit, um damit in die Unterkunft bei Torchiarolo zu gelangen - eines der Fahrzeuge ist auf Schmudes Namen gebucht und muss von diesem persönlich abgeholt werden. Am Sonntagmorgen sind bereits lokale Führer engagiert. In der Woche soll es beispielsweise um Kreuzfahrt- sowie um Thermal- und Gesundheitstourismus gehen. Alles scheint perfekt organisiert und genau getimt.

Am Flughafen München aber steht Schmude ratlos vor der großen Anzeigetafel und sucht vergeblich das Ziel seines Direktflugs. Kein Brindisi weit und breit, kein Flug mit der Nummer AZ 481, den angeblich Air Berlin im Auftrag des Verbundpartners Alitalia übernimmt. Am Air-Berlin-Schalter erfährt Schmude, dass er erstens ein gültiges Ticket in Händen hält, aber zweitens der dazugehörige Direktflug nach Brindisi bereits vor vielen Monaten aus dem Flugplan genommen wurde.

Keine Hilfe in der Warteschleife

Weil weder Air Berlin noch Alitalia am Flughafen München über einen zuständigen Ansprechpartner, ein Büro oder eine Servicestelle verfügen, versucht der zunehmend nervöse Exkursionsleiter mehrmals, die Hotline von Alitalia in Frankfurt und Rom zu erreichen. Niemand hebt ab. Bei Air Berlin vertröstet ihn eine Warteschleife. An einem Schalter, der sich um Problemfälle aller Art kümmert, heißt es, er solle sich im Internet bei Air Berlin beschweren.

Und wie ist das mit Brindisi? Mit Alitalia könne er über Rom fliegen, Landung in Brindisi: Sonntag, 22.30 Uhr. Schmude lehnt ab und ersteht ein Oneway-Ticket von Air Dolomiti, das mehr kostet als Hin- und Rückflug des ursprünglichen Tickets. Am Sonntagvormittag erreicht er Bari. Sein Assistent holt ihn ab und bringt ihn in die 120 Kilometer entfernte Unterkunft. "Die Krönung ist, dass ich für den Rückflug zwar wieder ein gültiges Ticket habe, es den aber auch nicht gibt", sagt Schmude. Deshalb hat er sich mittlerweile erneut ein Ticket bei einer anderen Fluglinie gekauft.

Eine Sprecherin von Air Berlin äußert Verständnis für die Verärgerung. Die Verantwortung weist sie aber Alitalia zu, mit dieser Fluglinie sei der Beförderungsvertrag geschlossen worden. Dass ein längst gestrichener Flug gebucht werden kann, dürfe aber eigentlich "nicht passieren" und sei "sehr merkwürdig", räumt sie ein.

Alitalia und Air Berlin schieben sich die Verantwortung zu

Es ist schwierig, von Alitalia eine Stellungnahme zu bekommen. Ein Ansprechpartner in Deutschland ist nicht zu erreichen. Aus Rom kommt die Zusage, die Sache zu prüfen und sich zu melden: "We'll investigate immediately this matter and get back to you as soon as possible." Wird die Fluglinie sich an den entstandenen Kosten zumindest beteiligen? Zwei Tage später heißt es: "Bezüglich des Fluges AZ7481 am 1. April 2017 bedauern wir die Ihnen bei Ihrer Reise mit Alitalia entstandenen Unannehmlichkeiten. Sie erhalten in Kürze eine Antwort von uns."

Weitere zwei Tage später wird es noch skurriler: Eine Frau von der Alitalia Customer Relations bedauert den Vorfall zutiefst. Gleichwohl weist sie darauf hin, dass der Verbundpartner Air Berlin über Verspätungen oder Flugabsagen hätte informieren müssen - an diese Fluglinie werde die Beschwerde weitergeleitet. Als eine Art Wiedergutmachung wird "Mr. Schmude" eine Gutschrift über 150 Euro in Aussicht gestellt, die auf einen Ticketkauf angerechnet werden könne - allerdings soll dieser "Electronic Voucher" für eine "Mrs. Antonella Loprieno" ausgestellt werden. Eine Frau dieses Namens kennt Jürgen Schmude nicht.

Vielleicht löst Alitalia all diese Rätsel ja noch auf, bevor der letzte Master-Student an diesem Donnerstag das 13. und damit letzte Referat der Exkursionsliste hält - über "Thematische Routen im Tourismus". Falls die Gruppe anschließend am Flughafen in Brindisi stranden sollte, könnte Jürgen Schmude die Wartezeit vermutlich überbrücken mit einem Stegreif-Referat Nummer 14: Abenteuertourismus.

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