Reise:Ärger um 27 000 Euro-Kreuzfahrt: Seniorinnen wollen Geld zurück

Titel: Verrückt nach Meer; Untertitel: Making of, 5. Staffel;

Plötzlich wurde an Bord für eine Doku-Soap gedreht.

(Foto: BR/Bewegte Zeiten Gmbh/Marvin Schneider)

Die beiden 83-Jährigen mussten vor Reiseantritt feststellen, dass an Bord des Schiffes plötzlich für eine Doku-Soap gefilmt wird - und vor die Kamera wollten die Frauen auf keinen Fall. Der Veranstalter will trotzdem Geld.

Von Stephan Handel

Es gibt Zwetschgendatschi und Kaffee und danach eine Portion Kampfbereitschaft: "Erst haben die mich geärgert, jetzt ärgere ich sie", sagt Anna Ziegler, und Ingrid Ritter sagt: "Ich bin unversöhnlich." Die beiden Damen sind älter als 80 Jahre, 83, um genau zu sein. Den Ernst der Lage illustriert der Umstand, dass sie sich für das Interview Pseudonyme ausgedacht haben, also tatsächlich nicht Ziegler und Ritter heißen. Auch fotografiert werden wollen sie nicht. Warum - das macht die Geschichte klar, die sie zu erzählen haben.

Anna Ziegler und Ingrid Ritter, wie sie jetzt heißen wollen, kennen sich etwa seit drei Jahren. Damals waren ungefähr zur gleichen Zeit ihre Ehemänner gestorben, was beide in eine lange Phase der Trauer stürzte. Geholfen hat ihnen: Reisen, raus aus dem Alltag, fremde Länder anschauen, etwas anderes in den Kopf bekommen. Im Frühsommer 2016 erzählte Anna ihrer Freundin, dass es eine Kreuzfahrt gebe, "Indian Summer", da wolle sie mitfahren.

"Die filmen mich dann beim Essen mit vollem Mund."

Ingrid fand das interessant, rief beim Veranstalter an, der Phoenix Reisen GmbH in Bonn, erfuhr, dass das von ihr gewünschte Arrangement ausgebucht sei, und ließ sich auf die Warteliste setzen. Dann aber las sie, dass auf dem Schiff, der "Amadea", neue Folgen des ZDF-Klassikers "Traumschiff" gedreht werden sollten. Mehr noch als die Aussicht, ihren Urlaub mit Sascha Hehn oder dem Gaststar Florian Silbereisen verbringen zu müssen, schreckte sie die Vorstellung, von Kameras umgeben zu sein: "Die filmen mich dann beim Essen mit vollem Mund." Sie ließ ihren Namen von der Warteliste streichen. Anna Ziegler schipperte allein in den Indian Summer.

Zuvor aber hatten die beiden Freundinnen ein anderes Angebot gefunden, ebenfalls bei Phoenix: "In 112 Tagen rund um die Welt", drei Monate von Weihnachten 2016 an auf der MS Albatros. Das sollte es sein, beide buchten zu einem Preis von etwa 27 000 Euro. Anna Ziegler absolvierte allein die andere Reise - und bereute es schnell: Als nämlich die 60-köpfige Traumschiff-Crew an Bord kam, war es vorbei mit der Erholung. Katharina Happ, ihre Anwältin, schreibt in einem Schriftsatz, Ruhe habe ihre Mandantin "nur in der Kabine und den Schiffstoiletten" gefunden.

Währenddessen erhielt Ingrid Ritter zuhause eine "Reise-Information" über ihre Weltreise von Phoenix. Neben Auskünften zu Visa und Impfungen fand sich unter der Überschrift "Allgemeiner Hinweis" ein einziger lapidarer Satz, der aber genügte, um die alte Dame in eine Mischung aus Wut und Verzweiflung zu stürzen: 20 Tage lang, so stand da, würden auf der Albatros "Szenen für eine neue Staffel der ARD-Erfolgsreihe ,Verrückt nach Meer' gedreht". Für Ingrid Ritter war der Fall klar: Am 31. Oktober kündigte sie den Vertrag, Anna Ziegler, die sie informiert hatte, tat das gleiche zwei Tage später.

Reise: Von den Dreharbeiten sollen die Passagiere während der Weltreise nichts mitbekommen.

Von den Dreharbeiten sollen die Passagiere während der Weltreise nichts mitbekommen.

(Foto: Pjotr Mahhonin/Wikipedia)

An diesem Punkt beginnen Juristen sich die Hände zu reiben

Hier hat die Geschichte nun einen Punkt erreicht, an der Juristen beginnen, sich die Hände zu reiben. Phoenix bearbeitete den Vorgang als Stornierung - und wollte deshalb die bereits geleistete Anzahlung einbehalten, jeweils mehr als 6000 Euro. Im Fall von Ingrid Ritter rechnete das Unternehmen noch Gebühren hinzu, so dass die Kundin nun weitere 398 Euro hätte zahlen sollen. Katharina Happ jedoch, die Rechtsanwältin, legt Wert darauf, dass die Reise ja nicht storniert wurde - sondern dass die beiden Damen den Reisevertrag gekündigt haben, denn hätten sie von den geplanten Dreharbeiten vorher gewusst, so hätten sie gar nicht gebucht - so sei die Reise "mangelhaft", was zur Kündigung berechtige. Und somit sei auch die gesamte Anzahlung zurückzuerstatten.

Eine gütliche Einigung scheint derzeit unmöglich - so wird wohl ein Gericht entscheiden müssen, ob es einen Reisemangel darstellt, wenn die Gefahr besteht, während des Urlaubs gefilmt zu werden. Klar ist, dass niemand das dulden muss - das "Recht am eigenen Bild" ist ein Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Aber wie belastend wären die Filmaufnahmen an Bord der Albatros tatsächlich gewesen?

Nicht sehr, meint Phoenix über den Bonner Anwalt Wolfgang Pröhl. Nicht sehr, meint auch "Bewegte Zeiten", die Produktionsfirma, die den Film im Auftrag des Bayerischen Rundfunks dreht. Nicht sehr, sagt Andreas Reinhard, der Redaktionsleiter beim BR: Im Unterschied zum "Traumschiff" sei "Verrückt nach Meer" ein Doku-Format, nur drei Kamerateams bewegten sich auf dem Schiff, außerdem könne man sich in eine Liste eintragen lassen, wenn man nicht gefilmt werden wolle. Und Frank Jansen, Geschäftsführer von "Bewegte Zeiten" ergänzt: Die Teams seien so diskret, dass die Passagiere es meistens gar nicht merkten, wenn gefilmt werde.

Was soll das bitte für ein Urlaub sein?

Na also, entgegnet dem Rechtsanwältin Happ: Wenn ich die Dreharbeiten nicht bemerke, wie soll ich dann kontrollieren, ob ich gerade im Bild bin? Und ihre Mandantinnen ergänzen: Was denn das für ein Urlaub sei, wenn man dauernd auf der Hut vor den Kameras sein müsse? Zur Untermauerung ihrer Vermutung, dass sehr wohl auch unbeteiligte Passagiere gefilmt werden, haben sie sich sogar drei Folgen der Serie angeschaut und mithilfe eines technikaffinen jungen Mannes 67 Screenshots erstellt, auf denen zu sehen ist, wie im Hintergrund irgendwelche Leute essen, reden, Bier trinken.

Das Gerichtsverfahren Anna Ziegler ./. Phoenix Reisen GmbH läuft vor dem Landgericht Bonn, dort steht der nächste Termin am 15. September an. Der Fall von Ingrid Ritter ist komplizierter, weil Phoenix ja die 398 Euro möchte, während sie ihre Anzahlung komplett zurück bekommen will - Klage und Widerklage, so heißt das juristisch. Hier warten die Beteiligten auf einen Termin am Landgericht München. Dabei hätte alles viel einfacher gehen können, findet Anna Ziegler: "Die hätten uns ja auf die nächste Reise ohne Dreharbeiten umbuchen können, und alles wäre gut gewesen." Jetzt aber ist die Kampfbereitschaft erwacht in den beiden Damen. Und fotografiert werden wollen sie auch nicht, das ist klar nach dieser Geschichte.

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