Regulierung:Mieterschutz, der Millionen kostet

Mit dem Vorkaufsrecht will die Stadt Gentrifizierung in Erhaltungssatzungsgebieten verhindern - doch der Preis ist manchen zu hoch

Von Anna Hoben

Bauen, bauen, bauen - so lautet das Grundrezept der meisten Parteien gegen die Wohnungsknappheit. Doch was ist mit jenen Bewohnern, die sich ihre Miete nicht mehr leisten können, weil ein Investor ihr Haus gekauft hat, es sanieren und anschließend viel teurer vermieten will? In den sogenannten Erhaltungssatzungsgebieten sollen Münchner Mieter davor geschützt sein. Die Stadt besitzt in diesen Gebieten ein Vorkaufsrecht, das sie bis 2018 nur selten tatsächlich nutzte. Denn im Normalfall unterschrieben die Investoren eine Abwendungserklärung, in der sie sich verpflichteten, auf eine Umwandlung in Eigentumswohnungen sowie auf Luxussanierungen zu verzichten - allerdings nur für einen Zeitraum von zehn Jahren.

Das Instrument wurde deshalb gern als zahnloser Tiger bezeichnet. Im Sommer 2018 beschloss der Stadtrat gegen die Stimmen von CSU, Bayernpartei, FDP und LKR eine Verschärfung der Abwendungserklärung. Investoren müssen nun in Erhaltungssatzungsgebieten beim Kauf deutlich strengere Vorschriften beachten, unter anderem gibt es für Neuvermietungen eine festgelegte Höchstmiete, die neuen Mieter dürfen eine gewisse Einkommensgrenze nicht überschreiten. Im Sommer 2019 wurden die Regelungen auf noch unbebaute Grundstücke ausgeweitet.

Das Thema birgt jede Menge politischen und juristischen Zündstoff. Ein Investor ist gegen die verschärfte Abwendungserklärung vor Gericht gezogen. Viele Käufer unterschreiben mittlerweile die Erklärung nicht mehr. Die Stadt muss die Häuser also selbst kaufen - von 2018 bis Dezember 2019 hat sie dafür 363 Millionen Euro aufgewendet. Viel Geld, das die Stadt auch in den Neubau stecken könnte statt in teure Bestandswohnungen. Im Stadtrat führt das Thema immer wieder zu Streit zwischen den Kooperationsparteien SPD und CSU. "Es ist mittlerweile mehr als klar, wer sich im Stadtrat wirklich für bezahlbares Wohnen einsetzt und wer nicht", schimpfte die SPD vergangenen Oktober in einer Mitteilung. CSU, ÖDP und Bayernpartei hatten zuvor die Ausübung des Vorkaufsrechts für ein Haus im Dreimühlenviertel verhindert. "Natürlich kostet jedes ausgeübte Vorkaufsrecht Geld", schrieb die SPD, "aber bezahlbaren Wohnraum für die Münchnerinnen und Münchner langfristig zu sichern, muss uns dieses Geld wert sein." Die Sozialdemokraten würden die Milieuschutzgebiete gern ausweiten, "wir weisen Erhaltungssatzungsgebiete in der ganzen Stadt auf Dauer aus, wo immer es möglich ist", heißt es in ihrem Wahlprogramm. "Wir werden kämpfen, dass der Bund uns hilft, den Anstieg der Mieten zu begrenzen", sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter, "etwa durch die Möglichkeit, eine stadtweite Erhaltungssatzung zu verhängen".

Er will das Vorkaufsrecht künftig auch mit dem Geld privater Anleger finanzieren - im Zuge einer kürzlich beschlossenen Stadtanleihe. Auch die Grünen wollen "durch eine geänderte Auslegung der aktuellen Gesetzeslage diesen Schutz auf das gesamte Stadtgebiet ausweiten". Aktuell lebe nur ein Viertel der Mieter in den Gebieten. Zudem soll die Befristung der Satzungen auf fünf Jahre abgeschafft werden; sie habe dazu geführt, "dass einer Verdrängung der Mieter Tür und Tor geöffnet wurde". Die ganze Stadt als Erhaltungssatzungsgebiet, so stellt sich das auch die Linke vor. Die FDP will dagegen, dass die Stadt "nur in ökonomisch sinnvollen Ausnahmefällen" vom Vorkaufsrecht Gebrauch macht.

Und die CSU? Erwähnt das Thema im Wahlprogramm gar nicht. Als Kommunalreferentin muss Kristina Frank die Beschlüsse des Stadtrats dazu ausführen. Wie die Partei dazu stehe, für die sie Oberbürgermeisterin werden möchte? "Prüfend", sagt Frank auf Nachfrage. "Es gibt Immobilien, die es erfordern, dass wir das Vorkaufsrecht ausüben" - aber auch andere, bei denen es keinen Sinn ergebe. Zurzeit gebe die Stadt jedenfalls mehr Geld dafür aus, als im Haushalt vorgesehen ist. Das Thema wird auch nach der Kommunalwahl Zündstoff bieten.

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