Regensburger Domspatzen:Von guten und von bösen Watschn

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Hat Züchtigungen bei den Regensburger Domspatzen eingeräumt, will von sexueller Misshandlung nichts gewusst haben: Georg Ratzinger. (Foto: dpa)

"System der Angst" vom 8. Januar, "Bis zu 700 Opfer" vom 9. Januar, "Ratzinger will nichts von Missbrauch gehört haben" vom 11. Januar und "Georg Ratzinger legt nach" vom 13. Januar:

So waren die Zeiten eben

Ich gebe Georg Ratzinger vollkommen recht, was diesen Unsinn betrifft. Mich würde einmal eine Untersuchung interessieren, welcher Bub in den Fünfziger- und Sechziger-Jahren die Schulzeit ohne "Misshandlung", das heißt ohne Watschn, Tatzen, Rohrstock und so weiter überstanden hat. Ich und meine damaligen Klassenkameraden jedenfalls nicht; und wir waren keine Schüler einer kirchlichen Schule. Hinter dieser Berichterstattung über weit zurück liegende Fälle wird nach meiner Meinung versucht, von den heutigen Problemen (Köln!) abzulenken und diese zu relativieren, weil sie nicht in das Weltbild diverser Journalisten passen! Franz Zimmermann, Moorenweis

Prügel von Hochwürden

Welch unheilige Allianz der Zeitungen in Regensburg und Passau mit der Amtskirche! Und dass auch der frühere Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, jetzt als Präfekt der Glaubenskongregation im Vatikan eine Art Groß-Inquisitor, mit im unheimlichen Bund ist, wundert nicht. Auch nicht, dass sich der ehemalige Domspatzen-Kapellmeister Georg Ratzinger, Bruder des Ex-Papstes Benedikt XVI. alias Joseph Ratzinger, verstockt und im hohen Alter von 91 Jahren unfähig zur Reue zeigt. Dass die Exzesse der Prügel-Priester jetzt aufgeklärt werden sollen, ist für Georg Ratzinger "Irrsinn". Nun ja, der hochwürdige Herr hat - wie er selbst zugibt - selbst mitgeprügelt. Freilich hat er nur Watschn ausgeteilt. Das war nun mal so üblich. Motto: Die haben noch niemandem geschadet. Von sexuellen Übergriffen aber hat der erzkatholische Musikus rein gar nichts mitgekriegt: Mein Herz ist rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein. Die Domspatzen aber pfeifen nach Aussagen eines unabhängigen Gutachters ein ganz anderes Lied vom Dach der Regensburger Kathedrale. Peter Kühn, München

Verdiente Watschn

Was versteht man denn heute unter sexuellen Misshandlungen? Die derzeitigen undifferenzierten Berichte über den weltberühmten Knabenchor bestehen nur aus Unterstellungen, Vermutungen und Verdächtigungen, die eher einer gewollten Negativberichterstattung entsprechen. Watschn, Kopfnüsse und ein paar Schläge mit der Hand auf den Hintern sind kein Missbrauch, sondern spontane erzieherische Maßnahmen wegen Nichtbefolgung von Verboten und daher durchaus angebracht, da man sie dann so schnell nicht mehr vergisst. Wenn ich mich bei ihnen beschwert hätte, hätten meine Eltern gesagt: "Dann hast Du sie sicherlich verdient" - was auch stimmte. wenn ich mich bei ihnen beschwert hätte. Nicht unterschlagen darf man auch, dass unter den Buben von 9 bis 14 Jahren gewisse Hierarchien aufkommen können, unter denen manche nicht stabilen Mitschüler durchaus zu leiden haben. Diese zu erkennen und auch manchmal sofort zu unterbinden, ist auch die Aufgabe der Präfekten - und nicht von Psychologen und Psychiatern. Zur Klarstellung: Die Aufgabe dieses Internats ist doch nicht, die nichterfolgte Früherziehung durch die Eltern in der Vorschulzeit zu korrigieren, sondern neben der schulischen Weiterbildung der Buben ab circa 9 bis 10 Jahren (Lesen, Schreiben, Mathe, Deutsch, Fremdsprachen, et cetera) deren musikalische Fähigkeiten im gesanglichen und instrumentalen Bereich zu verbessern und zu vervollständigen. Bei den Domspatzen haben sie dann intensiven Gesangsunterricht, Harmonielehre, Instrumentalunterricht mit Übungsstunden und Benimmstunden für öffentliche Auftritte zu den sowieso erforderlichen Stunden fürs schulische Lernen und Hausaufgaben. Gelegentlich müssen sich diese Buben auch mal austoben. Das kann durchaus auch mal streng verboten sein - gerade bei den Gesangsproben. Dann kann es eben auch Watschn, Kopfnüsse, Tadel und auch andere Strafen geben. Nicht vergessen werden darf der Ursprungssinn der Domspatzen: das sonn- und feiertägliche Singen im Dom. Ich spreche aus eigener Erfahrung, da ich selbst vier Jahre dabei war. Übrigens: Herr Domkapellmeister Ratzinger hat vollkommen recht, keine weiteren Fragen zu seiner Tätigkeit zu beantworten. Er hat seiner Aufgabe entsprechend einen hervorragenden Chor hinterlassen und übergeben. Was habe ich für mein späteres Berufsleben mitbekommen? Pünktlichkeit, Disziplin, Sorgfalt, Rücksichtnahme, Ausdauer. Auch eine gewisse Härte mir selbst gegenüber, nicht immer gleich aufzugeben, wenn etwas mal nicht so läuft, wie ich gerne gehabt hätte. Dieser Domspatzen-Erziehung bin ich sehr zu Dank verpflichtet und bin und bleibe auch weiterhin ihr förderndes Mitglied. Dr.-Ing. Karl Unterstein, München

Selektives Gehör

Es ist schon eine beachtliche Leistung von Georg Ratzinger, 30 Jahre lang einen weltberühmten Chor zu leiten. Und das, obwohl er scheinbar schlecht hörte! Zumindest hörte er nichts, was er nicht hören wollte.

Aber der ehemalige Kapellmeister hatte ja nicht nur mit dem Gehör Probleme. Er hat auch nichts gesehen. Außer den Ohrfeigen, die er selber verteilte. Er ist halt noch ein Kirchen-Haudegen von alter Prägung und die Regensburger Auswüchse in seiner schlagenden Verbindung waren lediglich dem Zeitkolorit geschuldet! Logischerweise hält er die Aufklärung seiner archaischen, aber durchaus "zeitgemäßen Erziehungsmethoden", deshalb für einen "Irrsinn" und betrachtet sie aus seiner Sicht als erledigt. Wer soll auch nach 40 Jahren noch all die Ohrfeigen zählen, die er und seine geistlichen und geistlosen Mitarbeiter an etwa 700 Domspatzen verteilt hatten?

Die unter seiner Ägide noch weitaus innigere Form der praktizierten "Nächstenliebe" würde er, nach altkatholischer Manier, wahrscheinlich erst recht am liebsten unter den Teppich kehren. Manfred Jagoda, Ismaning

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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