Inspiriert von Jules Vernes Abenteuerromanen „Von der Erde zum Mond“ und „Reise um den Mond“ hat eine Erkundung unseres Erdtrabanten nicht nur Filmregisseure wie Georges Méliès („Die Frau im Mond“, 1902) und Fritz Lang („Frau im Mond“, 1929) fasziniert. Auch Komponisten widmeten sich dem Himmelskörper, etwa Joseph Haydn mit „Il mondo della Luna“, Leoš Janaček mit „Die Ausflüge des Herrn Brouček“ oder Paul Lincke mit „Frau Luna“. Gegen Ende seines Lebens und nach seinen berühmten Meisterwerken wandte sich ebenso Jacques Offenbach dem Thema zu, er schrieb 1875 mit „Le voyage dans la lune“ eine ungemein spritzige „opéra féerie“ mit viel aufgedrehtem Dialog, die musikalisch ganz auf der Höhe seiner späten Oper „Les contes d’Hoffmann“ komponiert ist.
Bei der enorm erfolgreichen Pariser Uraufführung war sie prachtvoll ausgestattet und verblüffte unter anderem mit einem echten Kamel, dem Nachbau des Pariser Observatoriums, diverser Mondlandschaften und einem großen Vulkan.

Neustart am Stadttheater Ingolstadt:Widrigkeiten? Juckt niemanden
Bürgerbegehren gegen einen Theaterneubau, Sparzwänge: Alles andere als gute Voraussetzungen für den neuen Intendanten Oliver Brunner, um in seine erste Spielzeit am Stadttheater Ingolstadt zu starten. Aber was bekommt das Publikum zu sehen: die pure Lust auf Schauspiel.
In Regensburg gibt es jetzt die dortige Erstaufführung, auf Deutsch von Stefan Troßbach, dieser entzückenden fantastischen Operette, die leider nur selten gespielt wird. Bislang ist sie auch nur in einer einzigen, aber exzellent gesungenen und gesprochenen Aufnahme auf Französisch mit Choeur et Orchestre national Montpellier Occitanie unter Pierre Dumoussaud auf CD verfügbar. Sie erschien bei Palazzetto Bru Zane – Centre de musique romantique française, einer Stiftung in Venedig, die unter anderem schon über 30 Gesamtaufnahmen französischer Operetten und Opern des 19. Jahrhunderts in Buchform herausgebracht hat.
Zur Handlung: Der reiselustige Prince Caprice kehrt gerade von einer Weltreise zurück, und da er schon alles gesehen hat, wünscht er sich von seinem Vater, König Zack, einen Flug – zum Mond! Erst wird er für verrückt gehalten, dann werden Kanonen konstruiert, die das Projekt realisieren lassen und den gesamten Hofstaat in Bewegung setzen. Entgegen allen Erwartungen ist der Mond bewohnt. Oben angekommen, gibt es nur ein Problem, man erachtet die Liebe als ansteckende Krankheit, und Frauen werden auf dem Markt gehandelt! Also fällt das Verliebtsein von Caprice in Fantasia erst einmal nicht auf fruchtbaren Boden.
Aber der verbotene Genuss eines Apfels wirkt wie ein Liebestrank, und das zündende „Duo des Pommes – Äpfel-Duett“ von Caprice – ein aufgedrehter Mezzo in einer Hosenrolle – mit Fantasia, der Tochter des Mond-Königs Cosmos wurde schon bei der Uraufführung zum Schlager des ganzen Stücks wie die meisten Nummern von Caprice. Aber es gibt auch viele feine, effektvolle Chöre, etwa den strammen der Leibgarde der Prinzessin oder den ausgelassenen der Händler auf dem Markt, ein elegantes „Ballet des Chimères“ und eines von Schneeflocken mit Polka, Mazurka und Galopp in einer Eishöhle, als bei Einbruch des Winters 50 Grad minus herrschen und der Chor lautmalerisch bibbert.
Höhepunkt ist ein Vulkanausbruch
„Es gibt charakteristische, tolle Themen, die immer wiederkehren, sowie großartige humorvolle Duette und Arien“, so der Regisseur Simon Eichenberger und auch der Dirigent Tom Woods schätzt „Witz, Ironie und Sarkasmus“ des Stücks außerordentlich. Höhepunkt ist eine Szene mit gesprochenem Text zu Musik im Inneren eines Vulkans samt seines vom Orchester großartig geschilderten Ausbruchs.
In Regensburg befinden wir uns bei den Kostümen in einer Art Fantasy-Barock aus dem Blickwinkel von heute – mit Lack und Leder (Kostüme: Susanna Hubrich). Aber wie schon bei Offenbach unterscheiden sich die Wesen auf dem Mond und die von der Erde Kommenden auch musikalisch nicht, nur dass die Mondbewohner gewaltig rückständig sind in ihrem Verhältnis zu Frauen (Heimchen am Herd oder Femme fatale), zu Sexualität (der Nachwuchs kommt aus dem Land der Kinder auf der anderen Seite des Mondes) und Liebe (eine ansteckende Krankheit).
Da kommen Belehrung wie erfrischende Luft und ihre Liebe spendenden Äpfel von den Erdlingen gerade recht, und die Frauen übernehmen das Zepter. So wird die Gesellschaft allerdings mächtig durcheinandergewirbelt, und Mond-König Cosmos lässt alle in den erloschenen Vulkan sperren. Erst als dieser erneut ausbricht, landen alle wieder auf der Mondoberfläche und sehen am Horizont die Erde aufgehen. Am Ende sind die Mondbewohner klüger geworden durch zwei Liebende, aber auch die Erdbewohner haben dazugelernt.
Jacques Offenbach: „Die Reise zum Mond“, Regensburger Erstaufführung (in deutscher Sprache), Samstag, 21. Dezember 2024, 19.30 Uhr