Beratung:Wo sich Babys von Regenbogenfamilien zum Krabbeln treffen

Beratung: Zähne, Rotznasen, Brei: In der Regenbogen-Krabbelgruppe (Tanja Pröbstl links) geht es um die üblichen Themen.

Zähne, Rotznasen, Brei: In der Regenbogen-Krabbelgruppe (Tanja Pröbstl links) geht es um die üblichen Themen.

(Foto: Catherina Hess)

Der gesellschaftliche Druck auf Lesben oder Schwule mit Kindern ist noch immer groß. In München gibt es nun eine Beratungsstelle für solche Familien. Die erste in ganz Bayern.

Von Silke Lode

Ständig hat Julian zwei Finger im Mund, dann fängt er an zu weinen. Alex Scherer sucht in seiner Hosentasche nach einem Taschentuch für die Rotznase seines Sohns und erklärt schulterzuckend: "Julian kriegt gerade einen Zahn, dann ist er immer so."

Die beiden Mütter, die mit ihren Babys neben Alex und Julian sitzen, haben sofort ein paar Tipps zur Hand. "Versuch doch mal abends ein Benuron-Zäpfchen", meint die eine. Und schon entspinnt sich eine Debatte über die Unterschiede zwischen Benuron, Paracetamol und Ibuprofen samt der Frage, welches der Schmerzmittel in welcher Dosis wann am besten hilft.

Schwabing, 10 Uhr morgens, Alltag in einer Krabbelgruppe. Acht Kinder, sieben Mamas und ein Papa - auch das dürfte ganz gut dem Münchner Durchschnitt entsprechen. Man muss bei den Gesprächen schon genauer hinhören, um zu merken, dass es hier an der Saarstraße auch andere Themen gibt. Verschiedene Wege zur Samenspende etwa, oder die Hürden im Adoptionsprozess.

Anfang Dezember ist die neue Beratungsstelle für Regenbogenfamilien in die Räume eingezogen. Ein Start in leeren Räumen, doch das Leben hat schnell Einzug gehalten. Seit ein paar Monaten treffen sich jede Woche zwei Eltern-Kind-Gruppen, und das ist bei Regenbogenfamilien meist kein Treff für Mama oder Papa und Kind.

Eltern von Regenbogenkindern sind oft zwei Frauen, manchmal ein lesbisches Pärchen und ein schwuler Freund, mal zwei Männer und zwei Frauen, dann wieder nur eine Mutter, die sich alleine an das Projekt Familie herangetraut hat. Die Vielfalt ist mindestens so groß wie in Patchworkfamilien, nur Vorurteile und Diskriminierung sind bei Weitem noch nicht so stark ins gesellschaftliche Abseits gedrängt wie bei anderen Familienentwürfen, die vom klassischen Modell abweichen.

Sozialpädagogin Stephanie Gerlach weiß aus ihrer Beratungsarbeit, wie sehr das lesbische und schwule Eltern stresst: "Regenbogenfamilien stehen immer noch ein Stück unter Beobachtung", erzählt die Mitarbeiterin des neuen Familienzentrums.

Beratung: Manchmal spricht Alex Scherer (links) auch über Probleme,die sich nur gleichgeschlechtlichen Eltern stellen.

Manchmal spricht Alex Scherer (links) auch über Probleme,die sich nur gleichgeschlechtlichen Eltern stellen.

(Foto: Catherina Hess)

Viele Eltern hätten das Gefühl: "Wir müssen super sein!". In Teilen der Gesellschaft halten sich hartnäckig Bedenken, ob Kinder bei Homosexuellen gut aufgehoben sind. "Braucht nicht jeder Mama und Papa?", lautet eine vermeintlich besorgte Nachfrage gern - was an der gesellschaftlichen Realität allein angesichts der Scheidungsquoten völlig vorbeigeht.

Die Forschung kommt ohnehin zu ganz anderen Ergebnissen. Eine große Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums aus dem Jahr 2009 zur Lebenssituation von Regenbogenfamilien etwa kommt zu dem Schluss: Kinder in Regenbogenbogenfamilien wachsen keinesfalls schlechter auf als Kinder in herkömmlichen Familien.

Die Stadt betritt Neuland mit der Beratungsstelle

Trotzdem betritt auch die Stadt München, die das Projekt maßgeblich finanziert, Neuland mit der Beratungsstelle, die an diesem Donnerstag offiziell mit einem Empfang eröffnet wird. In ganz Bayern gab es bislang keine professionellen Angebote für Regenbogenfamilien, nur in Berlin gibt es seit vier Jahren eine vergleichbare Einrichtung.

Die städtische Unterstützung geht auf einen Antrag von Grünen und Rosa Liste zurück - doch ohne die Zustimmung von SPD und CSU wäre aus dem Projekt nichts geworden. Zwar gibt es für München keine Zahlen, aber seit der Einführung der Lebenspartnerschaft 2001 gründen immer mehr Lesben und Schwule eine Familie.

Die neue Anlaufstelle soll weit mehr sein als ein Treffpunkt: "Unsere Aufgabe ist es, zum Thema Kinderwunsch und Alltag einer Regenbogenfamilie zu beraten", sagt Stephanie Gerlach. Auch für Fortbildungen und Fachgespräche sind sie und ihr kleines Team gefragt.

Dass Regenbogenfamilien in München ohnehin ein gutes gesellschaftliches Klima erfahren, bestätigen alle Eltern in der Krabbelgruppe. Jedenfalls hat bislang niemand schlechte Erfahrungen gemacht - weder im Alltag noch beim Kinderarzt oder in einer Betreuungseinrichtung. Vor dem Gesetz aber sind Regenbogenfamilien nach wie vor nicht gleichgestellt - und das nicht nur, weil nur die Ehe zwischen Mann und Frau steuerlich bevorzugt wird.

"Für uns ist Adoption das ganz große Thema", sagt Tanja Pröbstl, die gerade ihrer sieben Monate alten Tochter Antonia beim Spielen zuschaut. Eine Stiefkindadoption ist zwar seit 2005 auch Schwulen und Lesben möglich - aber nur innerhalb einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und nur nach einem langwierigen Prozess. Tanja Pröbstl und ihre Frau stecken gerade mitten in diesem Verfahren.

"Keine schöne Zeremonie", sagt Pröbstl. Das Procedere beginnt mit einem gemeinsamen Gang zum Notar, "wenn man den Vater kennt, nimmt man ihn mit", erzählt Pröbstl. Der Notar leitet das Adoptionsgesuch weiter ans Jugendgericht, dieses fordert das Jugendamt auf, ein Gutachten zu erstellen. Gefragt sind dafür Unterlagen vom Leumundschaftszeugnis bis zum Motivationsschreiben, dann kommt Besuch vom Jugendamt.

"Ich habe schon sehr unterschiedliche Geschichten gehört", erzählt Pröbstl, die als Vorstandsmitglied des Vereins "LesMamas" gut in der Szene lesbischer Mütter und Frauen mit Kinderwunsch vernetzt ist. Bei ihnen habe die Gutachterin sich entschuldigt: Sie müsse kommen, obwohl sie eigentlich genug Arbeit hätte, die in ihren Augen viel dringender wäre.

"Aber selbst dann kommen Fragen wie: Was schätzen Sie an Ihrer Frau?" Am Ende steht dann die Entscheidung des Gerichts. Ein Jahr dauert dieses Verfahren in der Regel - ein Jahr, das für die Familien viel Unsicherheit bedeutet, insbesondere bei Krankheiten oder Problemen rund um die Geburt.

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