Regenbogenfamilien:Richtig so, wie es ist

Regenbogenfamilien: Alexandra Brück (links) und ihre Frau Caterina Brück spielen mit den Kindern Valentin (auf der Rutsche) und Vincent.

Alexandra Brück (links) und ihre Frau Caterina Brück spielen mit den Kindern Valentin (auf der Rutsche) und Vincent.

(Foto: Robert Haas)

Alexandra und Caterina Bürk haben zwei gemeinsame Söhne. Und sie werben für ihr Lebensmodell jenseits der klassischen Familie. Denn nur durch Kontakt ließen sich Berührungsängste abbauen, sind sich die Frauen sicher

Von Franziska Gerlach

Bei ihrem ersten Anruf fand sie nicht gleich die richtigen Worte, also erkundigte sie sich zunächst nach dem pädagogischen Konzept und den Öffnungszeiten, was man eben so fragt. Dann aber habe sie ihre Familienkonstellation doch erläutert, sicherheitshalber: Sie seien zwei Mamas, erklärte Caterina Brück der Leiterin der Kinderkrippe Däumelinchen in Moosach, und suchten einen Krippenplatz für ihren Sohn Valentin.

"Und, wo ist das Problem?", hatte Manuela Nawrocki gefragt, die Leiterin der Kinderkrippe Däumelinchen unter Trägerschaft der Kinderzentren Kunterbunt. Kein Problem, zum Glück, diesmal nicht. Denn an einem früheren Arbeitsplatz habe sie durchaus "eine homophobe Stimmung" erfahren. Seit Oktober 2017 dürfen gleichgeschlechtliche Paare in Deutschland heiraten, das war für Menschen in großen und kleinen Städten ein Grund zum Feiern, auch in den sozialen Medien führte die Nachricht von der Ehe für alle damals zu einer Welle an Solidarität. Doch nicht immer werden Regenbogenfamilien, also Familien, in denen mindestens ein Elternteil schwul, lesbisch, bisexuell oder trans ist, so herzlich aufgenommen wie in Moosach. Marion Lüttig vom Treffpunkt, Fach- und Beratungsstelle Regenbogenfamilien - kurz: Regenbogenfamilienzentrum - bestätigt sogar Fälle von Diskriminierung, vor allem in den weiterführenden Schulen. Mit ihrer im Frühjahr erschienen Broschüre wollen die Experten vom Regenbogenfamilienzentrum daher bewusst bei den ganz Kleinen ansetzen, damit diese von Anfang an erleben, wie ein gendersensibles Miteinander funktioniert. Das pinkfarbene Büchlein trägt den Titel "Wir sind dabei! Ressourcen und Kompetenzen von Regenbogenfamilien in der Kindertagesbetreuung" und richtet sich an Familien und Fachkräfte gleichermaßen.

Ein solche Handreichung gab es in Bayern bisher nicht, auf 64 Seiten bietet die Broschüre, deren Erstellung vom Sozialreferat gefördert wurde, zum Beispiel Anregungen zu einer vorurteilsfreien Erziehungsarbeit, es werden typische Situationen aus dem Alltag der Kindertagesbetreuung geschildert, Begriffe wie kritisch Heteronormativität erläutert und Bücher vorgestellt, die das Thema Gleichgeschlechtlichkeit kindgerecht aufbereiten. Außerdem bietet die Broschüre konkrete Ratschläge, zum Beispiel, dass man auf die Frage nach "der richtigen Mutter" oder "dem richtigen Vater" ruhig kontern könne, was das denn überhaupt sei?

In Moosach hat Valentin, mittlerweile vier Jahre alt und ein Kindergartenkind, damit begonnen, Bauklötze zu stapeln. Alexandra Brück füttert den kleinen Bruder Vincent mit püriertem Obst, während Caterina Brück darüber nachdenkt, wie sie auf die Frage nach der "echten Mama" reagiere. "Gut, der weiß es eben nicht besser", sage sie sich in solchen Situationen. Irgendwie auch froh darüber, wenn sich die Leute für ihre kleine Regenbogenfamilie interessieren. Denn nur durch Kontakt ließen sich Berührungsängste abbauen, ist sie überzeugt. Die Sache ist allerdings die: Gleichgeschlechtliche Paare werden nicht einfach so Eltern. Und in der Regel erfordert es viel Mühe, Planung und Kosten, um den Kinderwunsch zu erfüllen.

Im Fall der Brücks beispielsweise hat Alexandra Brück die beiden Söhne zur Welt gebracht, in einem aufwendigen Verfahren hat Caterina Brück Valentin adoptiert. Bei Vincent läuft die Adoption gerade. Er wird im August ein Jahr alt und besucht von diesem Herbst an ebenfalls die Däumelinchen-Krippe. Und weil die beiden Mütter die Akzeptanz für Regenbogenfamilien in München voranbringen wollen, weil sie zeigen möchten "Hey, es kann auch richtig gut laufen", sitzen die Brücks nun mit Manuela Nawrocki und der Erzieherin Maria Telo Hoyos auf den kleinen Stühlen der Moosacher Kita und erzählen. Als die Kinder zum Muttertag vor zwei Jahren Herzen hätten basteln müssen, sei der Valentin ziemlich beschäftigt gewesen, erzählt die Erzieherin. Vier Holzherzen wollten bemalt werden! Nicht nur für die Mamas, sondern auch für den leiblichen Vater - ein guter Freund von Caterina Brück - und dessen Lebensgefährten. Die Runde lacht. Ja, wenn die Brücks zum Sommerfest kommen, hatten die Frauen zuvor gewitzelt, füllen sie mit den Großeltern locker einen ganzen Tisch.

"Es ist die Aufgabe einer Kita, für alle Familienkonstellationen offen zu sein", sagt Manuela Nawrocki. Und diese erste und bislang einzige Regenbogenfamilie der Kinderkrippe, die sei definitiv eine Bereicherung. Das sind schöne Sätze in den Ohren derer, die Vielfalt als Gewinn verstehen, die offen sind für Lebenskonzepte jenseits dessen, was man sich gemeinhin unter der klassischen Kleinfamilie vorstellt. Sigrid Dallmaier ist seit 22 Jahren Kinderpflegerin und mit einer Frau liiert, gerade arbeitet sie im Kindergarten einer Münchner Elterninitiative. Probleme habe sie wegen ihrer sexuellen Orientierung in all den Jahren nie gehabt, nicht mit Kollegen, nicht mit den Eltern, und mit den Kindern natürlich erst recht nicht. Vor allem die Älteren, die Vier- oder Fünfjährigen, seien neugierig und wollten wissen, warum "mein Schatz" denn eine Frau sei? "Die Welt ist bunt", erkläre sie ihnen. "Und wenn man sich lieb hat, ist alles in Ordnung."

Anderswo in der Stadt ist man offenbar nicht ganz so bunt. Marion Lüttig vom Regenbogenfamilienzentrum schildert keine harten Fälle des Mobbings, sie berichtet nicht von Kindern, die ausgelacht wurden, weil sie zwei Papas haben oder einen, der im Körper einer Frau geboren wurde. Aber die Soziologin und Waldorfpädagogin spricht von "einer indirekten Diskriminierung", die sich etwa in einem "Totschweigen" vollziehe, in Gedankenlosigkeit oder einer unglücklichen Wortwahl. Wenn ein Kindergarten etwa eine Papa-Kind-Aktion zum Hüttenbauen anbietet, mag dahinter die Absicht stehen, die Väter verstärkt in die Erziehung einzubinden - ein Kind, das keinen Vater hat, könnte sich aber ausgeschlossen fühlen. "Dadurch sage ich dem Kind, dir fehlt etwas", erläutert Lüttig. Auch sei es nicht sehr einfühlsam, die Einladung zum Elterngespräch mit "Liebe Mama, lieber Papa" zu überschreiben.

Kinder erleben ihre eigene Familiensituation als selbstverständlich, oft sehen sie erst in der Kindertagesstätte, dass Familie nicht gleich Familie ist. Auch in Moosach gab es diesen einen Tag, so erzählt es die Erzieherin Maria Telo Hoyos, als die anderen Kinder fragten, warum der Valentin denn zwei Mütter habe. Er habe "Mama Cati" und "Mama Alex", so sei das eben. Irgendwann hätten die anderen Kinder diese Anrede sogar kopiert - und etwa von "Papa Markus" und "Mama Katrin" gesprochen. Leiterin Nawrocki schnappt sich die pinkfarbene Broschüre vom Tisch, blättert: "Kinder aus Regenbogenfamilien brauchen immer wieder die Stärkung, das ihre Familie genau so, wie sie ist, richtig ist. Denn ihr Familienmodell kommt im Alltag der Kindertagesbetreuung kaum vor, sei es in Spielen, Büchern und vielem mehr," liest die Leiterin der Kita vor. Sie holt Luft, sagt dann: Also das stimme tatsächlich, in den "Standardwerken" seien immer nur Mama-Papa-Kind abgebildet, da bestehe durchaus Nachholbedarf. Und auch Sigrid Dallmaier betont, wie gerne sie mit ihren Kindergartenkindern einmal ein Buch zur Gleichgeschlechtlichkeit lesen würde. Sie habe bislang nur schlicht nicht gewusst, dass es solche Literatur überhaupt gibt. Die könnte der Buchhandel ruhig etwas sichtbarer platzieren.

Nawrocki wiederum hat in der Puppenecke schon Jungen erlebt, die die Mutterrolle übernommen haben. "Die Kinder spielen, wie sie spielen. Da gibt es keine Vorgaben", sagt die Leiterin der Däumelinchen. Patchworkfamilien, alleinerziehende Mütter oder Väter, Paare mit einem großen Altersunterschied oder eben zwei Mamas, im Jahr 2019 kann Familie vieles sein. Der Grat zwischen zu viel Neugier und zu wenig Interesse fühlt sich dennoch schmal an, gerade für jene, die kaum Kontakte zu Regenbogenfamilien unterhalten.

Und dann ist da noch dieses an sich harmlose Adjektiv "normal", das in Gesprächen über Familienkonstellationen schnell unangebracht wirken kann. Es sei in Ordnung, sich auch mal unwohl zu fühlen oder Fehler zu machen, findet Marion Lüttig vom Regenbogenfamilienzentrum. Wichtig sei aber, Vorurteile zu hinterfragen. "Divers zu denken, kann man üben", sagt sie. Und habe man erst einmal verinnerlicht, dass es Vielfalt gibt, tue man sich damit leichter.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: