Reform:Schranken für Spekulanten

Neue Wohnungen können sich in der Stadt nur noch Spitzenverdiener leisten, und die Bodenpreise schießen weiter in die Höhe. Das will ein neues Bündnis verändern - und ruft zu einer anderen Bodenpolitik auf

Von Thomas Anlauf

Wenn innerhalb weniger Wochen die Immobilienpreise auf neuem Baugrund um bis zu 15 Prozent steigen, ist die Empörung groß, der Gesetzgeber aber meist machtlos. Auch die Stadt München kann eigentlich nur tatenlos zusehen, wie etwa die Bayerische Hausbau derzeit die Preise für Eigentumswohnungen am Nockherberg noch weiter nach oben treibt und mittlerweile mindestens 10 000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche in dem Neubaugebiet in der Au verlangt. "Wenn wir diese Auswüchse einbremsen wollen, muss die Politik auf Bundesebene endlich etwas tun", sagte Mietervereinsvorsitzende Beatrix Zurek am Dienstag zu einem entsprechenden SZ-Bericht. "Wir müssen über das Bodenrecht sprechen."

Genau darüber diskutiert eine Gruppe von Experten und Politikern seit einigen Monaten in München hinter verschlossenen Türen. Am Dienstagabend startete ein breites Bündnis von Initiatoren einen "Münchner Aufruf für eine andere Bodenpolitik". Allein in München hätten "sich die Bodenpreise für den Wohnungsbau in den letzten zehn Jahren verdreifacht", heißt es in dem Aufruf. Eine Eigentumswohnung zu erwerben sei in einer Stadt wie München "nur noch Spitzenverdienern vergönnt, nämlich circa zwei Prozent", sagt Christian Stupka, einer der Initiatoren des Bündnisses für eine Bodenreform. Der Mitbegründer der Wohnungsbaugenossenschaft Wogeno und der Stattbau GmbH warnt davor, dass mit der Explosion der Wohnungs- und Bodenpreise immer mehr Menschen ins Umland verdrängt werden, was auch die Pendlerproblematik mitsamt "eines absehbaren Verkehrsinfarktes und zunehmender Luftverschmutzung" verstärke.

Dem Bündnis des Münchner Aufrufs gehören unter anderem die ehemalige Stadtbaurätin Christiane Thalgott, der ehemalige Sozialreferent Frieder Graffe, Münchens Alt-Oberbürgermeister und ehemalige Städtetagspräsident Christian Ude sowie das Sozialpolitische Forum, die Urbanauten, die Evangelische Stadtakademie München und das Bündnis Bezahlbares Wohnen an. Die Initiative entstand Anfang des Jahres in München, im Mai diskutierten zahlreiche Experten auf einer Fachveranstaltung über "ein neues Bodenrecht für bezahlbaren Wohnraum". Ein Teilnehmer war Hans-Jochen Vogel: Er war von 1960 bis 1972 Münchner Oberbürgermeister, danach Bundesbau- und dann Bundesjustizminister. Seit den Sechzigerjahren fordert der ehemalige SPD-Bundesvorsitzende, gegen Bodenspekulationen vorzugehen. Erst vor zwei Wochen rief er in einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung den neuen Bundestag auf, eine Enquetekommission einzusetzen, um die steigenden Baulandpreise in den Griff zu bekommen. "Grund und Boden ist keine beliebige Ware, sondern eine Grundvoraussetzung menschlicher Existenz. Er ist unvermehrbar und unverzichtbar", schrieb Vogel in der SZ.

Es gehe um den sozialen Frieden in München, sagt Beatrix Zurek, Vorsitzende des Mietervereins

Vogel hatte als Bundesbauminister bereits 1974 einen Entwurf zur Novellierung des Bundesbaugesetzes vorgelegt, der auch eine Planungsgewinnabgabe beinhaltete. Diese wurde jedoch im Bundesrat abgelehnt. Die Initiatoren des neuen Bündnisses wollen nun die Debatte von damals wieder neu beleben und sich auch an die Bundespolitik wenden. "Wir suchen den Dialog mit Parteigremien und Mandatsträgern, um unseren Überlegungen Gehör zu verschaffen und die Mehrheitsfähigkeit konkreter Reformvorschläge auszuloten, heißt es in dem Aufruf vom Dienstagabend. In der ausgebuchten Podiumsdiskussion der Münchner Volkshochschule, zu der Christian Ude im Rahmen seiner Reihe "Politik der Woche" eingeladen hatte, diskutierten die Sprecher der Münchner Bodenrechts-Initiative Bernadette-Julia Felsch und Christian Stupka, Christiane Thalgott und Stadtkämmerer Ernst Wolowicz über die Frage, wie ein neues Bodenrecht aussehen könnte. Christian Ude sagte am Dienstagabend, er sei einer, "der das Thema seit 50 Jahren mit großem Groll verfolgt". "Wie kann es sein, dass Millionenbauern am Rande der Stadt für das Nichtstun Millionen einkassieren?" Heute fänden "Preisexplosionen genau dort statt, wo etwa eine Brauerei auf ihrem Gelände eine teure Wohngegend schafft". Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, um ein neues Bodenrecht zu schaffen, denn "die große Bedarfsexplosion" in Metropolen wie München stehe erst noch bevor.

Ziel einer Reform ist es nach Ansicht der Initiatoren, dass Bodenpreise eingefroren werden können und der Boden wieder als Allgemeingut betrachtet werden muss und nicht als Spekulationsobjekt. Das sieht auch Beatrix Zurek so: "Grund und Boden dürfen nicht länger Objekt für Spekulanten sein." Es gehe um den sozialen Frieden in der Stadt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: