Süddeutsche Zeitung

Recycling:In München wird zu wenig Plastik gesammelt

  • In den Münchner Containern kommt wenig Plastikmüll zusammen. Vielen Menschen ist der Weg wohl zu weit: Sie werfen ihre Verpackungen stattdessen in den Restmüll.
  • Wegen des neuen Verpackungsgesetzes könnte das im kommenden Jahr zum Problem werden.
  • Die Stadt will die Container dennoch nicht abschaffen, weil gelbe Tonnen und gelbe Säcke an wesentlich mehr Orten abgeholt werden müssten. Das belaste das Klima.

Von Michael Kläsgen und Pia Ratzesberger

In manchen Städten stehen gelbe Tonnen vor den Häusern. In manchen Städten stehen gelbe Säcke vor den Häusern. Doch in München sieht man beides nicht. Wer seinen Müll trennen will, hat es in dieser Stadt schwerer, denn er muss nicht nur für Glas oder Aluminium zum Container laufen, sondern auch für Verpackungen aus Plastik. Hin und wieder sind manche der Container voll, dann quellen die Verpackungen aus den Behältern. Doch daraus sollte man nicht schließen, dass München viel Plastik sammeln würde. In den Containern kommt viel weniger Plastik zusammen als anderswo - und nur dank eines Rechentricks fällt das nicht auf.

In Bayern sammelt man im Schnitt in einem Jahr mehr als 20 Kilo Plastik pro Kopf. In München aber sind es nur fünf Kilogramm, heißt es bei den Abfallwirtschaftsbetrieben. Der Weg zum Container ist vielen Menschen zu weit, sie werfen ihre Verpackungen in den Restmüll. Dann aber wird das Plastik nicht noch einmal sortiert, sondern direkt verbrannt, kann also nicht mehr recycelt werden. Dabei gibt das Gesetz vor, wie viele Verpackungen recycelt werden müssen.

Die Quoten unterscheiden sich nach den Materialien. Bei Plastik ist momentan vorgeschrieben, dass 36 Prozent aller Verpackungen recycelt werden müssen. Vom kommenden Jahr an wird die Quote auf 58,5 Prozent steigen, wegen des neuen Verpackungsgesetzes. Doch in München erfüllt man nicht einmal die erste Quote, bestätigen die Abfallwirtschaftsbetriebe.

Für die Verpackungen aus Plastik sind sie ausnahmsweise nicht selbst zuständig, sondern das sogenannte Duale System. Das wurde in den Neunzigerjahren geschaffen, damit sich die Unternehmen um die Verpackungen kümmern, die sie auf den Markt bringen. Sie zahlen Gebühren an das Duale System, das entsorgt ihren Müll. In München kümmern sich darum zwei Firmen. Wie viel Plastik sie sammeln, wird am Ende aber nicht nach Städten ausgewiesen, sondern nur nach Regionen oder Bundesländern. Bei der Berechnung erfolge ein Ausgleich zwischen Stadt und Land, bestätigt eine Sprecherin der Abfallwirtschaftsbetriebe. München gleicht seine schlechten Quoten also mit guten Quoten aus dem Umland aus; nur so fällt nicht weiter auf, wie wenig Plastik die Münchnerinnen und Münchner zum Recycling sammeln. Bei der Stadt hält man es trotzdem für keine gute Idee, die Container abzuschaffen.

Das Kommunalreferat ist für den Müll zuständig und dort heißt es, wenn man gelbe Tonnen oder gelbe Säcke aufstelle, müssten deutlich mehr Lastwagen durch die Straßen fahren. Wertstoffinseln gebe es um die 1000, doch Säcke oder Tonnen müssten an mehr als 100 000 Orten abgeholt werden. Das belaste das Klima. Außerdem blieben die Container für Glas ohnehin stehen, heißt es aus dem Kommunalreferat. Wenn man seine Gläser wegbringe, könne man die Verpackungen also mitnehmen - wobei eine Familie innerhalb einer Woche wahrscheinlich mehr Müll aus Kunststoff sammelt als aus Glas und sich mit ihrem Plastik deshalb öfter auf den Weg machen muss.

Sowohl das Kommunalreferat als auch die Abfallwirtschaftsbetriebe (AWM) argumentieren, dass auch wenn nur wenig Müll gesammelt werde, der Müll immerhin relativ sauber sei. Beim Kommunalreferat verweist man auf eine Studie des Bundesverbands Sekundärstoffe und Entsorgung, der zufolge etwa die Hälfte des Mülls in gelben Säcken und gelben Tonnen nicht dort hinein gehöre. "Die Leute werfen dann viel in die gelbe Tonne, weil sie für die im Gegensatz zum Restmüll keine Müllgebühren zahlen müssen", sagt Günther Langer von den Abfallwirtschaftsbetrieben. Sie stopften mehr in die gelbe Tonne, um Geld zu sparen - doch das macht es schwerer, den Müll zu recyceln.

Es ist ohnehin nicht einfach, aus altem Plastik neues zu machen. Es gibt Tausende verschiedene Kunststoffe, die Sortieranlagen können nicht alle erkennen und die verschiedenen Kunststoffe in einer Verpackung oftmals nicht mehr voneinander trennen. Auch deshalb wird das meiste Plastik in Deutschland noch immer verbrannt. Auch deshalb endet selbst Plastik aus den Münchner Containern manchmal im Heizkraftwerk Nord. Etwa zehn Prozent des Mülls dort ist Kunststoff.

In einer Sortieranlage der Firma Heinz in der Nähe des Flughafens heißt es, dass nur 38 bis 40 Prozent der Kunststoffe weitergehen zum Recycling - und dort wird noch einmal genauer sortiert, was wirklich verwendet werden kann und was nicht. Die Recycling-Quote liegt am Ende also wohl noch einmal niedriger.

Eine Sprecherin der Abfallwirtschaftsbetriebe sagt: "Der ökologische Nutzen des Sammelaufwandes ist damit infrage zu stellen." Die Kommunalreferentin Kristina Frank sagt: "Momentan ist aus ökologischen Gründen das Plastikmüll-Bringsystem für München am geeignetsten."

Allerdings bleibt das Problem, dass durch die Container wenig Plastik überhaupt die Chance bekommt, recycelt zu werden. In den schwarzen Tonnen macht Plastik nach wie vor etwa zehn Prozent des Mülls aus.

Die Plastik-Container sollen also bleiben, aber zumindest sollen es in den kommenden Jahren mehr werden. Um die Hälfte der Behälter in München kümmert sich die Firma Remondis. Dort heißt es, man sei auf der Suche nach neuen Plätzen. Es sei nur schwierig, solche zu finden, weil die Container nicht zu nahe an Häusern stehen und natürlich auch keine Wege blockieren dürfen - für die Genehmigung der Plätze ist wiederum die Stadt zuständig. Günther Langer von den Abfallwirtschaftsbetrieben sagt, man könne sich vorstellen, in Zukunft in neuen Wohngebieten die Container unterirdisch anzulegen, so dass man zum Einwerfen nur noch einen Deckel im Boden öffnen müsse. Außerdem hoffe man auf die Zusammenarbeit mit Supermärkten, damit Kunden ihre Verpackungen nach dem Einkauf noch am gleichen Ort wieder wegwerfen können.

Das Münchner System hat neben den schlechten Sammelquoten noch einen weiteren Nachteil: Es kann die Bürger auch mehr Geld kosten. Letztendlich zahlen alle Münchner, die ihren Müll nicht trennen, momentan zweimal. Einmal direkt im Laden. Denn Unternehmen legen die Gebühren für das Duale System auf den Preis der Produkte um - an der Kasse zahlt man für die Entsorgung der Verpackung also gleich mit. Und ein zweites Mal, wenn man für seine Restmülltonne bezahlt.

Beim AWM heißt es dazu, dass die Entscheidung, die Verpackungen in den Restmüll zu geben, bei den Bürgern liege. Der AWM belohne die Mülltrennung ohnehin, weil die Gebühren alleine über das Volumen in der Restmülltonne berechnet würden. Für die blaue Papier- und die braune Biomülltonne sind keine Gebühren fällig. Je weniger Müll in der schwarzen Tonne landet, desto billiger wird es. Außerdem seien die Müllgebühren in München im Vergleich der deutschen Großstädte seit Jahren die zweitniedrigsten nach Berlin.

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SZ vom 29.12.2018/baso
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