Süddeutsche Zeitung

Rechtsstreit um Eigenbedarfsklage:Verschwundener Mieter

Was passiert, wenn ein Ehepartner einen Mietvertrag unterschreibt und später aber auszieht? In München sind Vermieter mit einer Klage auf Eigenbedarf gescheitert - an einem früheren Bewohner, der inzwischen unauffindbar war. In vielen Mietverträgen könnten komplizierte Verwicklungen stecken.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

In vielen Mietverträgen könnte eine Zeitbombe ticken: Es geht um Fälle, in denen ein Ehe- oder Lebenspartner früher mal einen Mietvertrag mit unterschrieben hat - ist dann die Gemeinschaft aber zerbrochen und einer der Partner ausgezogen, bleibt dieser trotzdem Mieter mit allen Rechten und Pflichten. Das kann komplizierte Verwicklungen zur Folge haben. So wie im Fall eines Ehepaares aus Puchheim, das seit Jahren seine Münchner Wohnung nicht wie geplant nutzen kann, weil der Ex-Ehemann der Mieterin vor 15 Jahren nach Bosnien-Herzegowina verschwunden ist. Am Mittwoch wurde der Fall vor dem Landgericht München I verhandelt.

Die Puchheimer hatten 1999 in Sendling eine vermietete Zweizimmerwohnung gekauft, die einmal ihre Tochter bekommen sollte. Das sagten sie damals auch unverblümt der Mieterin, die dort seit 1979 wohnt: Erst mit ihrem Ehemann, aber der war nach der Scheidung schon vor dem Eigentümerwechsel zurück nach Sarajevo gegangen. "Wir wussten viele Jahre überhaupt nichts von dem Ex-Mann", sagten die klagenden Puchheimer nun vor Gericht. Man habe zwar bemerkt, dass ein Mann mit im Mietvertrag steht. "Aber wir dachten, er wäre vielleicht tot und wollten das Thema deshalb nicht anschneiden." Die Mieterin selbst habe niemals über ihren früheren Mann gesprochen.

Erst im Zuge der Räumungsklage kam der Ehemann ins Spiel

Die Mieterin hatte seinerzeit auf die Ankündigung einer möglichen Eigenbedarfskündigung in ferner Zeit sehr gelassen reagiert. Selbst als diese im Februar 2013 mit einer Kündigung zum November Realität geworden war, weil die Tochter nun mit ihrem Studium fertig war und mit ihrem Partner einen eigenen Haustand gründen wollte, sicherte die Mieterin weiterhin einen pünktlichen Auszug zu. Aber kurz davor ging sie dann zum Mieterverein und weigerte sich, die Wohnung zu verlassen.

Erst im Zuge der folgenden Räumungsklage kam plötzlich der verschwundene Ehemann und Mitmieter ins Spiel: Weil dem nicht ebenfalls gekündigt worden war, laufe der Mietvertrag weiter, entschied die Amtsrichterin zur völligen Überraschung der Puchheimer Vermieter.

Mieterin darf noch bleiben

Die wollten nicht glauben, dass ein schon lange verschwundener Mann, den sie überhaupt nicht kennen und der auch niemals Interesse an dem Mietverhältnis gezeigt hatte, die Eigenbedarfskündigung blockieren könne. Doch die Berufungsrichter der 14. Zivilkammer bestätigten nun diese Rechtslage. Formell hat der Anwalt der Eigentümer inzwischen eine Kündigung an eine Adresse in Sarajevo geschickt, unter der dieser Ex-Ehemann zu erreichen sein soll - bisher ohne Reaktion.

Um weitere Prozesse angesichts der verzwickten Lage zu vermeiden, einigte man sich auf Vorschlag des Gerichts immerhin, dass die Mieterin noch bis April 2016 bleiben darf, dann aber zwingend ausziehen muss.

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Quelle:
SZ vom 04.12.2014/ebri
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