Rechtsextremismus:Wie "Wodans Erben" Angst verbreiten

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Im Dezember beteiligten sich Mitglieder von "Wodans Erben" an einer rechten Kundgebung in der Innenstadt. (Foto: Sachelle Babbar/Imago)
  • Die als Bürgerwehr auftretende Gruppierung "Wodans Erben" sympathisiert offen mit dem Nationalsozialismus. In ihr sind auch Anhänger von Pegida, NPD und den Gelbwesten vertreten.
  • Die Rechtsextremisten provozieren mit martialischen Aufmärschen vor und in Flüchtlingsunterkünften, außerdem haben sie einen Fackelmarsch auf dem Nürnberger Reichsparteitagsgelände veranstaltet.
  • Der Verfassungsschutz hält "Wodans Erben" für gewaltaffin.

Von Martin Bernstein

Sie sympathisieren mit dem Nationalsozialismus und posieren vor NS-Bauten, sie suchen Flüchtlingsunterkünfte heim, um Angst zu verbreiten, und sie propagieren Gewalt. Die im Stil einer Bürgerwehr auftretende rechtsextremistische Gruppierung "Wodans Erben", die Ende Februar mit einem Fackelzug zum Nürnberger Reichsparteitagsgelände auf sich aufmerksam gemacht hat, ist bereits mehrmals in München aufgetreten. Im Februar etwa drangen Aktivisten der Gruppe in eine Moosacher Asylbewerberunterkunft ein. Die etwa 20 Personen starke Truppe, in der Aktivisten von Pegida München, der NPD und des rechten Flügels der "Gelbwesten" vertreten sind, wird vom Verfassungsschutz beobachtet. Auch die Polizei, der Moosacher Bezirksausschuss und die Regierung von Oberbayern wollen den Provokationen nicht mehr tatenlos zusehen.

Der letzte Vorfall ereignete sich am Samstagabend, kurz vor 19 Uhr. An der Villa Stuck stoppen Streifenwagen der Polizei eine Tram der Linie 17 Richtung Innenstadt. Beamte holen sechs Personen aus der Straßenbahn, nehmen deren Personalien auf und erstatten Anzeige wegen eines Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Einige aus der Gruppe tragen schwarze Jacken mit dem Emblem der "Wodans Erben" - ein Helm mit gekreuzten Äxten.

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:"Wodans Erben" sind gefährlich

Sie zeigen unverhohlen Sympathie für den Nationalsozialismus, schüchtern Menschen ein und rufen mit ihrem Auftreten permanent zu Kampf und Selbstjustiz auf. Dagegen sollten Gesellschaft und Justiz entschlossen vorgehen.

Kommentar von Martin Bernstein

Logo und Auftreten erinnern nicht von ungefähr an die bis vor einem Jahr aktive rechtsextremistische Bürgerwehr "Soldiers of Odin". Deren "Chapter" in Bayern und Baden-Württemberg haben sich im Sommer nach internen Querelen umbenannt, den originalen Twitter-Account aber beibehalten. Es hat sich ja auch auf dem Weg von Odin zu Wodan - zwei Namen für den altgermanischen Gott - nicht viel geändert. Die Wodansjünger machen allerdings noch weniger einen Hehl aus ihrer rechtsextremistischen Gesinnung. Und sie sind besser vernetzt in der rechten Szene Münchens und Nürnbergs.

Bilder vom Samstag zeigen, wie mehr als ein Dutzend Männer und Frauen der Odinstatue in einem Wäldchen hinterm Klinikum Bogenhausen einen Besuch abstatten. Es ist bereits die fünfte Aktion der Gruppe binnen sechs Wochen. Die Auftritte haben engagierte Bürger, Mitarbeiter der Fachinformationsstellen gegen Rechtsextremismus (Firm), Verfassungsschützer und die Münchner Polizei auf den Plan gerufen.

Unter den Spaziergängern sind die Münchner Kreisvorsitzende der NPD, Renate Werlberger, ein führender Aktivist von Pegida München, ein Münchner, der sich als "Sergeant at Arms" der Gruppierung bezeichnet, und ein Nürnberger in einem Kapuzenpulli mit der Aufschrift "Landser. Eine deutsche Legende". Ihre Aktivitäten lässt die Gruppe in verwackelten und unscharfen Filmen dokumentieren, die - wie der Auftritt am Samstag - von der ersten Strophe des Deutschlandlieds unterlegt sind. Auch hinter der Kamera stehen zwei Männer aus dem Umfeld der Nürnberger NPD und ihrer Tarnliste BIA.

Empörung hat ein Fackelmarsch der Gruppe am 23. Februar auf die Tribüne des ehemaligen Reichsparteitagsgeländes in Nürnberg ausgelöst. "Eine neue Qualität" habe das, urteilt der bayerische Verfassungsschutz. Die Gruppe bringe damit "unzweideutig die Sympathie für ein System politischer Gewalt- und Willkürherrschaft zum Ausdruck, in dem Menschenrechte systematisch missachtet wurden". Zuvor hatten die Rechtsradikalen sich vor der Flüchtlingsunterkunft in den früheren Grundig-Türmen versammelt. Der Probelauf für diese Provokation hatte jedoch schon zwei Wochen zuvor in München stattgefunden. Zwölf Männer und drei Frauen marschierten in geschlossener Formation in die staatliche Flüchtlingsunterkunft an der Franz-Mader-Straße in Moosach.

Verfassungsschutz geht von Affinität zu Gewalt aus

Ein Video zeigt, wie die Rechtsradikalen dort in martialischer Haltung auf einer Außentreppe posieren, in Fenster schauen und in eines der Gebäude gehen. Die Regierung von Oberbayern hat inzwischen Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Man verurteile die Vorfälle "aufs Schärfste". Die Bewohner der Einrichtungen sollten sofort die Polizei rufen, wenn Derartiges sich wiederhole. Außerdem sei man mit der Polizei im Gespräch. Konsequenzen fordern auch parteiübergreifend die Beauftragten gegen Rechtsextremismus im Moosacher Bezirksausschuss. Sie bezeichnen den Auftritt der Gruppierung als martialisch und bedrohlich. Die Sicherheit der Bewohner und Mitarbeiter der Einrichtung müsse gewährleistet werden, etwa durch einen Wachdienst auch während der Wochenenden. Die Moosacher Stadtteilvertreter werden den Antrag am kommenden Mittwoch beraten.

Das teils martialische Auftreten sowie der kämpferisch-aggressive Duktus der Beiträge in den sozialen Medien lassen nach Einschätzung des Verfassungsschutzes "eine grundsätzliche Affinität der Gruppierungen zu Gewalt erkennen". So werden die Mitglieder der Gruppe auf Facebook eingeschworen: "Seid bereit, zum Kampf, gegen jene, die uns vernichten wollen!" Zwei Tage nach der Odin-Wallfahrt vom Samstag zeigt die Gruppe auf ihrer Seite unter der Überschrift "Sicher ist sicher ..." eine Toilette mit griffbereit daneben platzierter Pistole. Und am Dienstag postet die Gruppe, die laut Facebook-Eintrag 4578 Personen "gefällt", den Spruch: "Der Tag, an dem ich aufgebe, ist der Tag, an dem ich sterbe. Ich bin Deutscher!"

Als wessen Erben die Münchner Wodansjünger sich in Wirklichkeit sehen, daraus machen die Urheber derart völkisch-verschwurbelter Sprüche kein Geheimnis: Nach der Provokation im Moosacher Flüchtlingsheim zogen die Rechtsextremisten am 9. Februar weiter zum Königsplatz und zum ehemaligen Führerbau an der Arcisstraße. Dort formierten sie sich zu einem Gruppenbild. In einem Youtube-Video ist die Szene überschrieben mit: "Der Balkon wo Adolf Hitler stand, um seine Parade abzunehmen. An den Tag wo Er Reichkanzler wurde."

© SZ vom 14.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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