Die Drohungen waren nicht zu übersehen: erst ein Stapel neonazistisches Propagandamaterial, dann nur Stunden später ein vor der Tür deponierter Schweinekopf. Rechtsradikale haben es offenbar auf die Münchner Agentur "David + Martin" abgesehen. Die Agentur zeichnete verantwortlich für die Landtagswahlwerbung der Grünen. 17,5 Prozent der Stimmen erreichte die Partei mit der in dem Dachbüro im Tal ersonnenen Wahlkampagne (Motto: "Du willst es? Dann wähl es.") am 14. Oktober. Zehn Tage später sahen sich die 20 Mitarbeiter der Agentur mit der Hassbotschaft konfrontiert. Das für politisch rechts motivierte Straftaten zuständige Staatsschutzkommissariat der Münchner Kriminalpolizei hat Ermittlungen aufgenommen.
Zunächst ist da dieses Paket. Gegen zehn Uhr wird es am Mittwoch vergangener Woche abgeliefert - per Nachnahme. 12,50 Euro muss die Agentur dafür berappen. Auf dem Adressaufkleber ist handschriftlich der angebliche Absender genannt: die Zentrale der auch in München aktiven Neonazi-Kleinstpartei "Die Rechte" in der Dortmunder Thusneldastraße. Tatsächlich finden die Mitarbeiter von "David + Martin" Propagandamaterial der Gruppierung, als sie die Sendung öffnen - Plakate und Flyer, in Luftpolsterfolie verpackt. "Zeit zu handeln" steht da und "Volksaufstand jetzt!".
Geschäftsführer David Stephan reagiert sofort. Zusammen mit seinem Kollegen Martin Eggert informiert er die Polizei. Die habe auch sofort ihre Kollegen in Dortmund kontaktiert, erzählt Stephan. Dann beschwert er sich per Mail bei der Neonazi-Partei. Sein Widerspruchschreiben endet mit den Worten: "Wir... freuen uns, ab sofort nie wieder etwas von Ihnen zu hören." Den Gefallen tut ihm "Die Rechte" nicht. Einen Tag später antwortet der Parteivorsitzende Sascha Krolzig, seine Gruppierung habe mit diesem "schlechten Scherz" nichts zu tun - und wolle auch mit der Agentur nichts zu tun haben, "zumindest bis zur Änderung der politischen Verhältnisse in unserem Land".
Nur drei Stunden, nachdem Stephan seine Mail abgeschickt hat, ist die Aufregung im Haus erneut groß. Jemand hat einen Schweinekopf vor die Türe geworfen, am helllichten Tag, mitten in der Münchner Innenstadt. Wer das auch getan hat - er kannte die Örtlichkeiten. Denn der Eingangsbereich zu dem Geschäftshaus, in dem laut Polizei insgesamt zwölf Firmen ihren Sitz haben, ist teilweise von einer Baustelle verdeckt und derzeit nicht ohne weiteres einsehbar. Die Polizei gibt sich auf Anfrage noch zurückhaltend. Ja, der Staatsschutz ermittle, heißt es, aber nein, eine offene Bedrohung sei nicht erkennbar, auch sei noch nicht klar, ob der Schweinekopf überhaupt der Agentur gegolten habe. Das alles werde jetzt "geprüft". Für David Stephan freilich ist "der Zusammenhang klar". Hinter der Drohung stecken nach seiner Einschätzung "sicher Neonazis aus München".
Tatsächlich deponieren Rechtsradikale immer wieder Schweineköpfe vor Häusern ihrer Gegner. Betroffen waren in der Vergangenheit Moscheen, Synagogen und Gedenkstätten, aber auch beispielsweise die Bundeskanzlerin. Im Mai 2016 legten Unbekannte einen Schweinekopf vor Angela Merkels Wahlkreisbüro in Stralsund. Der Autor eines rechten und islamfeindlichen Internet-Blogs schrieb dazu: "In Italien werden seit ewigen Zeiten Ratten als Symbol für den Empfänger verschickt... In Deutschland werden ... als Zeichen des Protests Schweine abgelegt - symbolisch."
Dass die Drohung nur symbolisch gemeint ist, bezweifelt der Geschäftsführer der Agentur. Er habe sich schon öfter gegen den Rechtsruck geäußert, sagt Stephan, Anfeindungen habe er erwartet. "Aber nicht in der Heftigkeit." Jetzt wird das Haus überwacht. Auch die Nähe zur Altstadtwache der Polizei gibt den Mitarbeitern der Agentur ein gutes Gefühl - angesichts der Drohungen vom vergangenen Mittwoch allerdings nur ein "semigutes", wie Mitinhaber Martin Eggert sagt. Einschüchtern lassen will sich die Agentur freilich nicht. Das Hundertfache des für die Paketsendung bezahlten Nachnahmebetrags haben die Inhaber für die "Schlauschule" gespendet, die jungen Flüchtlingen hilft.
Katharina Schulze, Spitzenkandidatin der Grünen, verurteilte am Montag "die rechtsextremistischen Bedrohungen gegen unsere Werbeagentur aufs Schärfste". Es dürfe nicht sein, dass eine Werbeagentur eingeschüchtert werden solle, weil sie sich politisch engagiert habe. Auch Schulzes Stimmkreisbüro nahe dem Nordbad ist drei Tage nach der Bayern-Wahl attackiert worden. Der Schaden an der Fensterscheibe deute auf einen Stein oder eine Zwille hin, vermutet sie. Schulze und ihr Kollege Dieter Janecek haben Anzeige erstattet.