Rea-Garvey-Konzert:Kasperltheater in Kapseln

Rea-Garvey-Konzert: Ein paar Zuschauer drehen sich im Kreis - und Rea Garvey liefert dazu den passenden Soundtrack für schwindelerregende Zeiten.

Ein paar Zuschauer drehen sich im Kreis - und Rea Garvey liefert dazu den passenden Soundtrack für schwindelerregende Zeiten.

(Foto: Ivana Bilz/BR)

Rea Garveys Konzert für Bayern 3 vor 50 Zuhörern in den Gondeln des Riesenrads im Werksviertel

Von Michael Zirnstein

Langsam läuft es, im Zusteigetempo, bis die 50 Gewinner auf 27 Gondeln verteilt sind. Man süffelt die beim Boarding ausgeteilten Piccolöchen, knabbert an den Nüsschen aus der Snacktüte, hört ein erstes Krächzen aus der Leisesprecherbox, checkt Wlan und Live-Kamerabild der leeren Bühne auf dem Handy. Man denkt an die Mail jener Mitmenschen, die tüchtigen Radiorock nicht allzu sehr schätzen und warnten, dass sich der Albtraum, in einem ewig rotierenden Riesenrad gefangen zu sein, noch verschlimmere, wenn man dabei Songs von Rea Garvey hören müsse.

Bei Bayern 3 ist man begeistert von der eigenen Idee, seinen "Kernkünstler" bei einem "Liveclub" für ausgeloste Hörer vor dem sogetauften "Umadum" im Werksviertel spielen zu lassen. Ist ja ein Sinnbild für diese verrückte Zeit, das Auf und Ab ohne Vorwärtskommen, das Leben in Plexiglasblasen, und die Kultur muss draußen bleiben und streamen. Die Unterhaltungsbranche muss "kreative Herangehensweisen finden", hat Edi van Beek gesagt, der Musikchef des Senders, der Garveys Band Reamonn vor 20 Jahren als Erster spielte: "Wenn wir als Öffentlich-Rechtliche dabei nicht die Speerspitze sind, wer dann?"

Rea-Garvey-Konzert: Rea Garvey gibt vor dem Riesenrad im Werksviertel ein Konzert.

Rea Garvey gibt vor dem Riesenrad im Werksviertel ein Konzert.

(Foto: Sebastian Gabriel)

Weil der Berliner Ire derzeit durch seine durchaus amüsierende Juroren-Tätigkeit in TV-Top-Shows wie "The Masked Singer" und "The Voice" präsenter ist als viele andere virusgebremste Musikstars, gab es einen Riesenandrang auf Rea im Riesenrad, wenn auch keinen Riesenrummel, weil sich der Veranstalter bei einem der letzten Rockkonzerte für lange Zeit brav an Söders strenge "50" hielt.

Rea-Garvey-Konzert: Die Zuschauer, die zugelassen sind, schauen sich das Konzert aus den Gondeln des Riesenrads an.

Die Zuschauer, die zugelassen sind, schauen sich das Konzert aus den Gondeln des Riesenrads an.

(Foto: Sebastian Gabriel)

"Es fühlt sich komisch an, gleichzeitig freut man sich, dass wir das hinkriegen", funkt Garvey "frisch getestet" zu Beginn seines einzigen Konzertes 2020 in die Gondeln. Sein Jury-Kollege Samu Haber hatte Corona, deshalb habe auch er ständig Stäbchen in der Nase. "Lasst uns diese Crazyness genießen." Das dauert etwas, denn die "völlig überprobte" Band hat viele der neuen Songs wie die aktuelle Single "Talk To Your Body" nie live gespielt, und beim Handy-Lämpchen-Applaus springt auch noch kein Funke aus den Gondeln zur Bühne tiefdrunten zurück.

Aber dann zündet Reas Superkraft, sein charmantes Pub-Kasperltheater. Er erzählt was von 2,7 Millionen Euro, die in einer der Gondeln versteckt seien, und vom ersten Schwimmbadbau 1620 in Bayern, der zum Namen Beckenbauer führte. Da geht's auch mit den Songs rund, etwa als mit Billy Eilishs "Ocean Eyes" und Reamonns "Supergirl" zwei Superhits ineinanderfließen. Die Passagiere öffnen nun bei jeder Tal-Ankunft die Schleusentür und brüllen zum Sänger hinüber, als wollten sie ein Kind von ihm. Weil er aber fernbleiben muss, wird in einer Gondel tatsächlich jemand anderem ein Heiratsantrag gemacht. Was irgendwie zu Reas Parole zum Lockdown passt: "Es kommt wieder, Leute! Wir meistern diesen Shit. Seid lieb zueinander verbunden."

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