Razzia in München:Schlag gegen die "Tacho-Mafia"

Bei einer Großrazzia hebt die Polizei eine Bande aus: Diese soll Kilometerzähler manipuliert und Fahrzeugpapiere gefälscht haben.

Susi Wimmer

Mit einer großangelegten Razzia hat die Polizei am Dienstag die so genannte Tacho-Mafia ausgehoben: Hauptsächlich in München und der Region, unter anderem Starnberg und Fürstenfeldbruck, durchsuchten mehr als 500 Beamte, Steuerfahnder und Staatsanwälte 150 Betriebe und Privatwohnungen und schleppten mehr als 230 Autos zur Beweisführung ab. Den Verdächtigen wird vorgeworfen, Tachos manipuliert und Fahrzeugpapiere gefälscht zu haben, um erworbene Autos gewinnbringend verkaufen zu können. 26 Männer, hauptsächlich Autohändler, nahm die Polizei fest, der Schaden geht in die Millionenhöhe.

Dekra: Bis zu 30 Prozent der Gebrauchtwagen-Tachos manipuliert

Großrazzia der Polizei: Die Beamten haben die so genannte Tacho-Mafia ausgehoben.

(Foto: ddp)

Ein Anwohner in der Augustenstraße staunte nicht schlecht, als am Dienstag gegen 10.30 Uhr ein Großaufgebot an Polizisten mit Abschleppwagen auftauchte und aus der Garage Luxusgefährte wie Porsche, Mercedes oder Audi A8 abtransportieren ließ. Auch diverse Autohändler etwa an der Bodenseestraße und Landsberger Straße bekamen Besuch von den Herren in Grün, andere Verdächtige wurden frühmorgens von Kräften des Sondereinsatzkommandos noch im Bett überrascht.

Auch ein Betrieb an der Marsstraße, der mit der Tafel "Hier Pixelentfernung" wirbt, gehörte zu den Zielobjekten der Polizei. "Pixelentfernung" schien das Codewort zu sein: Denn die Mechaniker in diesen Betrieben waren nicht nur darauf spezialisiert, kleine Unreinheiten im Display der Tachoanzeige verschwinden zu lassen. Die Bande war vielmehr in der Lage, den kompletten Speicher der Kilometerzähler zu löschen und nach Bedarf zu manipulieren.

Ob die 22 Hauptbeschuldigten hauptsächlich Leasing-Rückläufer aus Italien aufkauften und dann in Deutschland die Tachos frisierten, wird die "Ermittlungsgruppe Tacho" der Polizei noch klären. Fest steht, dass die Betrüger technisch versiert waren. Sie hatten das nötige Equipment, um etwa Spezialchips in hochkomplizierte Tachoanlagen einbauen zu können.

Entweder reduzierten sie auf diese Weise die angezeigten Kilometer am Tacho, oder sie konnten die Anzeige so einstellen, dass der Tacho nur jeden zweiten gefahrenen Kilometer registrierte. Diese Techniken machten sich nicht nur die Autohändler zu nutzen, auch bei den Besitzern von Leasingfahrzeugen oder Taxis war die Methode der Kilometerreduzierung offenbar sehr beliebt.

Von 6.30 Uhr an bis in die Nacht durchsuchten die Einsatzkräfte Privatwohnungen und Geschäftsräume, stellten Beweismaterial wie Computer, Geschäftsunterlagen und technisches Equipment sicher und hatte erstmals auch den Geldschein-Suchhund "Balou" mit dabei: Der ist frisch ausgebildet und soll tatsächlich Geldscheine erschnüffeln können. Zu tun hatte "Balou" genug, bis zum frühen Abend sicherten die Beamten 550.000 Euro Bargeld sowie Sachwerte wie Schmuck in Höhe von 250.000 Euro. In München war der Abschleppdienst mehr als ausgelastet, die Verwahrstelle der Polizei platzte aus allen Nähten. Gegen 16 Uhr meldete die Polizei 235 sichergestellte Fahrzeuge. Die Endzahl des Tages blieb offen.

Aufgeflogen waren die Tachofälscher, weil bereits 2009 die Kripo in Kempten gut ermittelt hatte: Die hob eine Bande aus, die in Füssen, Kempten und auch in München mit dieser Masche aktiv war. Die Münchner nun hatten ihr Netz über die Stadt und über die Region gespannt, unter anderem nach Herrsching, Germering, Olching und Gröbenzell, teilweise noch ins restliche Bayern. Kann sein, dass bei der Auswertung der Materialien eine noch größere Dimension des bandenmäßigen Betrugs ans Tageslicht kommt.

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