Raumfahrtzentrum:Es geht hoch hinaus

Raumfahrtzentrum: Bei seinem Besuch im Januar in Ottobrunn skizzierte Ministerpräsident Markus Söder seine Weltraumpläne.

Bei seinem Besuch im Januar in Ottobrunn skizzierte Ministerpräsident Markus Söder seine Weltraumpläne.

(Foto: Claus Schunk)

Der Bund unterstützt den Aufbau einer Satelliten-Testanlage in Ottobrunn und Taufkirchen mit 230 Millionen Euro

Von Martin Mühlfenzl, Ottobrunn/Taufkirchen

Ob Bayerns Minister Präsident Markus Söder (CSU) mit seinem Einzug in die Staatskanzlei ganz oben angekommen ist, wird sich erst noch erweisen müssen. Fakt ist aber, dass der 52-Jährige sein ganzes politisches Leben nur eines will: hoch hinaus. So muss auch seine Entscheidung interpretiert werden, in Ottobrunn und Taufkirchen in den kommenden Jahren die größte Fakultät für Luft- und Raumfahrt in Europa mit mehr als 2000 Studierenden und mehr als 50 Professuren aufbauen zu wollen. Nur mit dem Blick von oben, begründet Söder seinen Entschluss, könne verstanden werden, wie unten alles besser geregelt werden könne.

Das deutsche Herz der Luft- und Raumfahrt schlägt schon länger im Landkreis München. Und seit Freitag pulsiert es ebenso wie jenes des Ministerpräsidenten noch ein wenig heftiger: Der Bundestag hat entschieden, insgesamt 230 Millionen Euro für eine Testanlage für optische Satelliten bei der Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft, kurz IABG, in Ottobrunn und Taufkirchen freizugeben. Mit diesem Beschluss des Haushaltsausschusses für die Bereitstellung der entsprechenden Finanzmittel werde einmal mehr deutlich, welche Bedeutung der Luft- und Raumfahrtstandort im Landkreis München habe, sagt der Putzbrunner CSU-Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Generalsekretär seiner Partei, Florian Hahn. Das neue Raumfahrttestzentrum bei der IABG, so Hahn weiter, werde dabei helfen, eine "einzigartige Fähigkeit" in Deutschland zu entwickeln. Konkret soll in Taufkirchen und Ottobrunn zum bestehenden Raumfahrttestzentrum (RTZ) eine neue Testanlage aufgebaut werden. Das Management des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR RFM) soll aufgrund seiner Fachexpertise die Auftragsvergabe und Projektbegleitung umsetzen.

Wie einig sich Politik und Wirtschaft sind, wenn es um die Bedeutung der Luft- und Raumfahrt im Landkreis München, aber auch für die gesamte bayerische und deutsche Forschungslandschaft geht, wurde beim Besuch des Ministerpräsidenten bei der IABG Anfang des Jahres deutlich. Damals sagte IABG-Geschäftsführer Rudolf Schwarz, die Raumfahrt sei eine der "bayerischen Schlüsseltechnologien", und die IABG bereit, den Aufbau der Fakultät an diesem Standort nicht nur zu begleiten, sondern als enger Partner auch aktiv mitzugestalten. "Diese Fakultät passt zu uns", sagte Schwarz. "Wir sind darauf vorbereitet." Die Öffnung des Dienstleistungsunternehmens für Tests und Analysen hin zur Lehre und auch zu Studierenden macht einerseits deutlich, dass Unternehmen und Universitäten die enge Kooperation brauchen; und sich anderseits Firmen wie die IABG, die auch in Themenfeldern wie Rüstung und Verteidigung, also militärischer Forschung tätig sind, neuen Entwicklungen nicht verschließen. Dazu zählt etwa auch der Klimaschutz.

Am vergangenen Freitag gewährte die IABG gemeinsam mit ihren Partnern - darunter die Europäische Weltraumorganisation (Esa), die Europäische Kommission, die Nasa und Airbus - einen letzten Blick auf den Copernicus-Sentinel-6-Satelliten, der derzeit getestet und auf seinen Start Ende 2020 von der Vandenberg-Air-Force-Base in Kalifornien vorbereitet wird. Die IABG zeichnet für die Erprobung des Satelliten verantwortlich.

Copernicus-Sentinel-6 soll insbesondere die Meeresspiegelhöhen und die Eisdicke vermessen. Hintergrund ist der schleichende Anstieg des globalen Meeresspiegels. Von 1993 bis 2018 betrug dieser jährlich 3,2 Millimeter, in den vergangenen Jahren hat sich der Anstieg beschleunigt und wird voraussichtlich weiter ansteigen. Daher, so heißt es von IABG, seien permanente Beobachtungen der Weltmeere erforderlich. Aufgrund der Dimensionen - die Ozeane bedecken 70 Prozent der Erdoberfläche - kann dies nur mit dem Einsatz von Satelliten aus dem All gelingen. Alle zehn Tage wird Copernicus-Sentinel-6, ausgestattet mit einem Radarhöhenmesser als Hauptsensor, bis zu 95 Prozent der Ozeane der Erde kartieren; eine Aufgabe, die bisher eine Flotte aus Satelliten erledigt hat. Der Nutzen der Luft- und Raumfahrt und vor allem der Einsatz von Satelliten soll aber nicht nur globale Entwicklungen abbilden können. Ministerpräsident Söder machte bei seinem Besuch bei der IABG auch deutlich, dass davon etwa auch die Landwirtschaft profitieren könnte sowie der Artenschutz. Der Blick von oben, so Söder, werde eben immer wichtiger.

Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass es für den Standort Ottobrunn und Taufkirchen hoch hinaus gehen wird. Eine neue Fakultät, Tausende Studierende, neue Hightech-Firmen, die der Boom voraussichtlich anziehen wird, ein möglicher neuer Start-up-Campus des Landkreises, das Satelliten-Raumfahrttestzentrum bei der IABG - das Wachstum wird spürbare Folgen haben. Das macht Ottobrunns Bürgermeister Thomas Loderer (CSU) bei jeder sich bietenden Gelegenheit deutlich: Nur ein paar Fakultätsgebäude hochziehen, reiche nicht, so Loderer. Die Infrastruktur müsse zwingend mitwachsen. Mit einer besseren Anbindung etwa durch die Verlängerung der U-Bahn von Neuperlach-Süd bis zur IABG und ins Gewerbegebiet Brunnthal-Nord oder neue Park-and-ride-Anlagen. Wer hoch hinaus will, muss auch am Boden bleiben.

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