Rauchverbot: Wiesnwirte:"Wir werden keinem den Arm abreißen"

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Zwischen bitterem Spott und demonstrativer Gelassenheit: Die Oktoberfest-Wirte fügen sich und akzeptieren das Rauchverbot. Nur - wo sollen die Besucher künftig qualmen?

M. Ruhland u. A. Schubert

Wäre Toni Roiderer in die Politik gegangen und hätte er ein Wörtchen mitzureden gehabt beim Thema Nichtraucherschutz, er würde jetzt wahrscheinlich seine eigene Partei gründen. Nicht etwa eine Raucherpartei, denn Roiderer ist selbst bekennender Nichtraucher. Eher eine, die sich die Liberalitas Bavariae auf ihre Fahnen schreiben würde. Denn um die steht es schlecht, sagt Toni Roiderer einen Tag nach dem Volksentscheid, der Bayern vom 1. August an das bundesweit strengste Anti-Raucher-Gesetz bringen wird.

Der "Himmel der Bayern" wird bald klarer: Nur noch heuer will die Stadt Verstöße gegen das Rauchverbot in Wiesnzelten nicht ahnden, um den Wirten Zeit zu geben. Von 2011 an soll es aber kein Pardon mehr geben. (Foto: ap)

Nun ist der Metzgermeister aus Straßlach nicht Politiker geworden, sondern Wirt. Und als Sprecher der Wiesnwirte redet der 65-Jährige gerne Tacheles. "Mich enttäuscht, dass sich die Politiker nicht hinter ihr Gesetz gestellt haben", sagt er. "Die hatten Angst um Wählerstimmen." Was Roiderer in Rage bringt, sind die vielen "Weltverbesserer", die sich immer mehr in der Vordergrund drängten. "Was mir fehlt, ist die Toleranz", bekundet er. Man könne doch auch mal wegschauen, selbst wenn man im Recht sei. Fragt man den Wiesnwirte-Chef, ob das mit der Toleranz nicht eher andersherum zu sehen sei, dass der Raucher die Sphäre des Nichtrauchers schützen müsse, kommt eine klare Ansage: "Die Wiesn ist kein Reha-Zentrum, sondern ein Vergnügungszentrum." Basta.

Roiderer hatte in der Debatte um Rauchverbote nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die bisherige Regelung mit den Ausnahmen unter anderem für Volksfeste und kleine Kneipen für völlig ausreichend hält. Den Aufstand will er nach dem Entscheid dennoch nicht proben. "Ich bin Realist, ich setze das jetzt um", verkündet er. Beim Kreisverwaltungsreferat hat er sich schon kundig gemacht, er werde also Schilder im Hackerzelt aufhängen müssen, die auf das Rauchverbot hinweisen.

Und wenn einer trotzdem qualmt? Dann weise ihn die Bedienung auf das Verbot hin, notfalls der Sicherheitsdienst. "Wir werden aber keinem den Arm abreißen", stellt Roiderer klar. "Wer nicht aufhört, kriegt halt kein Essen und kein Bier mehr." Wohlgemerkt erst ab 2011, denn dieses Jahr werden Verstöße laut KVR noch nicht geahndet.

Von eigenen Raucherzonen im Freien hält der Chef des Hackerzeltes dagegen nichts. Wie solle die Bedienung wissen, ob einer nur zum Rauchen rausgegangen sei oder gar nicht mehr komme? Das könne man nicht vernünftig regeln, sagt Roiderer. Streit um plötzlich besetzte Plätze sei dann vorhersehbar. Der Standpunkt des Wirtesprechers ist unmissverständlich: "Ich habe das Gesetz nicht geschaffen, also löse ich auch das Problem nicht." Wer rauchen wolle, solle das beim Herkommen oder Heimfahren tun - das Hackerzelt bleibe jedenfalls rauchfrei.

Auf "körperliche Misshandlungen" verzichten

Ähnlich sieht das Ludwig "Wiggerl" Hagn, Wirt der Löwenbräu Festhalle. "Wenn ich nach Amerika fliege, darf ich auch acht Stunden nicht rauchen", sagt Hagn. Genauso werde sich der Wiesn-Besucher an das neue Gesetz gewöhnen. Raum für Raucher will auch der Löwenbräu-Wiesnwirt nicht eigens schaffen. "Stellen Sie sich vor, ein ganzer Tisch will raus zum Rauchen: Wie soll das gehen?" Wiggerl Hagn, 70, ist sich jetzt schon sicher, dass sich Raucherbereiche nicht bewähren werden. "Von Montag bis Donnerstag ginge das vielleicht, aber an den Wochenenden ist es undenkbar", sagt er. Der Wiesnwirt nennt noch einen anderen Grund, warum das Löwenbräu-Zelt zum Nichtraucherzelt werde: "Ich weigere mich, irgendwelche Raucher-Ghettos einzurichten, wo dann die Leute mit dem Finger draufzeigen." Sollte sich einer nicht an die neuen Regeln halten, will Hagn "auf körperliche Misshandlungen" verzichten. "Ich bin nicht die Vollzugsperson, die deshalb jemanden rausschmeißt." Härter geht Hagn dagegen bald mit seinem Personal im Unionsbräu zur Sache. "Wenn ich einen Mitarbeiter beim Rauchen im Haus erwische, bekommt er eine Abmahnung, und beim nächsten Mal fliegt er."

Mit dicken Zigarren und der Davidoff-Party ist es künftig im Hippodrom vorbei. Wirt Sepp Krätz bleibt trotzdem gelassen. "Ich respektiere den Volksentscheid und klage die Leute an, die nicht zur Wahl gegangen sind und jetzt jammern", sagt er. Krätz sucht aber im Gegensatz zu seinen Kollegen Roiderer und Hagn nach Lösungen für die Raucher. Eine kann er schon in dieser Saison testen, denn auf der Westseite des Zeltes entsteht ein vom Dach geschützter Balkon, der etwa 200 Gästen Platz bietet. "Wir können hier Erfahrungen sammeln. Das ist für das KVR gut und für meine Kollegen."

Der Hippodrom-Wirt kann sich auch vorstellen, den Zeltgarten zu erweitern. Auf keinen Fall will er etwas vom jetzigen Biergartenbereich abzwacken und als Raucherzone deklarieren. "Man darf nicht wegen der Raucher andere Gäste aussperren", findet er. Ein größeres Problem sieht Krätz nicht auf sich zukommen. Es werde ein wenig dauern, bis sich alle an das Verbot gewöhnt hätten. Insofern sei er der Stadt München für die Ankündigung dankbar, diese Saison Kulanz walten zu lassen. Krätz' Credo: "Der Mensch ist mündiger als man denkt."

Auch Günter Steinberg, Wirt des Hofbräu-Zeltes, sieht die Wiesn 2010 in einer Testphase. Weil das Qualmen in dieser Saison zwar illegal sei, aber nicht geahndet werde, sei es noch zu früh über größere bauliche Veränderungen nachzudenken, sagt er. Heuer sind lediglich Ordner und Bedienungen dazu angehalten, rauchende Gäste auf das Verbot aufmerksam zu machen. Auch in den Speisekarten stehe ein Hinweis. Und wie schon vergangenes Jahr wird es keine Aschenbecher auf den Tischen und keine Zigaretten und Zigarren im Zelt zu kaufen geben.

Im HB-Zelt könnte es schon auf dieser Wiesn eine von außen abgetrennte Freifläche für etwa 150 Besucher geben, allerdings nur mit Stehplätzen. "Ob das wirklich geht, müssen wir aber erst mit den Behörden klären", sagt Steinberg. Denn die Gänge müssen eigentlich freibleiben. Hin und her laufende Gäste könnten aus Sicht des Brandschutzes ein Problem werden. "Es stehen ohnehin immer zu viele Leute in den Gängen herum", sagt Steinberg.

"Ich mach mir da keinen Stress"

Dass es wegen des Rauchverbots Ärger mit den Gästen geben wird, glaubt Peter Pongratz nicht - auch wenn er nach eigenem Bekunden betrübt ist über den Ausgang des Entscheids. "Ich glaube, wir kriegen eine Lösung hin, mit der alle zufrieden sind", sagt er. "Wir führen das durch, ich mach mir da keinen Stress." Sein neues Winzerer Fähndl ist mit 420 zusätzlichen Plätzen von diesem Jahr an deutlich größer. Diesen Bereich könnte man vom nächsten Jahr an ins Freie verlegen. In seinem Zelt werden Besucher dieses Jahr noch nicht auf das Rauchverbot hingewiesen.

Toni Roiderer übt sich derweil schon mal in Sarkasmus. "Bisher hat uns die Welt um das Oktoberfest beneidet", sagt der Festwirt. Sechs Millionen Besucher kämen jedes Jahr ohne große Werbung zur Wiesn. "Jetzt schaun mer mal, was man noch alles machen kann, damit es weniger werden."

© SZ vom 06.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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