Rathauskoalition:Bröckelndes Bündnis, außergewöhnliche Allianz

Kirche kritisiert Asylpolitik

Die evangelische Kirche in der Region München möchte sich noch stärker als bisher für Flüchtlinge einsetzen. Bei der Sitzung der Dekanatssynode am Dienstagabend positionierten sich zudem mehrere Kirchenvertreter deutlich gegen die Flüchtlingspolitik der CSU-Staatsregierung.

Flüchtlinge bräuchten Schutz, Herberge und Angebote zur Integration, heißt es in einer Stellungnahme, die das Gremium einstimmig verabschiedete. Die Zunahme von Rassismus und fremdenfeindlichen Übergriffen dürfe man nicht zulassen. Die Kirche wolle mit Initiativen und staatlichen Stellen zusammenarbeiten und den Behörden zum Beispiel helfen, Anschlussquartiere zu finden, in die Flüchtlinge nach der Erstunterkunft ziehen können. Um die Suche zu koordinieren, will die Synode einen eigene Stelle schaffen. Die Rede ist auch von "unkonventionellen Lösungen", etwa einer Umwandlung von Gewerbeimmobilien in Wohnraum. "Wir sind bereit, eigene Abläufe und Planungen zurückzustellen, um den Menschen zu helfen, die zu uns kommen", heißt es in dem Papier.

"Es ist nicht davon auszugehen, dass morgen alles gut ist", sagte Stadtdekanin Barbara Kittelberger am Dienstag. Grenzen würden Menschen nicht aufhalten. Aber: "Ich möchte fast sagen, wie Angela Merkel: Wir schaffen das!" Kittelbergers Zuversicht teilten die meisten der Synodenmitglieder - allerdings könne die Stimmung auch kippen, warnte das Pasinger Synodenmitglied Kurt Braml. Die Kirche müsse daher die Staatsregierung bei allen Integrationsbemühungen unterstützen. Als "gruselig" bezeichnete dagegen Klaus Schultz, Diakon der Dachauer Versöhnerkirche, den Vorschlag von Finanz- und Heimatminister Markus Söder, das Asylrecht einzuschränken. Die politische Diskussion über Deutschlands Aufnahmefähigkeit werde ohnehin "stark verkürzt" geführt, sagte Eike Schulz vom Prodekanat München-Südost. Flüchtlinge seien nicht ewig auf Hilfe angewiesen. Man müsse sie vielmehr rasch zu sinnvollen Mitgliedern der Gesellschaft machen, dann würde auch die Gemeinschaft von ihnen profitieren. Die Kirche müsse bei dieser Aufgabe helfen. wet

CSU und SPD streiten über Flüchtlinge, der Nachwuchs der Parteien dagegen zeigt Einigkeit in Asylfragen

Von Dominik Hutter und Kassian Stroh

Im Rathaus bilden sie ein Bündnis - beim Thema Flüchtlinge sind sie meilenweit voneinander entfernt: Die CSU hat den Münchner Sozialdemokraten vorgeworfen, in der Asylpolitik eine extreme und isolierte Position einzunehmen. Es sei "weltfremd und fahrlässig", unbegrenzt immer neue Menschen aufnehmen zu wollen, wettert der Zweite Bürgermeister Josef Schmid. In München seien die Grenzen der Belastbarkeit inzwischen erreicht.

Der Vorstand der Münchner SPD hatte sich zuvor mit ungewöhnlich harschen Worten von Parteichef Sigmar Gabriel distanziert und der Bundes-SPD sowie der Bundestagsfraktion Populismus und Stimmungsmache in der Flüchtlingspolitik vorgeworfen. "Die SPD steht zum uneingeschränkten Grundrecht auf Asyl", steht in einer Erklärung der Münchner Genossen, die deshalb die von Gabriel vorgeschlagene Begrenzung bei der Aufnahme weiterer Menschen ablehnen. Die Antwort auf Ängste in der Bevölkerung und der richtige Lösungsansatz müsse eine Politik der sozialen Gerechtigkeit sein. "Integration wird gelingen, wenn wir uns auf die konkreten Herausforderungen konzentrieren, statt Stimmung in der Bevölkerung zu machen".

Aus Sicht von Münchens CSU-Chef Ludwig Spaenle verfolgen die Sozialdemokraten damit eine "ausschließlich von Emotionen geleitete Haltung". Zwar müssten Menschen, die vor Krieg und Leid nach München flüchten, menschenwürdig aufgenommen und integriert werden. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass der Zuzug geordnet und beherrschbar ablaufe. Menschen ohne Bleibeperspektive müssten Deutschland umgehend wieder verlassen. Auch Schmid warnt vor einer unkontrollierten und unbegrenzten Zuwanderung, die auch unter Sicherheitsaspekten nicht zu verantworten sei. "Ich bin für eine bunte Stadtgesellschaft, aber die innere Balance muss intakt bleiben". Die SPD stelle die Ideologie über die Interessen der Stadt.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kritisierte die neu aufgeflammte Flüchtlingsdebatte. "Ich bin es leid, mich mit solchen Wortgebilden abzuarbeiten", erklärte er. "Es gibt keine Vorschläge, weder von der einen, noch der anderen Seite, wie man konkret damit umgehen und Probleme lösen will". Derartige "Schattengefechte" seien eher hinderlich, weil sie in der Bevölkerung Stimmung machten. Florian Roth, der Fraktionschef der Rathaus-Grünen, warf der CSU vor, die Zuwanderung von Flüchtlingen parteipolitisch zu instrumentalisieren. "Mit ängstlichem Krisengerede ist niemandem geholfen", sagte Roth. Wer wie Schmid davon spreche, dass in München die Grenzen der Aufnahmefähigkeit erreicht seien, setze den sozialen Frieden aufs Spiel.

Mehr Einigkeit demonstriert hingegen der Parteinachwuchs. Junge Union, Jusos und Junge Liberale haben sich mit Jugendorganisationen von Gewerkschaften und Kirchen zusammengeschlossen, um den Flüchtlingen mehr politische Mitsprache zu ermöglichen. Dafür solle nach dem Vorbild der Gleichstellungsbeauftragten eine unabhängige Stelle im Rathaus geschaffen werden, die Rede- und Antragsrecht in wichtigen Gremien hat und bei Konflikten moderiert. Das "Junge Bündnis für Geflüchtete" hofft darauf, dass der Stadtrat diesen Antrag parteiübergreifend übernimmt. "Warum sollten die Parteien nicht hinbekommen, was wir Jungen vorleben: sich gemeinsam für Geflüchtete einsetzen", erklärt Bündnissprecherin Eva Blomberg. Die Jugendorganisationen wollen sich auch in den kommenden Monaten gemeinsam für Flüchtlinge engagieren.

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