"I schau ma japanische Touristn o / Beim Glocknspui aufm Marienplatz", dichtete einst die Spider Murphy Gang. Dass - nicht nur - japanische Touristen jeden Mittag um 11 und 12 Uhr und im Sommer auch um 17 Uhr was zum Anschauen und Bestaunen haben, ist vier Männern zu verdanken: dem Rathaus-Architekten Georg von Hauberrisser, der die Idee zu dem Glockenspiel mit Szenen aus der Stadtgeschichte hatte; dem Uhrmacher und Viertaktmotor-Erfinder Christian Reithmann, der die Mechanik des Figurentanzes choreografierte. Vor allem aber den beiden Glockengießern Rupert und Rudolf Oberascher, in deren Laimer Werkstatt an der Mitterhoferstraße die 43 Glocken des Münchner Wahrzeichens entstanden.
Zwei Mitgliedern des Historischen Vereins Laim ist jetzt buchstäblich ein Jahrhundertfund gelungen, der neues Licht auf die Entstehung des Glockenspiels wirft: Sie haben einen Kostenvoranschlag aus dem Jahr 1905 entdeckt.
Fein säuberlich notierter Kostenvoranschlag
Für seinen im Oktober erscheinenden Almanach hat der Verein die Geschichte der Laimer Glockengießerei Oberascher recherchiert. Der Fotograf Josef Stöger gelangte an Münchner Adressbücher aus dem Nachlass des 1956 gestorbenen Rudolf Oberascher, darunter auch das aus dem Jahre 1907. Versteckt im Packpapiereinband dieses Jahrgangs entdeckte Vereinsschriftführer Josef Kirchmeier den Kostenvoranschlag für die Installation des Glockenspiels im Rathaus. Der Entwurf beläuft sich über die "Lieferung u. betriebsfertige Aufstellung eines Glockengerüstes für 43 Glocken, Lieferung u. Montage von 43 Klöppeln, Montage v. 43 Glocken f. d. Turm des neuen Rathauses in München."
Vom Glockenstuhl aus Walzeisen selbst zum Preis von 3600 Mark bis zu 210 Stück Befestigungsschrauben im Wert von 125 Mark sowie den Arbeitskosten sind laut Andreas Bauer vom Historischen Verein alle Einzelpositionen akribisch aufgelistet. Insgesamt belief sich die Kalkulation für die aufgelisteten Arbeiten auf 6913 Mark - nur ein Bruchteil dessen, was das gesamte Glockenspiel, das am 18. Februar 1909 erstmals zu hören war, kosten sollte. Zum 850. Stadtgeburtstag 2008 wurden die von Luftverschmutzung und Rost in Mitleidenschaft gezogenen Glocken in einer holländischen Gießerei für 750 000 Euro restauriert und neu gestimmt.